Rechtsmittel im Strafrecht

Sie wurden vom Amtsgericht oder Landgericht verurteilt? In den meisten Fällen können Sie ein gerichtliches Urteil im Strafverfahren mit einem Rechtsmittel anfechten. Handeln Sie aber nicht vorschnell und unüberlegt. Ein Fehler kann im Nachhinein kaum wieder ausgebügelt werden.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 08.01.2025

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Rechtsmittel im Strafverfahren

Im deutschen Strafrecht stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Angeklagten verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, um gerichtliche Entscheidungen überprüfen zu lassen. Diese Möglichkeiten sind essenziell, um die Rechtmäßigkeit und Gerechtigkeit von Urteilen und Beschlüssen sicherzustellen. Doch welche Rechtsmittel gibt es, und wie unterscheiden sie sich? Dieser Leitfaden bietet Ihnen einen umfassenden Überblick über die Rechtsmittel im Strafrecht und zeigt auf, wie Sie diese effektiv zu Ihrem Vorteil nutzen können.

Bedeutung und Funktion von Rechtsmitteln im Strafrecht

Rechtsmittel dienen dazu, gerichtliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Sie ermöglichen es dem Angeklagten, Fehler im Verfahren oder in der Rechtsanwendung geltend zu machen und somit eine Neubewertung des Falls zu erreichen. Ob Berufung oder Revision – jedes Rechtsmittel hat seine spezifischen Anforderungen und Erfolgsaussichten. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels kann die Vollstreckung eines Urteils hinausgezögert und in vielen Fällen eine erneute Prüfung des Sachverhalts oder der Rechtslage erwirkt werden.

Die wichtigsten Rechtsmittel im Strafrecht

Die wichtigsten Rechtsmittel im Strafrecht und im Strafverfahren nach der StPO (Strafprozessordnung) sind die Berufung, die Revision und die (sofortige) Beschwerde.

Berufung

Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Urteile des Amtsgerichts. Sie ermöglicht eine vollständige Überprüfung des Urteils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. In der Berufungsverhandlung wird der Fall neu verhandelt, wobei sowohl neue Beweise als auch Zeugenaussagen berücksichtigt werden können. Ziel der Berufung ist es, eine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen.

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Revision

Die Revision richtet sich gegen Urteile des Landgerichts und in bestimmten Fällen auch gegen Urteile des Amtsgerichts (sog. “Sprungrevisin”). Im Gegensatz zur Berufung prüft die Revision ausschließlich die rechtliche Seite des Urteils, also ob Verfahrensfehler oder Rechtsanwendungsfehler vorliegen. Eine neue Beweisaufnahme findet nicht statt. Das Revisionsgericht kann das Urteil aufheben und zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverweisen.

Mehr über die Revision

Einspruch gegen Strafbefehl

Wird vom Amtsgericht ein Strafbefehl erlassen, kann gegen diesen eine Einspruch eingelegt werden. Zwar handelt es sich bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl formal nicht um ein Rechtsmittel sondern um einen Rechtsbehelf – Für einen Angeklagten ist aber nur entscheidend, dass mit einem Einspruch der Strafbefehl angefochten werden kann.

Mehr über den Einspruch gegen einen Strafbefehl

Beschwerde

Die Beschwerde ist ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse eines Gerichts. Sie kommt beispielsweise bei Entscheidungen über Haftbefehle, Durchsuchungen oder andere prozessuale Maßnahmen zum Einsatz. Die Beschwerde ermöglicht es, solche Entscheidungen durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen.

Mehr über die Beschwerde

Haftprüfung

Die Haftprüfung richtet sich gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft. Ziel ist die Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Insbesondere der Haftgrund der Fluchtgefahr kann mit geeigneten Nachweisen häufig aus der Welt geschafft werden. Die Haftprüfung erfolgt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.

Mehr über die Haftprüfung

Haftbeschwerde

Bei dem Verfahren einer Haftbeschwerde handelt es sich um ein schriftliches Verfahren. Mit der Haftbeschwerde wird in der Regel die Annahme eines dringenden Tatverdachts angegriffen. Das Verfahren betrifft daher rechtliche Aspekte des Tatvorwurfs. Folgt das Gericht dieser Auffassung wird der Haftbefehl aufgehoben.

Mehr über die Haftbeschwerde

Rechtsgrundlagen gemäß StPO

Die Strafprozessordnung (StPO) regelt die Voraussetzungen und Verfahren der einzelnen Rechtsmittel. Wichtige Paragrafen sind unter anderem:

  • §§ 296–303 StPO: Allgemeine Vorschriften über Rechtsmittel
  • §§ 304–311a StPO: Regelungen zur Beschwerde
  • §§ 312–332 StPO: Vorschriften zur Berufung
  • §§ 333–358 StPO: Bestimmungen zur Revision

Rechtsmittel gegen Urteile im Strafrecht

Gegen strafrechtliche Urteile kann Berufung oder Revision eingelegt werden.

Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts

Gegen Urteile des Amtsgerichts kann innerhalb einer Woche nach Verkündung Berufung eingelegt werden. Die Berufung führt zu einer neuen Hauptverhandlung vor der nächsthöheren Instanz, dem Landgericht. In dieser Verhandlung werden alle Beweise und Zeugenaussagen erneut geprüft, und es können neue Beweismittel eingebracht werden. Dies bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler der ersten Instanz zu korrigieren und ein gerechteres Urteil zu erzielen. Die Berufung muss nicht begründet werden.

Revision gegen Urteile des Landgerichts

Gegen Urteile des Landgerichts ist die Revision das statthafte Rechtsmittel. Sie muss ebenfalls innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung eingelegt werden. Die Revision prüft ausschließlich, ob das Urteil auf einem Rechtsfehler beruht. Eine neue Beweisaufnahme findet nicht statt. Bei Erfolg wird das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Revision muss zwingend begründet werden.

Revision gegen Urteil des Amtsgerichts

Auch Urteile des Amtsgerichts können mit Revision angegriffen werden. Über diese sogenannte “Sprungrevision” entscheidet das Oberlandesgericht. Da sich der Angeklagte durch eine Revision gegen ein Urteil des Amtsgericht allerdings einer neuen Tatsacheninstanz “beraubt”, sollte die Sprungrevision nur in Ausnahmefällen eingelegt werden.

Einspruch gegen Strafbefehl

Wird gegen einen gerichtlichen Strafbefehl Einspruch eingelegt, wird über diesen im Rahmen einer Hauptverhandlung verhandelt. Es werden dann – wie bei einer “normalen” Anklage – alle Beweismittel herangezogen. Am Ende der Verhandlung fällt das Gericht ein Urteil.

Zuständige Gerichte in Sachsen

In Sachsen ist das Oberlandesgericht Dresden für Revisionen zuständig. Für Berufungen sind das Landgericht Leipzig, das Landgericht Dresden, das Landgericht Görlitz, das Landgericht Zwickau und das Landgericht Chemnitz zuständig. Bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl ist das jeweilige Amtsgericht zuständig.

Rechtsmittel gegen Beschlüsse im Strafrecht

Gerichtliche Beschlüsse und Verfügungen können mit der Beschwerde angefochten werden.

Beschwerde im Strafverfahren

Gegen gerichtliche Beschlüsse wie Haftbefehle und Hausdurchsuchungen kann Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde ermöglicht es, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen. Dies ist besonders wichtig, um Grundrechtseingriffe wie Untersuchungshaft auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen. Die Beschwerde kann grundsätzlich ohne Einhaltung einer Frist eingelegt werden. In besonderen, gesetzlich benannten Fällen (“sofortige Beschwerde”) gilt eine Frist von einer Woche.

Fristen und Formvorschriften für Beschwerden

Die Einlegung einer Beschwerde muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts erfolgen, dessen Beschluss angefochten wird. Es ist wichtig, die gesetzlichen Fristen genau einzuhalten, da eine verspätete Beschwerde unzulässig ist. Zudem sollte die Beschwerdebegründung klar und präzise die Gründe darlegen, warum der Beschluss angefochten wird. Eine Beschwerdebegründung ist aber nicht zwingend.

Untersuchungshaft: Haftprüfung und Haftbeschwerde

Einige Besonderheiten gelten bei der Untersuchungshaft. Dort kann der Beschuldigte gegen die U-Haft entweder die Haftprüfung beantragen oder Haftbeschwerde einlegen. Während es sich bei der Haftbeschwerde um ein schriftliches Verfahren handelt, in dem regelmäßig die Annahme eines (dringenden) Tatverdachts angegriffen wird, findet bei der Haftprüfung eine mündliche Verhandlung statt. Dort wird vorwiegend über die Frage diskutiert, ob der Haftbefehl aufzuheben ist oder ggf. gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt werden kann.

Unterschiede zwischen Berufung und Revision

Ziel der Berufung

Berufung und Revision sind die beiden zentralen Rechtsmittel im Strafprozess, doch sie unterscheiden sich grundlegend in ihrer Zielsetzung und ihrem Ablauf.

Die Berufung zielt darauf ab, das gesamte Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Das bedeutet, dass sowohl die Beweisaufnahme als auch die rechtliche Bewertung durch das Gericht der zweiten Instanz erneut durchgeführt werden. In der Berufungsverhandlung können neue Beweismittel vorgelegt und Zeugen erneut vernommen werden.

Ziel der Revision

Die Revision hingegen konzentriert sich ausschließlich auf die Überprüfung der rechtlichen Aspekte des Urteils. Das Gericht prüft, ob Verfahrensfehler oder Fehler in der Rechtsanwendung vorliegen. Eine neue Beweisaufnahme findet nicht statt. Die Feststellungen zur Tat bleiben unangetastet, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass gravierende Verfahrensfehler vorliegen, die die Tatsachenfeststellung beeinflusst haben könnten.

Verfahrensverlauf

Während bei der Berufung das gesamte Verfahren nochmals durchgeführt wird, beschränkt sich die Revision auf die Überprüfung der Urteilsgründe und des Hauptverhandlungsprotokolls. Die Revisionsbegründung erfolgt schriftlich und muss präzise darlegen, welche Rechtsfehler begangen wurden. Bei einer Berufung ist keine Begründung vorgeschrieben.

Entscheidungskompetenz der Gerichte

In der Berufung wird das Verfahren vor dem übergeordneten Landgericht neu aufgerollt. Bei der Revision entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) oder das Oberlandesgericht (OLG) über die Rechtmäßigkeit des Urteils der Vorinstanz.

Zusammengefasst

  • Berufung: Tatsächliche und rechtliche Überprüfung (neue Beweisaufnahme möglich)
  • Revision: Ausschließlich rechtliche Prüfung (keine neue Beweisaufnahme)

Fristen und Formalitäten bei Rechtsmitteln

Die Einhaltung der Fristen und Formvorschriften ist entscheidend für den Erfolg eines Rechtsmittels. Bereits kleinste Fehler können dazu führen, dass ein Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.

Fristen im Überblick

Berufung: Innerhalb von einer Woche nach Verkündung des Urteils muss die Berufung eingelegt werden (§ 314 StPO).

Revision: Die Frist zur Einlegung der Revision beträgt ebenfalls eine Woche nach Verkündung des Urteils (§ 341 StPO). Die Revisionsbegründung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingereicht werden.

Beschwerde: Die einfache Beschwerde kann unbefristet eingelegt werden. In besonderen, gesetzlich aufgezählten Fällen muss die “sofortige Beschwerde” binnen einer Woche eingelegt werden.

Formvorschriften

Rechtsmittel müssen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts eingelegt werden. Die Revisionsbegründung erfordert eine detaillierte Darlegung der Rechtsverstöße und muss von einem Anwalt eingereicht werden.

Frist versäumt? Was tun?

Wurde eine Frist versäumt, kann in Ausnahmefällen eine sogenannte “Wiedereinsetzung in den vorigen Stand” beantragt werden. Dabei muss binnen einer Woche dargelegt werden, dass eine Frist unverschuldet versäumt worden ist z.B. wegen Krankheit, Urlaub oder anderer längerer Abwesenheit.

Mehr über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Strategien für erfolgreiche Rechtsmittel im Strafrecht

Der Erfolg eines Rechtsmittels hängt maßgeblich von der sorgfältigen Vorbereitung und der richtigen Strategie ab. Ein erfahrener Strafverteidiger analysiert das Urteil der Vorinstanz auf mögliche Schwachstellen und Fehler.

Fehlerquellen erkennen

Typische Fehler im erstinstanzlichen Verfahren sind:

  • Unzureichende Beweiswürdigung
  • Verletzung von Verfahrensrechten (z. B. Nichtvernehmung wichtiger Zeugen)
  • Fehlerhafte Rechtsanwendung

Argumentationslinien

Bei der Berufung liegt der Fokus auf einer erneuten Tatsachenfeststellung. Hier ist es wichtig, neue Beweismittel vorzulegen oder Widersprüche in der bisherigen Beweisaufnahme aufzuzeigen. In der Revision hingegen kommt es darauf an, formale und rechtliche Fehler des Gerichts darzulegen.

Rechtsmittel im Jugendstrafrecht

Selbstverständlich können auch verurteilte Jugendliche oder Heranwachsende gegen das Urteil ein Rechtsmittel einlegen. Es gilt aber die Beschränkung des § 55 JGG: Wird gegen ein Urteil im Jugendstrafverfahren wirksam Berufung eingelegt, dann kann das folgende Berufungsurteil nicht mehr mit der Revision angefochten werden (Im Erwachsenenstrafrecht ist das ohne Weiteres möglich). Ebenso kann ein Urteil, in dem “nur” Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel verhängt worden sind, nicht mit dem Ziel angefochten werden, dass andere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel verhängt werden soll.

Rechtsmittel: So kann ein Anwalt helfen

Ein erfahrener Strafverteidiger und Rechtsanwalt für Strafrecht ist bei der Einlegung und Durchführung von Rechtsmitteln unverzichtbar. Er kennt die Feinheiten der Strafprozessordnung (StPO) und weiß, welche Argumente vor höheren Instanzen Gehör finden.

Vorbereitung der Rechtsmittel

Die Vorbereitung beginnt mit einer genauen Analyse der Urteilsbegründung. Dabei wird geprüft, ob Verfahrensfehler vorliegen oder ob das Gericht wichtige Beweise unzureichend gewürdigt hat. Gemeinsam mit dem Mandanten wird eine Strategie entwickelt, um die Erfolgsaussichten zu maximieren.

Zusammenarbeit mit Mandanten

Eine offene Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandant ist essenziell. Der Mandant sollte über alle möglichen Risiken und Chancen des Rechtsmittels informiert werden.

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Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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