Abfangen von Daten, § 202b StGB
In unserem digitalen Zeitalter spielen sich immer mehr Straftaten außerhalb der analogen Welt ab. So auch das „Abfangen von Daten“ gem. § 202b StGB. Im folgenden Beitrag erfahren Sie, was genau darunter zu verstehen ist und welche Strafen drohen können.

In einer zunehmend digitalisierten Welt sind persönliche und geschäftliche Daten von unschätzbarem Wert. Doch mit der technologischen Entwicklung steigen auch die Gefahren durch Cyberkriminalität. Begriffe wie Hacking, Phishing, Trojaner oder Datendiebstahl sind längst keine Seltenheit mehr.
Die Zahl der Delikte im Bereich des Datenstrafrechts hat in den letzten Jahren stark zugenommen und erreicht mittlerweile jährlich fünfstellige Fallzahlen. Viele dieser Taten betreffen das unbefugte Abfangen von Daten, was nach § 202b StGB unter Strafe gestellt wird.
Doch was genau bedeutet „Abfangen von Daten“? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Strafbarkeit nach § 202b StGB zu begründen? Welche Strafen drohen und wie kann sich ein Beschuldigter verteidigen?
Tatbestand des § 202b StGB
Definition und Hintergrund
Der Straftatbestand des Abfangens von Daten nach § 202b StGB wurde geschaffen, um den Schutz nichtöffentlicher Datenübermittlungen sicherzustellen.
Anders als bei § 202a StGB (Ausspähen von Daten), der sich auf das Eindringen in gesicherte IT-Systeme bezieht, erfasst § 202b StGB das Abfangen von Daten während der Übertragung.
Das bedeutet: Nicht das Speichermedium selbst wird angegriffen, sondern die Kommunikation während der Übermittlung.
Beispiele:
- Mitlesen von E-Mails, während sie über das Internet übertragen werden
- Abfangen von WLAN- oder Bluetooth-Datenverkehr
- Abhören von Telefongesprächen oder VoIP-Datenpaketen
Geschützte Rechtsgüter
Der Straftatbestand schützt:
- Die Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation
- Das Geheimhaltungsinteresse des Berechtigten
- Die Integrität der Datenübertragung
Die Norm soll verhindern, dass Unbefugte sensible Informationen während der Übertragung abfangen und missbrauchen können.

Tatbestandsmerkmale nach § 202b StGB
Damit eine Strafbarkeit vorliegt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Tatobjekt: Daten
Was sind „Daten“ im Sinne des § 202b StGB?
Laut § 202a Abs. 2 StGB umfasst der Begriff „Daten“:
- E-Mails, SMS, Chat-Nachrichten (z. B. WhatsApp, Telegram)
- Digitale Dokumente (Word-Dateien, PDFs, Tabellen)
- Gespeicherte Passwörter, Zugangsdaten
- Daten auf Speichermedien (USB-Sticks, externe Festplatten, Cloud-Speicher)
- Musik- und Videodateien
Diese Daten müssen nicht für den Täter bestimmt sein und sich in einer nichtöffentlichen Datenübertragung befinden.
Nichtöffentliche Datenübermittlung
Strafbar ist nur das Abfangen von Daten, die sich in einer nichtöffentlichen Übermittlung befinden.
Beispiele für nichtöffentliche Übermittlungen:
✅ E-Mail-Kommunikation zwischen zwei Personen
✅ Telefon- oder VoIP-Gespräche über das Internet
✅ WLAN- oder LAN-Datenübertragung in einem Firmennetzwerk
✅ Datenverkehr zwischen einem Cloud-Dienst und einem Nutzer
Datenübermittlungen sind nicht öffentlich, wenn sie nur einem bestimmten Empfängerkreis zugänglich sein sollen.
Elektromagnetische Abstrahlung
Auch das Auslesen von Daten aus elektromagnetischen Signalen fällt unter § 202b StGB.
Ein bekanntes Beispiel ist die sogenannte „Van-Eck-Phreaking“-Methode, bei der Hacker mithilfe von Funktechnik Bildschirminhalte auslesen, ohne physischen Zugriff auf den Computer zu haben.
Technische Mittel
Das Gesetz verlangt, dass der Täter „technische Mittel“ einsetzt, um sich die Daten zu verschaffen.
Welche technischen Mittel sind strafbar?
- Netzwerk-Sniffer-Tools (z. B. Wireshark, Tcpdump)
- Keylogger zum Mitlesen von Tastatureingaben
- Programme zum Abfangen von Passwörtern
- Hacking-Software für WLAN-Überwachung
Unbefugtes Handeln
Das Abfangen von Daten muss ohne Zustimmung des Berechtigten erfolgen.
- Nicht unbefugt ist das Abfangen, wenn der Berechtigte zugestimmt hat (z. B. IT-Sicherheitsforscher mit Genehmigung).
- Unbefugt ist hingegen das Hacken eines fremden WLANs, um den Datenverkehr auszulesen.
Vorsatz
Der Täter muss vorsätzlich handeln – also wissentlich und willentlich Daten abfangen.
- Eventualvorsatz reicht aus: Es genügt, dass der Täter das Abfangen für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
- Fahrlässiges Handeln ist nicht strafbar.
Unterschied zu § 202a StGB (Ausspähen von Daten)
Der wesentliche Unterschied zwischen § 202a StGB und § 202b StGB liegt im Tatgegenstand:
Tatbestand | Merkmal |
---|---|
§ 202a StGB (Ausspähen von Daten) | Zugriff auf bereits gespeicherte Daten (z. B. durch Hacking eines Computers) |
§ 202b StGB (Abfangen von Daten) | Zugriff auf Daten während der Übertragung (z. B. E-Mail oder WLAN-Datenverkehr) |
Beispiele zur Unterscheidung
- § 202a StGB: Hacker bricht in ein gesichertes Firmennetzwerk ein und kopiert Daten.
- § 202b StGB: Hacker liest Datenpakete während eines E-Mail-Versands mit.

Strafmaß und Rechtsfolgen
Welche Strafen drohen?
Laut § 202b StGB wird das Abfangen von Daten mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft.
Strafantrag und öffentliches Interesse
Das Abfangen von Daten ist ein relatives Antragsdelikt (§ 205 StGB). Das bedeutet:
- Die Staatsanwaltschaft verfolgt die Tat nur auf Antrag des Geschädigten.
- Ausnahme: Besteht ein besonderes öffentliches Interesse, kann auch ohne Antrag ermittelt werden.
Verteidigungsstrategien
1. Fehlende Tatbestandsmerkmale
- War die Datenübertragung öffentlich zugänglich?
- Wurden wirklich technische Mittel eingesetzt?
- War der Zugriff möglicherweise erlaubt?
2. Rechtfertigungsgründe
- Einwilligung des Berechtigten (z. B. IT-Sicherheitsprüfung)
- Berufliche Legitimation (z. B. IT-Administrator, der Netzwerkverkehr überwacht)
3. Beweisproblematik
In vielen Fällen ist der Nachweis schwierig, weil digitale Spuren schwer erkennbar sind.
Beispielszenarien
Praktische Fälle aus der Rechtsprechung
- Ein Hacker fängt unverschlüsselte WLAN-Datenpakete ab und erhält Zugang zu sensiblen Informationen.
- Ein Mitarbeiter installiert eine Software, um interne E-Mails im Firmennetzwerk mitzulesen.
Hypothetische Szenarien
- Ein Nutzer setzt ein Sniffer-Tool ein, um fremde Passwörter mitzulesen.
- Ein Angreifer nutzt einen Man-in-the-Middle-Angriff, um Online-Banking-Daten abzufangen.
Fazit
§ 202b StGB stellt das unbefugte Abfangen nichtöffentlicher Daten unter Strafe.
Wer beschuldigt wird, sollte umgehend einen Strafverteidiger kontaktieren, um mögliche Verteidigungsstrategien zu prüfen.
FAQs
1. Was ist „Abfangen von Daten“? → Das unbefugte Mitlesen von Daten während der Übertragung.
2. Welche Strafen drohen? → Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
3. Wie kann man sich verteidigen? → Anfechtung der Tatbestandsmerkmale oder Beweisprobleme aufzeigen.