Catcalling
Catcalling, auch bekannt als „Straßenbelästigung“ oder „Straßensexismus“, ist ein weit verbreitetes und besorgniserregendes Phänomen, bei dem Personen in öffentlichen Räumen unerwünschte sexuelle Kommentare, Gesten und Rufe von Fremden oft aufgrund ihres Geschlechts oder Aussehens erleben. Diese Form der „verbalen sexuellen Belästigung“ kann für die Betroffenen äußerst unangenehm und sogar traumatisch sein.
Catcalling bezeichnet sexuell aufgeladene, unerwünschte verbale oder nonverbale Äußerungen, die meist in der Öffentlichkeit stattfinden. Während Betroffene es als entwürdigend oder bedrohlich empfinden, gibt es in Deutschland bislang keinen eigenständigen Straftatbestand, der solche Verhaltensweisen direkt sanktioniert.
Allerdings gibt es zunehmend politische Initiativen, die sich für eine Strafbarkeit von Catcalling einsetzen – sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Dieser Artikel beleuchtet die rechtliche Lage, aktuelle Gesetzesvorhaben und internationale Vergleiche.
Definition und Beispiele für Catcalling
Was ist Catcalling?
Catcalling umfasst verschiedene Formen der sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum, die ohne Zustimmung der betroffenen Person erfolgen. Während Befürworter meinen, es handle sich um „harmlose Komplimente“, empfinden die meisten Betroffenen Catcalling als übergriffig und unangenehm.
Beispiele für Catcalling:
1. Verbale Belästigung
- Sexuelle Kommentare: „Wow, was für ein heißer Körper!“
- Unangebrachte Fragen: „Na, Lust auf ein Abenteuer?“
- Kommentare zur Kleidung: „Warum versteckst du dich unter so viel Stoff?“
- Plumpe Aufforderungen: „Steig doch zu mir ins Auto, dann haben wir beide Spaß!“
2. Nonverbale Belästigung
- Pfeifen oder lautes Stöhnen
- Obszöne Gesten oder das Nachahmen sexueller Handlungen
- Hartnäckiges Anstarren („Eye-Rape“) oder anzügliches Zwinkern
3. Physische Bedrängung
- Das absichtliche Näherkommen, um eine Reaktion zu erzwingen
- Das Verfolgen oder Blockieren des Weges einer Person
- Das absichtliche Eindringen in den persönlichen Raum, um Angst auszulösen
Während in anderen Ländern einige dieser Verhaltensweisen bereits strafbar sind, gibt es in Deutschland noch keine einheitliche rechtliche Regelung.
Ist Catcalling in Deutschland strafbar?
Die aktuelle Gesetzeslage
Deutschland hat keinen spezifischen Straftatbestand für Catcalling. Allerdings können bestimmte Formen unter bestehende Gesetze fallen.
Mögliche Straftatbestände
1. Beleidigung (§ 185 StGB)
Beleidigung ist die ehrverletzende Kundgabe der Missachtung einer Person. In bestimmten Fällen können anzügliche Bemerkungen als Beleidigung gewertet werden – etwa, wenn sie gezielt darauf abzielen, die betroffene Person herabzuwürdigen.
Beispiel:
- „Du bist doch nur eine billige Schlampe!“ → Strafbar nach § 185 StGB
- „Hey Süße, komm doch mal rüber!“ → Meist nicht strafbar, da keine Ehrverletzung
Strafe: Geldstrafe oder bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe.
2. Sexuelle Belästigung (§ 184i StGB)
Sexuelle Belästigung setzt eine körperliche Berührung in sexuell bestimmter Weise voraus.
Beispiel:
- Ein Fremder berührt das Gesäß einer Person → Strafbar nach § 184i StGB
- Verbale Anmache ohne Körperkontakt → Nicht strafbar nach § 184i StGB
Strafe: Bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
3. Nachstellung (§ 238 StGB)
Nachstellung (Stalking) erfordert eine wiederholte Belästigung, die das Leben des Opfers schwer beeinträchtigt.
Beispiel:
- Jemand folgt einer Person mehrfach, ruft ihr nach und wartet vor ihrer Wohnung → Strafbar nach § 238 StGB
- Ein einzelnes Hinterherrufen ohne weitere Verfolgung → Nicht strafbar
Strafe: Bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
4. Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB)
Dieser Tatbestand greift bei sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit.
Beispiel:
- Ein Mann masturbiert in Sichtweite einer Frau → Strafbar nach § 183a StGB
- Verbale sexuelle Kommentare → Nicht strafbar
Strafe: Bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
5. Ordnungswidrigkeiten (§ 118 OWiG – Belästigung der Allgemeinheit)
In einigen Fällen könnte Catcalling als Belästigung der Allgemeinheit gelten, doch dieser Paragraph wird kaum angewendet, da er sich auf grob ungehöriges Verhalten bezieht.
Ländergesetzesinitiativen zur Strafbarkeit von Catcalling
Da das Bundesrecht bislang keine umfassende Regelung gegen Catcalling enthält, haben mehrere Bundesländer eigene Initiativen gestartet.
1. Niedersachsen: Bundesratsinitiative für ein neues Gesetz
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) setzt sich für einen eigenen Straftatbestand für verbale sexuelle Belästigung ein.
Kernpunkte der Initiative:
- Einführung eines neuen Straftatbestandes für Catcalling.
- Strafbarkeit von nicht-körperlichen sexuellen Übergriffen.
- Fokus auf Frauen- und Opferschutz im öffentlichen Raum.
Der Bundesrat soll über diesen Vorschlag beraten, jedoch gibt es Widerstand aus der Justiz – insbesondere von FDP und CDU/CSU, die befürchten, dass eine Strafbarkeit zu einer Überlastung der Gerichte führen könnte.
2. Hessen: Verschärfte Verfolgung im Rahmen des „Frauensicherheitspakets“
Hessen plant keine eigene Gesetzesänderung, sondern setzt darauf, bestehende Gesetze konsequenter anzuwenden.
Justizminister Christian Heinz (CDU) betont, dass Catcalling bereits unter Beleidigung oder Nötigung fallen könne, falls es sich um schwerwiegende Fälle handelt.
Kernpunkte des hessischen Ansatzes:
- Sensibilisierung von Polizei und Justiz für verbale sexuelle Belästigung.
- Erfassung von Catcalling-Vorfällen, um die Notwendigkeit neuer Gesetze zu prüfen.
- Zentrale Ansprechpartner bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt für sexuelle Belästigung.
3. Nordrhein-Westfalen: Evaluation statt Gesetzesänderung
NRW setzt auf eine wissenschaftliche Untersuchung zu Catcalling, um zu prüfen, ob eine Gesetzesverschärfung sinnvoll ist.
Maßnahmen in NRW:
- Analyse bestehender Gesetze: Sind sie ausreichend oder gibt es Strafbarkeitslücken?
- Pilotprojekte mit Polizei: Dokumentation von Catcalling-Fällen.
- Befragungen von Betroffenen, um das Ausmaß des Problems zu erfassen.
NRW bevorzugt eine bundesweite Lösung und will zunächst empirische Daten sammeln, bevor Gesetze verschärft werden.
Fazit: Wird Catcalling in Deutschland strafbar?
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass das Thema politisch ernst genommen wird. Während Niedersachsen auf eine direkte Gesetzesänderung drängt, setzt Hessen auf eine konsequentere Anwendung bestehender Gesetze. Nordrhein-Westfalen wiederum prüft das Thema wissenschaftlich, bevor gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden.
Die Debatte bleibt kontrovers:
- Befürworter argumentieren, dass verbale sexuelle Belästigung klar strafbar sein sollte.
- Kritiker warnen vor einer Überlastung der Justiz und Problemen bei der Beweisführung.
Ob Catcalling bald als Straftat gilt, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Die Diskussion darüber wird weitergehen.