Catcalling

Catcalling, auch bekannt als “Straßenbelästigung” oder “Straßensexismus”, ist ein weit verbreitetes und besorgniserregendes Phänomen, bei dem Personen in öffentlichen Räumen unerwünschte sexuelle Kommentare, Gesten und Rufe von Fremden oft aufgrund ihres Geschlechts oder Aussehens erleben. Diese Form der „verbalen sexuellen Belästigung“ kann für die Betroffenen äußerst unangenehm und sogar traumatisch sein.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 09.12.2024

Themen auf dieser Seite

Catcalling ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten hat. Als eine Form der verbalen Belästigung tritt es weltweit auf und betrifft in der Regel Frauen im öffentlichen Raum. Die Debatte um Catcalling beleuchtet nicht nur gesellschaftliche Normen, sondern auch rechtliche und kulturelle Aspekte, die mit dem Thema einhergehen. Doch was genau ist Catcalling, warum ist es problematisch, und wie reagiert die Gesellschaft darauf?

Was ist Catcalling?

Catcalling bezieht sich auf unerwünschte sexuelle Kommentare, Pfeifen, Rufe oder Gesten, die oft von Fremden in der Öffentlichkeit gegenüber Personen, meist Frauen, geäußert werden. Diese Handlungen sind häufig vulgär, respektlos und aufdringlich. Sie überschreiten die Grenze eines harmlosen Flirts oder Kompliments, indem sie das Gegenüber objektifizieren und auf seine körperliche Erscheinung reduzieren.

Die Wirkung von Catcalling geht weit über den Moment hinaus: Es kann emotional verletzend sein, Angst auslösen und das Sicherheitsgefühl der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen. Viele Frauen berichten, dass sie sich nach solchen Erlebnissen unsicher fühlen, öffentliche Räume meiden oder ihre Kleidung ändern, um nicht weiter Opfer solcher Übergriffe zu werden.

Definition und Ursprung des Begriffs

Der Begriff “Catcalling” stammt aus dem Englischen und wurde ursprünglich für Buhrufe im Theater verwendet. Heute beschreibt er eine spezifische Form der Belästigung, die auf Dominanz und Einschüchterung basiert.

Unterschied zwischen Kompliment und Catcalling

Ein Kompliment zeigt Wertschätzung, ist respektvoll gemeint und wird oft in einem persönlichen Rahmen geäußert. Catcalling hingegen ist aufdringlich, sexualisiert und ignoriert die Zustimmung oder die Grenzen der betroffenen Person. Es geht nicht um echte Wertschätzung, sondern darum, Macht über das Gegenüber auszuüben.

Formen und Beispiele von Catcalling

Catcalling kann auf viele Arten auftreten. Häufig sind es:

  • Sexuelle Bemerkungen: Aussagen wie “Schöne Beine, Schätzchen!” oder “Du siehst heiß aus!”.
  • Pfeifen oder Rufen: Laute Geräusche oder Rufe, die die Aufmerksamkeit einer Person erzwingen sollen.
  • Obszöne Gesten: Anzügliche Bewegungen oder Handzeichen, die sexuelle Absichten suggerieren.
  • Verfolgung: Jemand läuft einer Person hinterher und macht unangemessene Kommentare.
  • Unangebrachte Kommentare: Kritik an Kleidung oder Aussehen, wie “Zieh doch mal was Kürzeres an!”.
  • Sexuelle Aufforderungen: Forderungen nach sexuellen Handlungen oder Dienstleistungen.
  • Exhibitionismus: Das Entblößen des eigenen Körpers, um sexuelle Aufmerksamkeit zu erregen.

Diese Handlungen wirken oft bedrohlich und schränken die Freiheit der Betroffenen ein, sich ungestört in öffentlichen Räumen zu bewegen.

Catcalling in Deutschland: Eine rechtliche Perspektive

Ist Catcalling strafbar?

In Deutschland gibt es keinen spezifischen Straftatbestand für Catcalling. Je nach Situation können jedoch bestehende Straftatbestände angewendet werden:

  • Beleidigung (§ 185 StGB): Sexuell anzügliche Bemerkungen können als Beleidigung geahndet werden, wenn sie ehrverletzend sind.
  • Sexuelle Belästigung (§ 184i StGB): Dieser Straftatbestand setzt jedoch körperlichen Kontakt voraus und greift daher bei rein verbalen Übergriffen nicht.
  • Nachstellung (§ 238 StGB): Hier ist ein beharrliches, schwerwiegendes Verfolgen erforderlich, was in den meisten Catcalling-Fällen nicht vorliegt.
  • Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB): Dies umfasst sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, aber keine verbalen Übergriffe.

In der Praxis bleiben die meisten Fälle von Catcalling straflos, da sie nicht eindeutig in die bestehenden Gesetze passen.

Was kann man in der Zukunft erwarten?

Es gibt Bestrebungen, Catcalling rechtlich stärker zu sanktionieren. Eine Petition im Jahr 2020 sammelte rund 70.000 Unterschriften, um verbale sexuelle Belästigung unter Strafe zu stellen. Im Jahr 2023 brachte die SPD erneut einen Gesetzesentwurf ein, um das Thema auf politischer Ebene voranzutreiben.

Die Wahrnehmung von Catcalling in der Gesellschaft

Missverständnis: Kompliment oder Übergriff?

Viele Menschen verwechseln Catcalling mit harmlosen Flirts oder Komplimenten. Doch während ein Kompliment aus Respekt und auf Augenhöhe erfolgt, ist Catcalling einseitig, objektifizierend und oft erniedrigend.

Öffentliche Meinung und Debatten

Die Diskussion um Catcalling spiegelt unterschiedliche gesellschaftliche Sichtweisen wider. Während viele Menschen die Problematik erkennen und ernst nehmen, gibt es weiterhin Stimmen, die Catcalling verharmlosen oder sogar als “Männerrecht” betrachten.

Initiativen und Kampagnen gegen Catcalling

In Deutschland gibt es zunehmend Initiativen, die auf das Problem aufmerksam machen.

Bekannte Kampagnen in Deutschland

Eine der bekanntesten Bewegungen ist “Chalk Back”, bei der Betroffene mit Kreide auf Straßen markieren, wo Catcalling stattgefunden hat. Die Kreidebotschaften machen das Problem sichtbar und regen zur Diskussion an.

Einfluss der Bewegung auf gesetzliche Veränderungen

Der Druck solcher Bewegungen hat dazu geführt, dass in Bundesländern wie Niedersachsen Gesetzesentwürfe diskutiert werden, die verbale Belästigung unter Strafe stellen könnten.

Wie reagiert man auf Catcalling?

Rechtliche Schritte und Dokumentation

Betroffene können Übergriffe dokumentieren, beispielsweise durch Zeugen oder schriftliche Notizen. In schwerwiegenden Fällen ist eine Anzeige wegen Beleidigung oder Nachstellung möglich.

Selbstbewusst auftreten – Tipps für den Umgang

Ein klares “Hören Sie auf!” oder das Ignorieren des Täters kann helfen, die Situation zu entschärfen. Wichtig ist, sich selbst keine Schuld zu geben und, wenn nötig, Unterstützung zu suchen.

Vorbeugung und Sensibilisierung

Wie kann die Gesellschaft Catcalling verhindern?

Aufklärung und Bildung sind essenziell, um ein Bewusstsein für respektvolles Verhalten zu schaffen. Workshops und öffentliche Kampagnen können langfristig helfen, das Problem anzugehen.

Bildung und Aufklärung als Schlüssel

In Schulen und Unternehmen sollten Themen wie Gleichberechtigung, Respekt und Empathie aktiv behandelt werden, um stereotype Verhaltensmuster zu durchbrechen.

Fazit: Der Weg zu mehr Respekt und Gleichberechtigung

Catcalling ist keine Bagatelle. Es ist eine Form der Belästigung, die das Sicherheitsgefühl vieler Menschen nachhaltig beeinträchtigt. Gesellschaftliche Sensibilisierung, rechtliche Maßnahmen und individuelle Verantwortung können helfen, dieses Problem zu bekämpfen. Jeder einzelne kann dazu beitragen, eine Kultur des Respekts zu fördern, indem solche Verhaltensweisen nicht toleriert werden.

FAQs

Ist Catcalling strafbar?
In den meisten Fällen nicht, da es keinen spezifischen Straftatbestand gibt. Beleidigung oder Nachstellung können jedoch in Einzelfällen angewendet werden.

Was kann ich tun, wenn ich Catcalling erlebe?
Dokumentieren Sie den Vorfall, suchen Sie Zeugen und überlegen Sie, rechtliche Schritte einzuleiten. Sprechen Sie darüber, um andere zu sensibilisieren.

Warum wird Catcalling oft verharmlost?
Ein fehlendes Bewusstsein für die psychologischen Folgen und traditionelle Rollenbilder führen dazu, dass Catcalling oft als harmlos angesehen wird.

Gibt es gesetzliche Bestrebungen gegen Catcalling in Deutschland?
Ja, es gibt Initiativen und Diskussionen über einen neuen Straftatbestand für verbale sexuelle Belästigung.

Welche Kampagnen gibt es gegen Catcalling?
Initiativen wie “Chalk Back” und ähnliche Projekte machen das Problem sichtbar und fördern den gesellschaftlichen Dialog.

 

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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