Catcalling
Pfeifen, anzügliche Kommentare, obszöne Gesten – viele Menschen erleben täglich Catcalling im öffentlichen Raum. Doch wo verläuft die Grenze zwischen einem harmlosen Flirt und verbaler Belästigung? Während einige Länder bereits gesetzliche Regelungen gegen Catcalling erlassen haben, bleibt das Thema in Deutschland rechtlich umstritten.

Catcalling ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten hat. Als eine Form der verbalen Belästigung tritt es weltweit auf und betrifft in der Regel Frauen im öffentlichen Raum. Die Debatte um Catcalling beleuchtet nicht nur gesellschaftliche Normen, sondern auch rechtliche und kulturelle Aspekte, die mit dem Thema einhergehen. Doch was genau ist Catcalling, warum ist es problematisch, und wie reagiert die Gesellschaft darauf?
Was ist Catcalling?
Catcalling bezieht sich auf unerwünschte sexuelle Kommentare, Pfeifen, Rufe oder Gesten, die oft von Fremden in der Öffentlichkeit gegenüber Personen, meist Frauen, geäußert werden. Diese Handlungen sind häufig vulgär, respektlos und aufdringlich. Sie überschreiten die Grenze eines harmlosen Flirts oder Kompliments, indem sie das Gegenüber objektifizieren und auf seine körperliche Erscheinung reduzieren.
Die Wirkung von Catcalling geht weit über den Moment hinaus: Es kann emotional verletzend sein, Angst auslösen und das Sicherheitsgefühl der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigen. Viele Frauen berichten, dass sie sich nach solchen Erlebnissen unsicher fühlen, öffentliche Räume meiden oder ihre Kleidung ändern, um nicht weiter Opfer solcher Übergriffe zu werden.
Definition und Ursprung des Begriffs
Der Begriff „Catcalling“ stammt aus dem Englischen und wurde ursprünglich für Buhrufe im Theater verwendet. Heute beschreibt er eine spezifische Form der Belästigung, die auf Dominanz und Einschüchterung basiert.
Unterschied zwischen Kompliment und Catcalling
Ein Kompliment zeigt Wertschätzung, ist respektvoll gemeint und wird oft in einem persönlichen Rahmen geäußert. Catcalling hingegen ist aufdringlich, sexualisiert und ignoriert die Zustimmung oder die Grenzen der betroffenen Person. Es geht nicht um echte Wertschätzung, sondern darum, Macht über das Gegenüber auszuüben.

Formen und Beispiele von Catcalling
Catcalling kann auf viele Arten auftreten. Häufig sind es:
- Sexuelle Bemerkungen: Aussagen wie „Schöne Beine, Schätzchen!“ oder „Du siehst heiß aus!“.
- Pfeifen oder Rufen: Laute Geräusche oder Rufe, die die Aufmerksamkeit einer Person erzwingen sollen.
- Obszöne Gesten: Anzügliche Bewegungen oder Handzeichen, die sexuelle Absichten suggerieren.
- Verfolgung: Jemand läuft einer Person hinterher und macht unangemessene Kommentare.
- Unangebrachte Kommentare: Kritik an Kleidung oder Aussehen, wie „Zieh doch mal was Kürzeres an!“.
- Sexuelle Aufforderungen: Forderungen nach sexuellen Handlungen oder Dienstleistungen.
- Exhibitionismus: Das Entblößen des eigenen Körpers, um sexuelle Aufmerksamkeit zu erregen.
Diese Handlungen wirken oft bedrohlich und schränken die Freiheit der Betroffenen ein, sich ungestört in öffentlichen Räumen zu bewegen.
Catcalling in Deutschland: Eine rechtliche Perspektive
Ist Catcalling strafbar?
In Deutschland gibt es keinen spezifischen Straftatbestand für Catcalling. Je nach Situation können jedoch bestehende Straftatbestände angewendet werden:
- Beleidigung (§ 185 StGB): Sexuell anzügliche Bemerkungen können als Beleidigung geahndet werden, wenn sie ehrverletzend sind.
- Sexuelle Belästigung (§ 184i StGB): Dieser Straftatbestand setzt jedoch körperlichen Kontakt voraus und greift daher bei rein verbalen Übergriffen nicht.
- Nachstellung (§ 238 StGB): Hier ist ein beharrliches, schwerwiegendes Verfolgen erforderlich, was in den meisten Catcalling-Fällen nicht vorliegt.
- Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB): Dies umfasst sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, aber keine verbalen Übergriffe.
Die aktuelle Rechtslage zeigt somit eine Lücke im Schutz vor verbaler sexueller Belästigung auf. Dies ist einer der Gründe, warum immer wieder Forderungen nach einer klareren gesetzlichen Regelung laut werden. In der Praxis bleiben viele Fälle von Catcalling straflos, da es oft an einem konkreten Straftatbestand fehlt oder die Nachweisbarkeit schwierig ist. Die laufenden Debatten über eine mögliche Strafbarkeit von Catcalling zeigen, dass sich das Bewusstsein für das Problem ändert – ob und wann eine Gesetzesänderung erfolgt, bleibt jedoch abzuwarten.
Die Wahrnehmung von Catcalling in der Gesellschaft
Missverständnis: Kompliment oder Übergriff?
Viele Menschen verwechseln Catcalling mit harmlosen Flirts oder Komplimenten. Doch während ein Kompliment aus Respekt und auf Augenhöhe erfolgt, ist Catcalling einseitig, objektifizierend und oft erniedrigend.
Öffentliche Meinung und Debatten
Die Diskussion um Catcalling spiegelt unterschiedliche gesellschaftliche Sichtweisen wider. Während viele Menschen die Problematik erkennen und ernst nehmen, gibt es weiterhin Stimmen, die Catcalling verharmlosen oder sogar als „Männerrecht“ betrachten.
Initiativen und Kampagnen gegen Catcalling
In Deutschland gibt es zunehmend Initiativen, die auf das Problem aufmerksam machen.
Bekannte Kampagnen in Deutschland
Eine der bekanntesten Bewegungen ist „Chalk Back“, bei der Betroffene mit Kreide auf Straßen markieren, wo Catcalling stattgefunden hat. Die Kreidebotschaften machen das Problem sichtbar und regen zur Diskussion an.
Einfluss der Bewegung auf gesetzliche Veränderungen
Der Druck solcher Bewegungen hat dazu geführt, dass in Bundesländern wie Niedersachsen Gesetzesentwürfe diskutiert werden, die verbale Belästigung unter Strafe stellen könnten.
Wie reagiert man auf Catcalling?
Rechtliche Schritte und Dokumentation
Betroffene können Übergriffe dokumentieren, beispielsweise durch Zeugen oder schriftliche Notizen. In schwerwiegenden Fällen ist eine Anzeige wegen Beleidigung oder Nachstellung möglich.
Selbstbewusst auftreten – Tipps für den Umgang
Ein klares „Hören Sie auf!“ oder das Ignorieren des Täters kann helfen, die Situation zu entschärfen. Wichtig ist, sich selbst keine Schuld zu geben und, wenn nötig, Unterstützung zu suchen.
Vorbeugung und Sensibilisierung
Wie kann die Gesellschaft Catcalling verhindern?
Aufklärung und Bildung sind essenziell, um ein Bewusstsein für respektvolles Verhalten zu schaffen. Workshops und öffentliche Kampagnen können langfristig helfen, das Problem anzugehen.
Bildung und Aufklärung als Schlüssel
In Schulen und Unternehmen sollten Themen wie Gleichberechtigung, Respekt und Empathie aktiv behandelt werden, um stereotype Verhaltensmuster zu durchbrechen.

Fazit: Der Weg zu mehr Respekt und Gleichberechtigung
Catcalling ist keine Bagatelle. Es ist eine Form der Belästigung, die das Sicherheitsgefühl vieler Menschen nachhaltig beeinträchtigt. Gesellschaftliche Sensibilisierung, rechtliche Maßnahmen und individuelle Verantwortung können helfen, dieses Problem zu bekämpfen. Jeder einzelne kann dazu beitragen, eine Kultur des Respekts zu fördern, indem solche Verhaltensweisen nicht toleriert werden.
Aktuelle Gesetzesinitiativen und Diskussionen
Die rechtliche Einordnung von Catcalling ist in Deutschland ein kontrovers diskutiertes Thema. Während viele Länder, darunter Frankreich und die Niederlande, bereits spezifische Gesetze gegen verbale sexuelle Belästigung eingeführt haben, gibt es in Deutschland bislang keine explizite Regelung. Im Jahr 2024 hat die niedersächsische Landesregierung jedoch einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat eingebracht, der darauf abzielt, verbale und nonverbale sexuelle Belästigungen unter Strafe zu stellen. Dieser Vorstoß folgt auf jahrelange gesellschaftliche Debatten und eine wachsende Zahl von Betroffenen, die sich für eine schärfere Gesetzgebung aussprechen.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass nicht-körperliche Formen der sexuellen Belästigung, darunter anzügliche Bemerkungen, Pfeifen oder obszöne Gesten, künftig strafrechtlich geahndet werden können. Ziel ist es, eine Schutzlücke zu schließen und insbesondere Frauen und Mädchen besser vor unerwünschten Übergriffen im öffentlichen Raum zu schützen. Kritiker des Vorhabens befürchten jedoch eine schwierige Abgrenzung zwischen strafbarem Verhalten und zulässigen Äußerungen. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern ein solches Gesetz tatsächlich durchsetzbar ist, da verbale Belästigungen oft schwer nachweisbar sind. Dennoch signalisiert die Gesetzesinitiative, dass das Thema ernst genommen wird und sich die Rechtslage in Zukunft ändern könnte.
Catcalling und digitale Belästigung („Cyber-Catcalling“)
Catcalling findet längst nicht mehr nur auf der Straße statt – auch im digitalen Raum sind verbale sexuelle Belästigungen weit verbreitet. Unter „Cyber-Catcalling“ versteht man übergriffige, sexualisierte Kommentare, Nachrichten oder Bilder, die Betroffene online erhalten. Besonders betroffen sind Frauen, Influencerinnen und Personen aus der LGBTQ+-Community, die in sozialen Netzwerken, Dating-Apps oder Messenger-Diensten belästigt werden.
Zu den häufigsten Formen von Cyber-Catcalling gehören:
- Ungefragte sexuelle Nachrichten („Sexting ohne Zustimmung“) oder explizite Bilder – insbesondere das unerwünschte Zusenden sogenannter „Dick Pics“.
- Belästigende Kommentare in sozialen Medien, die das Aussehen oder die Sexualität der Betroffenen auf unangenehme Weise thematisieren.
- Sexuelle Anspielungen in Live-Chats oder Streams, die darauf abzielen, die Betroffenen zu objektifizieren.
- Doxxing – das öffentliche Teilen persönlicher Informationen, um jemanden bloßzustellen oder unter Druck zu setzen.
Cyber-Catcalling kann genauso belastend sein wie verbale Belästigung auf der Straße. Die ständige Erreichbarkeit durch das Internet macht es oft noch schwieriger, sich der Belästigung zu entziehen. Die psychologischen Auswirkungen reichen von Unwohlsein bis hin zu Angststörungen, da Betroffene sich beobachtet und ausgeliefert fühlen.
Rechtliche Einordnung
Während klassische Formen von Catcalling in Deutschland rechtlich oft schwer zu greifen sind, gibt es für digitale Belästigung teilweise klarere Regelungen:
- § 184 StGB (Verbreitung pornografischer Inhalte) kann greifen, wenn unerwünschte sexuelle Bilder verschickt werden.
- § 185 StGB (Beleidigung) kann unter Umständen anwendbar sein, wenn Cyber-Catcalling ehrverletzend ist.
- § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) könnte in Fällen gelten, in denen intime Bilder gegen den Willen der Betroffenen veröffentlicht werden.
Zusätzlich gibt es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Plattformen wie Instagram, Twitter oder TikTok verpflichtet, strafbare Inhalte schneller zu löschen. Dennoch bleibt Cyber-Catcalling oft straflos, da Täter anonym agieren oder die Gesetzeslage uneindeutig ist.
FAQs
Ist Catcalling strafbar?
In den meisten Fällen nicht, da es keinen spezifischen Straftatbestand gibt. Beleidigung oder Nachstellung können jedoch in Einzelfällen angewendet werden.
Was kann ich tun, wenn ich Catcalling erlebe?
Dokumentieren Sie den Vorfall, suchen Sie Zeugen und überlegen Sie, rechtliche Schritte einzuleiten. Sprechen Sie darüber, um andere zu sensibilisieren.
Warum wird Catcalling oft verharmlost?
Ein fehlendes Bewusstsein für die psychologischen Folgen und traditionelle Rollenbilder führen dazu, dass Catcalling oft als harmlos angesehen wird.
Gibt es gesetzliche Bestrebungen gegen Catcalling in Deutschland?
Ja, es gibt Initiativen und Diskussionen über einen neuen Straftatbestand für verbale sexuelle Belästigung.
Welche Kampagnen gibt es gegen Catcalling?
Initiativen wie „Chalk Back“ und ähnliche Projekte machen das Problem sichtbar und fördern den gesellschaftlichen Dialog.