Containern: Strafbarer Diebstahl?
Containern, der Protest gegen Lebensmittelverschwendung durch das Retten weggeworfener Lebensmittel, ist in Deutschland strafbar. Doch die Debatte um Recht, Moral und Nachhaltigkeit nimmt zu. Dieser Artikel erklärt die Hintergründe, rechtlichen Aspekte und Alternativen.

Jährlich werden in Deutschland über 11 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt – viele davon noch genießbar. Während Supermärkte überschüssige oder abgelaufene Waren vernichten, setzen sich Aktivisten und Umweltbewusste gegen diese Lebensmittelverschwendung ein. Eine der bekanntesten Methoden ist das Containern – das Durchsuchen von Müllcontainern nach noch brauchbaren Lebensmitteln.
Was für viele nach einer nachhaltigen Praxis klingt, ist in Deutschland strafbar. Besonders die rechtliche Einordnung als Diebstahl nach § 242 StGB sorgt für Diskussionen. Ist das gerechtfertigt? Und könnte eine Gesetzesänderung das Containern künftig legalisieren?
In diesem Artikel nehmen wir die rechtliche Bewertung des Containerns als Diebstahl genau unter die Lupe und beleuchten verschiedene juristische Argumente.
Was ist Containern aus rechtlicher Sicht?
Containern bezeichnet das Mitnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln aus Müllcontainern, die sich häufig auf Privatgelände von Supermärkten befinden.
Der entscheidende rechtliche Punkt ist: Wem gehören diese Lebensmittel nach der Entsorgung?
- Falls sie herrenlos sind, dürfte sie jeder nehmen.
- Falls sie noch Eigentum des Supermarkts sind, könnte es sich um Diebstahl handeln.
Das deutsche Strafrecht geht von Letzterem aus.
Diebstahl nach § 242 StGB – Warum ist Containern strafbar?
Gesetzestext § 242 StGB (Diebstahl)
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, sie sich rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Um den Tatbestand des Diebstahls zu erfüllen, müssen drei Voraussetzungen vorliegen:
- Fremde bewegliche Sache
- Wegnahme gegen den Willen des Eigentümers
- Zueignungsabsicht
Lassen sich diese Merkmale auf das Containern anwenden?
1. Sind weggeworfene Lebensmittel „fremde bewegliche Sachen“?
Ja. Lebensmittel, die in einem Supermarktcontainer landen, bleiben nach herrschender Meinung Eigentum des Supermarktes.
- Fremd: Eine Sache ist „fremd“, wenn sie nicht herrenlos ist.
- Beweglich: Lebensmittel sind beweglich, da sie transportiert werden können.
Gerichte argumentieren, dass Supermärkte ihre Abfälle oft nicht herrenlos machen, weil sie:
- Verträge mit Entsorgungsunternehmen haben
- Haftbar für falsch entsorgte Lebensmittel sein könnten
- Verschlossene Container nutzen, um unbefugten Zugriff zu verhindern
2. Liegt eine Wegnahme gegen den Willen des Eigentümers vor?
Ja. Die Wegnahme ist erfüllt, sobald eine Person Lebensmittel ohne Zustimmung des Eigentümers aus dem Container entnimmt.
Gibt es eine Besitzaufgabe?
Hier besteht eine juristische Grauzone.
- Theorie der Besitzaufgabe:
- Wenn ein Gegenstand weggeworfen wird, kann der Besitzer sein Eigentum daran aufgeben.
- Manche argumentieren, dass Müll damit herrenlos wird.
- Rechtsprechung der Gerichte:
- In den meisten Fällen nehmen Gerichte keine Besitzaufgabe an, weil Supermärkte die Entsorgung aktiv steuern.
- Verschlossene Container zeigen klar, dass der Besitzer den Müll nicht einfach zur freien Verfügung stellt.
Ein Beispiel: Wenn jemand seinen alten Kühlschrank auf die Straße stellt und ein anderer ihn mitnimmt, könnte das als Besitzaufgabe gewertet werden. Aber wenn der Kühlschrank in einem abgeschlossenen Müllraum steht, ist das eine andere Situation.
3. Liegt eine Zueignungsabsicht vor?
Ja. Containern geschieht in der Absicht, sich Lebensmittel anzueignen, die jemand anderem gehören. Das genügt für die Zueignungsabsicht im Sinne von § 242 StGB.
- Subjektiver Faktor:
- Wer containert, will die Lebensmittel für sich nutzen.
- Das reicht für eine strafbare rechtswidrige Zueignung.
Fazit: Nach aktueller Rechtslage erfüllt Containern die Voraussetzungen des Diebstahls.

Alternative strafrechtliche Bewertungen: Ist Containern wirklich Diebstahl?
1. Liegt eine straflose Fundunterschlagung vor?
Einige Juristen argumentieren, dass Containern eher als Fundunterschlagung (§ 246 StGB) eingestuft werden könnte.
- Unterschlagung liegt vor, wenn sich jemand eine fremde Sache rechtswidrig aneignet, ohne sie zu stehlen.
- Der Hauptunterschied zum Diebstahl ist, dass es keine Wegnahme gegen den Willen des Eigentümers gibt.
- Wäre der Müll tatsächlich herrenlos, wäre Unterschlagung straflos.
2. Ein Diebstahl ohne Schaden?
- Beim klassischen Diebstahl entsteht dem Eigentümer ein Schaden.
- Beim Containern verliert der Supermarkt wirtschaftlich nichts, weil die Lebensmittel ohnehin entsorgt werden sollten.
- Manche Juristen argumentieren, dass eine Strafverfolgung hier unverhältnismäßig sei.
Gerichtsurteile: Wie entscheiden deutsche Gerichte?
Fall: Studentinnen aus Bayern (2019)
- Zwei Studentinnen nahmen Lebensmittel aus einem verschlossenen Container.
- Sie wurden wegen Diebstahls verurteilt.
- Das Bundesverfassungsgericht nahm ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.
Bedeutung: Die Rechtsprechung bestätigt, dass Containern nach aktueller Rechtslage Diebstahl ist.

Fazit: Sollte Containern weiter als Diebstahl gelten?
Aktuelle Rechtslage
- Containern erfüllt nach herrschender Meinung die Merkmale eines Diebstahls nach § 242 StGB.
Kritik
- Supermärkte erleiden keinen wirtschaftlichen Schaden.
- Die Strafverfolgung wirkt unverhältnismäßig.
- Andere Länder setzen auf Spendenpflicht statt Strafen.
Zukunftsperspektive
Bis dahin bleibt Containern ein rechtliches Risiko.
Eine Gesetzesreform könnte das Containern unter bestimmten Bedingungen straffrei machen.
FAQs zum Thema Containern und Diebstahl
1. Ist Containern in Deutschland legal?
Nein, Containern ist nach aktuellem Recht strafbar. Da weggeworfene Lebensmittel rechtlich weiterhin Eigentum des Supermarkts bleiben, gilt das Mitnehmen als Diebstahl nach § 242 StGB.
2. Warum gilt Containern als Diebstahl, wenn die Lebensmittel ohnehin entsorgt werden?
Nach geltendem Recht bleibt eine Sache so lange Eigentum des ursprünglichen Besitzers, bis er sie ausdrücklich aufgibt. Da Supermärkte ihre Müllcontainer oft verschließen oder Entsorgungsverträge haben, wird keine Besitzaufgabe angenommen. Somit ist Containern eine Wegnahme gegen den Willen des Eigentümers – und damit Diebstahl.
3. Was passiert, wenn man beim Containern erwischt wird?
Je nach Situation können verschiedene Strafen drohen:
- Diebstahl (§ 242 StGB): Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe
- Hausfriedensbruch (§ 123 StGB): Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, wenn privates Gelände betreten wird
- Sachbeschädigung (§ 303 StGB): Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe, wenn z. B. ein Container aufgebrochen wird
In vielen Fällen wird das Verfahren jedoch eingestellt oder mit einer Verwarnung geahndet.
4. Ist Containern überall in Deutschland strafbar?
Ja, das Strafgesetzbuch (StGB) gilt bundesweit. Die Bewertung durch die Justiz kann jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. In einigen Fällen wurden Verfahren eingestellt oder nur geringe Strafen verhängt, insbesondere wenn kein Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung vorlag.
5. Gibt es Länder, in denen Containern erlaubt ist?
Ja, in manchen Ländern gibt es gesetzliche Regelungen, die Containern indirekt erlauben oder überflüssig machen:
- Frankreich: Supermärkte sind gesetzlich verpflichtet, überschüssige Lebensmittel zu spenden, statt sie zu entsorgen.
- Italien: Unternehmen, die Lebensmittel spenden, erhalten steuerliche Vorteile, wodurch weniger Lebensmittel im Müll landen.
- Dänemark: Dort gibt es Foodsharing-Läden, in denen abgelaufene, aber noch essbare Lebensmittel kostenlos oder stark vergünstigt angeboten werden.
6. Welche Alternativen gibt es zum Containern?
Wer Lebensmittel retten möchte, ohne sich strafbar zu machen, kann auf legale Alternativen zurückgreifen:
- Foodsharing e. V.: Eine Organisation, die mit Supermärkten zusammenarbeitet, um überschüssige Lebensmittel kostenlos an Bedürftige zu verteilen.
- Too Good To Go: Eine App, über die Verbraucher übrig gebliebene Lebensmittel von Restaurants und Supermärkten zu einem reduzierten Preis kaufen können.
- Tafeln und gemeinnützige Organisationen: Viele Supermärkte spenden Lebensmittel an Tafeln, die sie an Bedürftige weitergeben.
7. Wird Containern bald legal?
Es gibt politische Bestrebungen, die Strafbarkeit von Containern zu überdenken. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) haben vorgeschlagen, dass Containern nur noch strafrechtlich verfolgt wird, wenn dabei Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch begangen wird. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist jedoch noch nicht beschlossen.
8. Was kann ich tun, um gegen Lebensmittelverschwendung zu kämpfen?
Neben Foodsharing und Apps wie Too Good To Go gibt es viele Möglichkeiten, sich für eine nachhaltigere Lebensmittelverwertung einzusetzen:
- Bewusst einkaufen: Lebensmittel nicht in übermäßigen Mengen kaufen, um Abfälle zu vermeiden.
- Lebensmittel richtig lagern: Viele Produkte halten sich länger, wenn sie korrekt aufbewahrt werden.
- Mindesthaltbarkeitsdatum richtig interpretieren: Viele Lebensmittel sind auch nach Ablauf des MHD noch genießbar.
- Politischen Druck ausüben: Sich für Gesetze einsetzen, die Supermärkte zur Lebensmittelspende verpflichten, statt zur Entsorgung.