Was ist „Inzest“?
Der Beischlaf zwischen Verwandten, oder auch Inzest genannt, findet sich im 12. Abschnitt des StGB unter „Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie“ (und nicht etwa unter den „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“). Der Straftatbestand ist in § 173 StGB normiert.
Der Täter begeht Inzest, wenn er vorsätzlich mit einem leiblichen Verwandten in gerader Linie vaginalen Geschlechtsverkehr hat. Eine tatsächliche Fortpflanzung ist dabei nicht erforderlich (sog. „Inzucht“).
Erklärtes Ziel des „Inzestverbots“ ist die Freihaltung des engsten Familienkreises vor sexuellen Beziehungen. Ob das Verbot noch zeitgemäß und notwendig ist, ist – nicht nur unter Juristen – heftig umstritten.
Obgleich die kriminalpolitische Bedeutung dieser Strafvorschrift gering ist, werden Strafverfahren dieser Art oft mit großem öffentlichen Interesse und medienwirksam verfolgt.
Wann ist der „Beischlaf zwischen Verwandten“ strafbar?
Wie bereits der Name der Vorschrift verrät, ist dieser Straftatbestand nur einschlägig, sofern es sich um den Beischlaf zwischen Verwandten handelt. Auch wenn der Straftatbestand des Inzests recht klar formuliert ist, sind einige Fragen und Mythen aufzuklären.
Der Straftatbestand dient dem Schutz von Ehe und Familie. Um sich nach § 173 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Verwandte gerader Linie
Von dem strafrechtlich relevanten Inzestverbot sind nur Verwandte in gerader Linie betroffen. Dies betrifft:
- Eltern
- Kinder
- Geschwister
- Halbgeschwister
- Großeltern
- Enkel
Entgegen einer weitläufigen Meinung, fallen insbesondere Cousins und Cousinen nicht unter § 173 StGB, sodass die sexuelle Beziehung zwischen Cousin und Cousine nicht strafbar ist. Zusammengefasst ist daher in gerader Linie der Sex in folgenden Konstellationen unter Strafe gestellt:
- Vater/Mutter und Sohn/Tochter
- Bruder und Schwester
- Großmutter (Oma)/ Großvater (Opa) zu den eigenen Kindern sowie zu den Enkelkinder
Die Vorschrift erfasst ferner nur die leibliche Verwandtschaft. Das bedeutet, dass sexuelle Beziehungen zwischen Adoptivgeschwistern, Stiefeltern und Stiefkindern nicht von § 173 StGB erfasst sind. Andere Strafvorschriften bleiben hiervon allerdings unberührt.
Tathandlung: Beischlaf
Strafbar nach § 173 StGB ist nur der vaginale Geschlechtsverkehr.
Andere Formen sexueller Handlungen, wie etwa Oralverkehr, Analverkehr und Petting, sind von der Vorschrift nicht erfasst. Aus diesem Grund sind gleichgeschlechtliche Beziehungen innerhalb der Familie nicht strafrechtlich sanktioniert.
Sex mit dem Cousin strafbar?
Sexuelle Beziehungen jeglicher Art sind zwischen Cousin und Cousine in Deutschland erlaubt. Dies betrifft sowohl den Oral- , den Vaginal- wie auch den Analverkehr.
In Deutschland dürfen Cousin und Cousine zusammen sein und auch heiraten.
Ab welchem Alter gilt die Strafbarkeit?
Gemäß § 173 Abs. 3 StGB wird nicht bestraft, wer zum Zeitpunkt der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Handelt es sich beispielsweise um den Sex unter Geschwistern und haben beide das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht, machen sie sich nicht nach § 173 StGB strafbar. Handelt es sich um den Beischlaf zwischen einem erwachsenen Elternteil und einem minderjährigen Kind, macht sich der Vater oder die Mutter, nicht aber das Kind nach § 173 StGB strafbar. Sind beide handelnden Personen über 18, machen sie sich beide strafbar.
Können weitere Straftaten erfüllt werden?
Das kommt – wie so oft – auf die konkreten Umstände an.
Handelt es sich um sexuelle Handlungen zu einem Minderjährigen kommt häufig § 174 StGB (Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen) und § 176 StGB (Sexueller Mißbrauch von Kindern) in Betracht.
Damit bleibt kaum ein eigener Spielraum für § 173 StGB. Letztlich ist die Vorschrift auf Fälle zugeschnitten, die sich zwischen volljährigen Verwandten abspielen. Die praktische Relevanz der Strafvorschrift ist entsprechend gering.
Vorsatz
Der Täter muss den Beischlaf mit seinem Verwandten vorsätzlich begangen haben. Er muss diesen also mit Wissen und Wollen des Straftatbestandes verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz). Dabei muss der Vorsatz insbesondere die wirklichen blutsmäßigen Verhältnisse umfassen.
Versuch
Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar.
Strafantrag
Bei dem Inzest handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Inzest wird mit Freiheitsstrafe bis drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.
Aktuelle Debatte
In der Öffentlichkeit wird wiederholt debattiert, den sexuellen Kontakt zu Verwandten zu entkriminalisieren und die Strafnorm des § 173 StGB abzuschaffen. Es wird vorgebracht, das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung sei höher zu werten als die genetischen Risiken für den möglichen Nachwuchs. Überhaupt könne die Vermeidung erbkranken Nachwuchses kein Staatsziel sein.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Mit Beschluss vom 26.02.2008 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die strafrechtliche Vorschrift des Inzestverbots nach § 173 StGB nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden sei. Am 12.04.2011 entschied im gleichen Ton auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Der § 173 StGB verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.