Was ist das „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“?
Ein solches Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine Handelsplattform mit dem Zweck betreibt, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern.
Wann ist das „Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Hinblick auf die vermittelte Produkte.
Um sich nach § 127 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Handelsplattform im Internet
Die Tat muss sich auf eine Handelsplattform im Internet beziehen. In § 127 Abs. 2 StGB findet sich hierzu die Definition. Eine Handelsplattform im Internet im Sinne dieser Vorschrift
„ist jede virtuelle Infrastruktur im frei zugänglichen wie im durch technische Vorkehrungen zugangsbeschränkten Bereich des Internets, die Gelegenheit bietet, Menschen, Waren, Dienstleistungen oder Inhalte (§ 11 Absatz 3) anzubieten oder auszutauschen“.
Der Begriff des Internets ist nach dieser Definition weit zu verstehen und umfasst sowohl das Clear Web als auch das Deep Web und das Darknet.
- Das Clear Web (sog. „Oberflächenweb“ bzw. „sichtbares Web“) umfasst alle Webseiten und Inhalte, die über Suchmaschinen wie beispielsweise Google oder Bing leicht zugänglich sind. Es sind die öffentlichen Teile des Internets, die von den meisten Menschen täglich genutzt werden. Dieses Web enthält öffentliche Websites, soziale Medien, Online-Shops, Nachrichtenseiten und alle anderen Ressourcen, die über eine einfache Webbrowser-Suche gefunden werden können.
- Das Deep Web (sog. „tiefes Netz“) bezieht sich auf den Teil des Internets, der nicht von herkömmlichen Suchmaschinen durchsucht werden kann. Das bedeutet, dass die Inhalte im Deep Web nicht öffentlich zugänglich sind und oft durch Passwörter, Zugangsbeschränkungen oder andere Schutzmaßnahmen geschützt sind. Beispiele für Inhalte im Deep Web sind private E-Mail-Konten, gesicherte Cloud-Speicher, Unternehmensintranets, passwortgeschützte Datenbanken und mehr. Die meisten Inhalte im Deep Web sind legal und dienen legitimen Zwecken.
- Das Darknet (sog. „dunkles Netz“) ist ein kleinerer Teil des Deep Web und bezieht sich auf Netzwerke, die spezielle Software wie Tor („The Onion Router“) verwenden, um die Anonymität der Benutzer zu wahren. Das Darknet ermöglicht es Benutzern, anonym auf Ressourcen und Dienste zuzugreifen, ohne ihre Identität preiszugeben. Es werden jedoch oft illegale Aktivitäten wie der Handel mit Drogen, Waffen, gestohlenen Daten und anderen illegalen Gütern und Dienstleistungen in Verbindung gebracht. Allerdings gibt es auch legale Anwendungen, wie den Schutz der Privatsphäre in repressiven Regimen oder den sicheren Austausch von Informationen.
Die Handelsplattform erfasst auch den Austausch bloßer Kommunikation und sog. Sharing-Plattformen. Eine Sharing-Plattform ist eine Online-Umgebung, die es Benutzern ermöglicht, Ressourcen, Informationen oder Dienstleistungen mit anderen Nutzern zu teilen. Diese Plattformen erleichtern den Zugang zu geteilten Inhalten und fördern die gemeinsame Nutzung von materiellen Gütern, Wissen oder Fähigkeiten. Sie bieten oft Mechanismen zur Suche, Bewertung und Interaktion zwischen den Nutzern, um das Teilen effizienter und sinnvoller zu gestalten. Typische Beispiele sind Ride-Sharing-Dienste, Unterkunftsvermittlungen, Wissensaustausch-Foren und Datei-Sharing-Plattformen.
Zweck: Ermöglichen bzw. Fördern von Katalogtaten
Es müsste sich um eine kriminelle Handelsplattform handeln. Das ist dann der Fall, wenn ihr Zweck objektiv darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern.
Wann eine solche rechtswidrige Tat vorliegt, bestimmt der § 127 Abs. 1 StGB in einem Katalog selbst. In diesem finden sich verschiedene Normen des Anti-Doping-Gesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Grundstoffüberwachungsgesetzes, des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes, des Arzneimittelgesetzes, des Waffengesetzes, des Sprengstoffgesetzes, des Ausgangsstoffgesetzes, des Kulturgutschutzgesetzes, des Markengesetzes und des Designgesetzes.
Insbesondere aber werden Normen aus dem Strafgesetzbuch erfasst. Hierzu gehören beispielsweise der Mord (§ 211 StGB), der Totschlag (§ 212 StGB), die Hehlerei (§ 259 StGB), die Geldwäsche (§ 261 StGB), der Betrug (§ 263 StGB), der Computerbetrug (§ 263a StGB), die Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und die Computersabotage (§ 303b StGB).
Die Plattform müsste sodann eine solche rechtswidrige Tat ermöglichen oder fördern.
Ermöglichen bezieht sich auf die beabsichtigte Bereitstellung eines unterstützenden Beitrags zur Entstehung des “kriminellen Arrangements” zwischen den Kunden der Plattform.
Fördern beschreibt jegliche Handlung auf der Plattform, die objektiv dazu geeignet ist, die spätere, eigentliche Zielerreichung durch den agierenden Kunden zu begünstigen oder zu erleichtern. Es ist nicht zwingend notwendig, dass diese Handlung in irgendeiner Weise ursächlich für das spezifische Eintreten dieses Zielerfolgs ist.
Mögliche Indizien für eine kriminelle Zweckausrichtung:
- Kategorien für illegale Angebote
- Strafrechtlich relevante Angebote
- Plattform befindet sich im Dark Web oder im Deep Web
- Nutzung nur anonym möglich
- Treuhanddienste tätigen die Geschäftsabwicklung
- Virtuelle Kryptowährung als Zahlungsmittel
Tathandlung: Betreiben
Der Täter müsste die kriminelle Handelsplattform im Internet betrieben haben. Betreiben ist gleichbedeutend damit, dass eine Schnittstelle bereitgestellt wird, über die Produkte, die aus Straftaten stammen, angeboten und ausgetauscht werden können. Es werden dabei alle Handlungen umfasst, die tatsächlich die Plattform in ihre Funktion setzen oder halten.
Der Begriff “Betreiben” unterstellt eine gewisse Kontinuität der Aktivität. Allerdings bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Plattform oder die darin befindlichen illegalen Kategorien ständig verfügbar sein müssen. Es ist nicht notwendig, dass der Täter direkten Einfluss auf die Art, den Umfang, den Ablauf oder die Abwicklung einzelner Transaktionen hat, noch ist eine mögliche Beteiligung daran erforderlich.
Subsidiaritätsklausel, § 127 Abs. 1 S. 1 StGB
Zu beachten ist, dass die Tat nach § 127 Abs. 1 StGB nur dann bestraft wird, wenn sie nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Vorsatz
Der Täter muss das Betreiben solcher Handelsplattformen vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch ist nur für den Fall des § 127 Abs. 4 StGB strafbar nach §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei dem Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet nach § 127 Abs. 1 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.
Im Falle der gewerbsmäßigen Ausübung oder des Handelns als Mitglied einer Bande wird der Täter nach § 127 Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist daher nicht möglich.
Von einer gewerbsmäßigen Begehungsweise spricht man, wenn sich der Täter durch eine fortgesetzte Begehung einen finanziellen Gewinn verschafft. Ein Handeln als Mitglied einer Bande liegt hingegen vor, wenn sich mindestens drei Personen zusammenschließen, um zukünftig gemeinsam Straftaten zu begehen.
Im Falle der Absicht oder des sicheren Wissens der Ermöglichung bzw. Förderung von Verbrechen durch die Handelsplattform, droht nach § 127 Abs. 4 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Eine Geldstrafe ist auch hier nicht möglich.