Was ist eine „falsche Verdächtigung“?
Eine falsche Verdächtigung steht gemäß § 164 StGB unter Strafe.
Diese liegt vor, wenn der Täter vor einer zuständigen Stelle vorsätzlich den Verdacht erweckt, eine andere Person habe eine Straftat begangen, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht (sog. “Unterstellung”).
Wann ist eine „falsche Verdächtigung“ strafbar?
Der Straftatbestand der falschen Verdächtigung schützt zum einen die Rechtspflege vor Irreführung und unnötiger Inanspruchnahme. Zum anderen schützt sie aber auch denjenigen, gegen den der falsche Verdacht gerichtet ist.
Der § 164 StGB nennt in seinen drei Absätzen unterschiedliche Formen der falschen Verdächtigung. Um sich nach § 164 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Eine andere Person
Die Verdächtigung muss sich auf eine andere Person beziehen.
Praktisch relevant ist das Stellen einer Strafanzeige gegen eine andere Person – etwa aus Missgunst oder Rache. Die andere Person muss dabei so konkret bezeichnet werden, dass eine Identifizierung möglich ist. Eine Strafbarkeit scheidet daher aus, wenn eine fiktive Person oder eine gänzlich unbekannte Person benannt wird.
Reine Werturteile oder das Vortragen von Schlussfolgerungen, die auf wahrheitsgemäß geschilderten Tatsachen beruhen, reichen indes nicht aus.
Das bloße Leugnen einer Tat und das Schweigen durch einen Beschuldigten fällt ebenfalls nicht unter § 164 StGB, auch wenn durch das Leugnen der Verdacht auf eine andere Person gelenkt wird. Das Schweigen im Strafprozess ist eine zulässige Verteidigung.
Ein Angeklagter kann sich aber dann einer falschen Verdächtigung schuldig machen, wenn er konkret behauptet, ein anderer hätte die Tat begangen.
Tathandlung: Verdächtigung
Nach Absatz 1 der Vorschrift ist Tathandlung eine „Verdächtigung“.
Verdächtigen bedeutet dabei das
„Hervorrufen, Verstärken oder Umlenken eines Verdachts durch das Behaupten von Tatsachen, soweit diese Tatsachen im konkreten Fall geeignet sind, einen Unschuldigen der Gefahr behördlichen Einschreitens auszusetzen.“
Die Anzeige muss ein strafrechtlich relevantes Verhalten der anderen Person zum Gegenstand haben, die Ermittlungstätigkeiten der Polizei oder Staatsanwaltschaft (Vorladung, Erkennungsdienstliche Behandlung, Durchsuchung etc.) zur Folge haben.
Gegenstand der Verdächtigung
Gegenstand der Verdächtigung muss dabei die Behauptung einer Dienstpflichtverletzung oder einer rechtswidrigen Tat sein. Er muss dem Opfer also eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit unterstellen.
Verdacht einer Straftat
Den Regelfall – § 164 Abs. 1 StGB) bildet die Lenkung eines Verdachts auf die Begehung einer Straftat durch einen anderen.
Wer wahrheitswidrig behauptet, ein anderer hätte einen Diebstahl, einen Betrug, eine Körperverletzung, einen Verstoß gegen das BtMG oder eine andere Tat begangen, macht sich strafbar.
Verdacht einer Ordnungswidrigkeit
Mit § 164 Abs. 2 StGB sind auch falsche Verdächtigungen erfasst, die ein Ordnungswidrig betreffen.
Dies umfasst die bewusste falsche Angabe bei einer Ordnungswidrigkeit (Blitzerfoto), ein anderer wäre gefahren.
Ebenfalls umfasst ist die Herbeiführung von sonstigen behördlichen Verfahren und Maßnahmen.
Beispiele hierfür sind:
- Herbeiführung eines gewerblichen Berufsverbotes
- Insolvenzverfahren
- Entziehung einer Rente
- Entziehung des Sorgerechts
Unwahrheit
Die Verdächtigung muss objektiv falsch sein und durch den Anzeigenden in Kenntnis der Unwahrheit „wider besseren Wissen“ vorgetragen werden. Auf der subjektiven Ebene ist also Absicht seitens des Anzeigenden erforderlich.
Die irrtümliche falsche Verdächtigung ist nicht strafbar. Es macht sich daher nicht strafbar, wer irrig glaubt, die benannte Person habe eine Straftat tatsächlich begangen. Ebenso macht sich nicht strafbar, wer mein ein Sachverhalt unterfalle einem Strafgesetz, obwohl dies tatsächlich nicht zutrifft.
Eine strafrechtliche Ahndung trift nur denjenigen, der in sicherer Kenntnis der Unwahrheit etwas anderes behauptet.
Falsche Verdächtigung zur Selbstbegünstigung
In § 164 Abs. 3 StGB ist die Verdächtigung zur Selbstbegünstigung geregelt.
Danach wird härter sanktioniert, wer eine der oben genannten Taten mit der Absicht tätigt, um für sich selbst eine Strafmilderung nach § 46b StGB (Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten) oder nach § 31 BtMG (Strafmilderung oder Absehen von Strafe bei Drogenstraftaten) zu erreichen.
Der letzte Absatz der Vorschrift zielt also auf diejenigen, die mittels einer „Kronzeugenregelung“ eine andere Person wider besseren Wissen falsch verdächtigen, um in den Genuss einer Strafmilderung zu kommen.
In diesen Fällen drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Beispiel: Der Drogenkonsument K nennt gegenüber der Polizei wahrheitswidrig drei weitere Personen, die Drogen verkaufen sollen. Die Polizei nimmt daraufhin die Ermittlungen auf. K beabsichtigt, durch die Preisgabe dieser (falschen) Informationen in den Genuss einer Strafmilderung zu kommen.
Vorsatz
Der Täter muss die falsche Verdächtigung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Dabei muss er insbesondere wissen, dass die getätigte Verdächtigung unwahr ist. Dieser Nachweis ist in der Praxis schwer zu führen. Hier bieten sich vielfache Verteidigungsansätze.
Handelt der Täter jedoch nur fahrlässig, also lässt er „nur“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, so liegt keine falsche Verdächtigung vor, da das Gesetz eine solche Tat nicht unter Strafe stellt.
Versuch
Der Versuch einer falschen Verdächtigung ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar.
Strafantrag
Bei der falschen Verdächtigung handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Die Straftat wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet.
Die konkrete Strafe im Einzelfall ist abhängig von der Art der Tatbegehung – etwa der Intensität der daraufhin erfolgten Ermittlungstätigkeiten der Polizei und Staatsanwaltschaft. Maßgeblich kann aber auch das Nachtatverhalten des Beschuldigten sein – etwa eine Entschuldigung oder spätere Aufklärung des „wahren“ Sachverhalts. Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Beschuldigte Ersttäter oder Wiederholungstäter ist, oder ob die Tat während laufender Bewährung begangen worden ist.
Unterschied zur Verleumdung und üblen Nachrede
Eine üble Nachrede (§ 186 StGB) begeht, wer über einen anderen eine ehrverletzende Tatsache behauptet, und die Wahrheit nicht belegen kann.
Eine Verleumdung (§ 187 StGB) begeht, wer bewusst eine unwahre Tatsache über eine andere Person verbreitet.
Wer behauptet, der Nachbar Müller ist „drogenabhängig“ oder „vorbestraft“, begeht eine üble Nachrede oder eine Verleumdung.
Die Grenze zur falschen Verdächtigung ist dort zu ziehen, wo eine andere Person konkret einer Straftat verdächtigt wird und dieser Sachverhalt bei einer Ermittlungsbehörde vorgetragen wird – z.B: Es wird gegenüber der Polizei behauptet, der Nachbar Müller „hat Geld aus der Kasse gestohlen“ oder „sich an kleinen Kinder vergriffen“.
Unterschied zum Vortäuschen einer Straftat
Wer sich selbst einer Straftat bezichtigt, obwohl er diese Tat nicht begangen hat, macht sich zwar nicht wegen einer falschen Verdächtigung, dafür aber wegen des Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) schuldig.
Weitere Informationen
Weiterführende Informationen können Sie auch dem Interview von Rechtsanwalt Kujus mit der Deutschen Anwaltsauskunft entnehmen.