Was ist eine „Nichtanzeige geplanter Straftaten“?
Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich eine geplante Straftat nicht anzeigt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung Kenntnis hat (sog. “Mitwisserschaft”). Dabei werden nur bestimmte schwerwiegende Taten erfasst.
Wann ist eine „Nichtanzeige geplanter Straftaten“ strafbar?
Grundsätzlich besteht keine Pflicht, eine geplante Straftat zur Anzeige zu bringen. Eine (strafbare) Ausnahme besteht, wenn der Betroffene von der geplanten Ausführung bestimmter, besonders schwerer Straftaten „glaubhaft erfährt“, und diese nicht anzeigt.
Der Straftatbestand schützt die einzelnen Rechtsgüter der jeweiligen nichtangezeigten Straftaten.
Um sich nach § 138 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatsituation
Der Täter (sog. “Mitwisser”) müsste von dem Vorhaben oder der Ausführung einer (Katalog-)Tat im Sinne des § 138 StGB glaubhaft erfahren haben, und zwar zu einem Zeitpunkt, bei dem die Ausführung oder der Erfolg noch abwendbar ist.
Ein Vorhaben ist die ernstliche Planung einer konkreten Tat. Die Ausführung beginnt hingegen mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat (§ 22 StGB). Das liegt vor, wenn der Täter der Katalogtat die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten hat und unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorsteht.
Die Anzeigepflicht besteht jedoch nur hinsichtlich der Ausführung oder des Vorhabens der in § 138 StGB genannten (schweren) Straftaten (sog. Katalogstraftat). Hierzu gehören unter anderem Hochverrat, Mord, Totschlag und Raub. Die Nichtanzeige anderer Straftaten bleibt straflos.
Der Täter muss sodann Kenntnis von der Katalogtat erlangt haben. Das liegt vor, wenn er das Vorhaben oder die Ausführung glaubhaft erfahren hat. Er muss die Angaben zur Tat so ernst nehmen, dass er tatsächlich mit der Tatumsetzung rechnen musste. Eine Strafbarkeit scheidet danach bei Äußerungen „im Scherz“, die nicht ernst genommen werden konnten, aus. Ebenfalls sind bloße Gerüchte nicht ausreichend.
Eine Anzeigepflicht besteht weiterhin nur dann, solange eine Tat noch abgewendet werden kann. Wer die Tatausführung nicht mehr verhindern kann, macht sich nicht strafbar.
Im Übrigen ist die Pflicht, eine geplante Katalogstraftat bei der Polizei anzuzeigen, grundsätzlich unabhängig von einem bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht. Denn es handelt sich um eine gesetzliche Pflicht zur Anzeige. Daraus folgt, dass auch Angehörige grundsätzlich ihr Wissen preisgeben müssen. Hiervon gibt es allerdings eine Reihe von Ausnahmen nach § 139 StGB (s.u.).
Natürlich kann den Straftatbestand des Nichtanzeigens geplanter Straftaten nach § 138 StGB nur verwirklichen, wer nicht als Täter oder Teilnehmer (Beihilfe, Anstiftung) der geplanten Straftat in Betracht kommt. Auch die „Anleitung zu Straftaten“ (§ 130a StGB) und die „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (§ 140 StGB) stehen unter Strafe.
Tathandlung
Der Täter müsste die Katalogtat gegenüber dem Bedrohten oder gegenüber der zuständigen Behörde nicht angezeigt haben. Das Unterlassen der Anzeige ist erfüllt, wenn eine rechtzeitige (Abs. 1) oder unverzügliche Anzeige (Abs. 2) nicht mehr möglich ist.
Die Anzeige erfolgt rechtzeitig, wenn die Ausführung oder der Erfolg der Katalogtat noch abgewendet werden kann. Bei einer Katalogtat nach § 138 Abs. 2 StGB reicht eine unverzügliche Anzeige (an die Behörde) aus.
Vorsatz
Der Täter muss die Nichtanzeige vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Unterlässt der Täter die Anzeige jedoch leichtfertig, so droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe (vgl. § 138 Abs. 3 StGB). Leichtfertigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Täter in besonderem Maße aus Leichtsinn oder Gleichgültigkeit, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, wobei sich der Eintritt der Folge ihm geradezu hätte aufdrängen müssen.
Versuch
Ein Versuch ist nicht möglich.
Strafantrag
Bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Beispiele aus der Praxis
Auch wenn der Straftatbestand zunächst nur die Nichtanzeige besonders schwerer Straftaten – z.B. Tötungsdelikte – ins Auge gefasst hat, werden inzwischen auch Taten umfasst, die in der anwaltlichen Praxis häufig vorkommen.
Nichtanzeige eines Raubes
Wer z.B. erfährt, dass Mitschüler, Bekannte oder Freunde einem anderen Geld oder das Handy abnehmen wollen, macht sich strafbar. Denn das „Abziehen“ stellt einen Raub nach § 249 StGB dar, sodass die geplante Tat zur Anzeige gebracht werden muss.
Nichtanzeige des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion
Wer z.B. erfährt, dass andere planen, eine Fahrkartenautomaten, Zigarettenautomaten oder Geldautomaten zu sprengen, muss dieses Vorhaben zur Anzeige bringen. Das Aufsprengen von Automaten verwirklicht den Tatbestand des „Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion“.
Nichtanzeige eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
Wer z.B. erfährt, dass andere Gegenstände von einer Brücke auf fahrende Autos werfen wollen, muss auch diese geplante Tat bei der Polizei anzeigen. Das Werfen von Gegenständen auf Fahrzeuge ist ein „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“.
Strafe
Die Nichtanzeige geplanter Straftaten nach § 138 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.
Bei leichtfertigem („grob fahrlässigem“) Handeln nach § 138 Abs. 3 StGB wird eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr angedroht.
Für das konkrete Strafmaß kommt es neben der persönlichen Vorgeschichte des Täters (Vorstrafen, ggf. laufende Bewährung) insbesondere darauf an, um welche geplante Straftat es sich handelt.
Das Gericht kann in bestimmten Fällen von der Strafe absehen (vgl. § 139 StGB). Das kann erfolgen, wenn die Katalogtat nicht versucht wurde (Abs. 1), wenn die Katalogtat von einem Angehörigen begangen wurde und sich der Täter ernsthaft bemühte, ihn von der Tat abzuhalten bzw. den Erfolg abzuwenden (Abs. 3) oder wenn der Erfolg oder die Ausführung anders als durch eine Anzeige abgewendet wurde (Abs. 4).
Muss man bereits begangene Straftaten anzeigen?
Wer von einer bereits begangenen Straftat erfährt, ist hingegen nicht verpflichtet, dies zur Anzeige zu bringen. Etwas anderes gilt nur für Ermittlungsbehörden, wie z.B. die Polizei oder die Staatsanwaltschaft. Diese ist immer verpflichtet, die Ermittlungen aufzunehmen und eine Strafanzeige von Amts wegen zu erstatten, wenn sie von einer Straftat Kenntnis erlangt.
Sieht also der Polizist oder Staatsanwalt eine strafbare Handlung, muss er diese zur Anzeige bringen. Ihm steht kein Entscheidungsspielraum zu.