Was ist eine „Personenstandsfälschung“?
Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter gegenüber einer bestimmten Behörde seine tatsächlichen familienrechtlichen Verhältnisse zu einer anderen Person im Hinblick auf die tatsächlichen Beziehungen vorsätzlich verändert.
Wann ist eine „Personenstandsfälschung“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt das Allgemeininteresse an der Feststellbarkeit des Personenstandes.
Dabei ist der Personenstand gemäß § 1 Personenstandsgesetz (PStG) die sich aus „Merkmalen des Familienrechts ergebende Rechtsstellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung“ einschließlich ihres Namens. Erfasst sind Daten über Geburt, Eheschließung, Lebenspartnerschaft, Tod und damit zusammenhängende Familien- und namenrechtliche Tatsachen.
Um sich nach § 169 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Die Vorschrift umfasst die drei Tatvarianten:
- Unterschieben eines Kindes,
- falsche Angaben des Personenstandes und
- Unterdrücken des Personenstandes
Unterschieben eines Kindes (Abs. 1 Alt. 1)
Das Unterschieben eines Kindes liegt vor, wenn durch eine Handlung der Außenwelt suggeriert wird, das Kind stamme von einer anderen Mutter ab (Kuckuckskind).
Historisch handelte es sich z.B. um ein Unterschieben, wenn der rechtmäßige Erbe des Thrones bei der Geburt verstarb und ein fremdes Kind an dessen Stelle gesetzt wurde.
Heutzutage ist ein strafbares Unterschieben eines Kindes gegeben, wenn ein Kind vorsätzlich auf einer Entbindungsstation ausgetauscht wird.
Keine strafbare Handlung liegt vor, wenn die Mutter gegenüber ihrem Ehemann verschweigt, dass das Kind tatsächlich von einem anderen Mann abstammt. Denn einerseits wird nicht darüber getäuscht, dass das Kind tatsächlich eine andere Mutter hat – zum anderen besteht keine Gefahr, dass ein falscher Personenstand eingetragen wird. Denn der Ehemann der Mutter ist rechtlich der Vater und wird damit rechtmäßig als solcher eingetragen.
Falsche Angaben des Personenstandes (Abs. 1 Alt. 2)
Falsche Angaben macht, wer gegenüber einer zuständigen Behörde unwahre Angaben zu einer anderen Person macht. Angaben über den eigenen Personenstand werden von § 169 StGB nicht erfasst.
Die Angaben müssen sich wiederum auf eine zivilrechtlich relevante, familienrechtliche Beziehungen einer Person beziehen. Das können etwa sein
- Abstammung
- Geschlecht
- Adoption
- Verwandtschaft
- Familienstand
Darunter fallen aber nicht Namen oder Staatsangehörigkeit.
Unterdrücken des Personenstandes (Abs. 1 Alt. 3)
Eine Unterdrückung des Personenstandes liegt bei dem Herbeiführen eines Zustandes vor, der verhindert oder erschwert, dass der wirkliche Personenstand zur Geltung kommt.
Eine Unterdrückung kommt beispielsweise in Betracht (in Form des Unterlassens), wenn die Geburt oder der Tod einer Person nicht den zuständigen Behörden angezeigt wird.
Vorsatz
Der Täter muss die Personenstandsfälschung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch der Personenstandsfälschung ist nach § 169 Abs. 2 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutsgefährdung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei der Personenstandsfälschung handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Eine Personenstandsfälschung wird mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft.
Bedeutung der Vorschrift und rechtswissenschaftlicher Diskurs
In der Praxis ist die Vorschrift von geringer Bedeutung. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) gab es im Jahr 2017 lediglich 52 erfasste Fälle. In der wissenschaftlichen Diskussion ist die Vorschrift in den letzten Jahren durch neuere Erscheinungen aber weitaus präsenter und auch brisanter.
Diskutiert werden insbesondere
- die anonyme Geburt
- die Babyklappe
- die falsche Anerkenntnis der Vaterschaft
Babyklappe und anonyme Geburt
Im Jahr 2000 wurde die erste Babyklappe Deutschlands in Hamburg eröffnet, weitere folgten. Daneben gibt es Krankenhäuser, die anonyme Geburten anbieten. Ziel dieser Maßnahmen war und ist es, die Aussetzung von Babys durch verzweifelte Mütter vorzubeugen. Ob diese Maßnahmen tatsächlich Abhilfe schafften, ist dabei umstritten – genutzt werden sie jedenfalls.
Trotz der tatsächlichen Einrichtung und Nutzung von Babyklappen und der „anonymen Geburt“ ist diese Praxis in Deutschland contra legem, da sie sich nicht mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung und den Rechten des nichtehelichen Vaters vereinbaren lässt. Reformbestrebungen, die sich um eine Legalisierung von anonymen Geburten drehten, sind bisweilen vor dem Hintergrund gescheitert, dass das deutsche Abstammungsrecht nach der geltenden Gesetzesfassung, die Möglichkeit einer anonymen Geburt schlicht nicht kennt. Nach § 1591 BGB ist rechtliche Mutter immer auch biologische Mutter.
Hinsichtlich einer Strafbarkeit wegen Personenstandsfälschung macht sich der Elternteil, der ein Kind in einer Babyklappe abgibt auch nach § 163 Abs. 1 StGB in Form der Personenstandsunterdrückung durch Unterlassen strafbar. Eine nachträgliche Feststellung darüber, wer Mutter des Kindes ist, wird freilich regelmäßig misslingen. Entsprechende Anzeigen werden kaum verfolgt oder kurzerhand eingestellt.
Für die Mitarbeiter einer eine Babyklappe unterhaltenden Institution kommt eine Strafbarkeit wegen Beihilfe in Betracht, läuft aber im Ergebnis mangels objektiver Beihilfehandlung ins Leere. Anders wird dies in Fällen zu beurteilen sein, in denen die Mutter mit der Institution zuvor in Kontakt getreten ist. Dann wäre eine Strafbarkeit der Mitarbeiter wegen Teilnahme ebenso denkbar, wie auch eine eigene Strafbarkeit aus § 169 StGB, zumindest soweit anzeigepflichtige Daten bekannt werden und dem Kind auch zuordenbar sind.
In einem Versuch, der Problematik Herr zu werden, wurde mit § 25 ff. Schwangerschaftskonfliktgesetz die sog. „vertrauliche Geburt“ eingeführt. Diese soll es der Mutter ermöglichen, nicht gänzlich anonym, jedoch unter einem Pseudonym eine vertrauliche Geburt durchzuführen. Für den Fall, dass die Mutter die Angabe ihrer Identität gänzlich verweigert, erfüllt sie den Tatbestand des § 169 Abs. 1 Alt. 3 StGB. Hinsichtlich des Anstaltsleiters und der Beteiligten Ärzte und Hebammen steht in einem solchen Fall ebenfalls eine Strafbarkeit nach § 169 StGB im Raum. Denn auch diese trifft die Anzeigepflicht. Allerdings würde eine Verweigerung der Geburtshilfe unter Umständen wiederum eine unterlassene Hilfeleistung darstellen, womit dieses Verhalten im Rahmen einer Güterabwägung zu einer Rechtfertigung führen kann.
Falsche Vaterschaftsanerkenntnis
Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt auch eine Strafbarkeit einer Person in Betracht, die die Vaterschaft – wider besseren Wissen nicht der biologische Vater zu sein – anerkennt.
Die Mindermeinung, die eine Strafbarkeit annimmt, sieht durch die falsche Anerkenntnis in bestimmten Fallgruppen eine Umgehung adoptionsrechtlicher Schutzvorschriften und verlange daher nach einer Strafbarkeit. Die wohl überwiegende Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur sieht im Wege einer teleologischen Reduktion keine Strafbarkeit nach § 169 StGB bei falscher Anerkenntnis der Vaterschaft.