Was ist ein „Schwangerschaftsabbruch“?
Ein Schwangerschaftsabbruch liegt vor, wenn der Täter – ein Dritter oder die Schwangere selbst – vorsätzlich das Absterben des Ungeborenen herbeiführt, ohne dass eine gesetzliche Rechtfertigung vorliegt.
Wann ist ein „Schwangerschaftsabbruch“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt das ungeborene Leben, aber auch das Leben und die Gesundheit der Mutter.
So viel vorab: Ungeborenes Leben wird als gleichwertig mit geborenem Leben angesehen, womit dem ungeborenen Leben u.a. das Recht auf Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Recht auf Leben (Art. 2 GG) zustehen. Der ungeborene Mensch hat nach dem Bundesverfassungsgericht ein eigenes Lebensrecht, das nicht erst durch ein „Einverständnis“ der Mutter entsteht. Ausgehend von diesem Verständnis ist der Abbruch einer Schwangerschaft grundsätzlich verboten.
Ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung wird eine entwicklungsfähige, befruchtete Eizelle als Embryo bezeichnet. Sobald sich der Embryo in die Gebärmutter einnistet (Nidation), spricht man von der Leibesfrucht. Der strafbare Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB bezieht sich nur auf die Leibesfrucht.
Um sich nach § 218 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatsubjekt: Schwangere oder Dritter
Der Täter kann sowohl die Schwangere selbst als auch ein Dritter sein.
Tathandlung: Schwangerschaftsabbruch
Der Täter müsste die Schwangerschaft abgebrochen haben. Dafür musste er die Leibesfrucht abgetötet haben. Die Art und Weise der Herbeiführung des Todes ist unerheblich. Ein Abbruch ist jede Einwirkung auf die Schwangere oder auf die Leibesfrucht, die zu einem Absterben des Embryos führt.
Der Abbruch der Schwangerschaft kann durch eine Absaugung, eine Kürettage (Ausschabung) oder medikamentös erfolgen.
Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs – § 218a StGB
Freilich erschöpft sich die Gesetzesmaterie nicht in einem unumstößlichen Verbot. Vielmehr handelt es sich auch beim Schwangerschaftsabbruch um ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. So bleibt ein Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen straffrei.
Welche Umstände das sind, ist in § 218a StGB geregelt. Dort wird zwischen tatbestandsloser und gerechtfertigter Abtreibung unterschieden.
Tatbestandslose Abtreibung
Dass ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb von 12 Wochen vorgenommen werden kann, ist allgemein bekannt. Allerdings müssen für einen tatbestandslosen (und somit straffreien) Schwangerschaftsabbruch noch weitere Voraussetzungen vorliegen:
Teil der Konzeption der §§ 218 ff. StGB ist das sogenannte Beratungsmodell. So ist zwingende Voraussetzung eines nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der gesetzlichen Frist (12 Wochen) nach § 218a Abs. 1 StGB eine Schwangerschaftskonfliktberatung. Nach erfolgter Beratung hat die Beratungsstelle der Schwangeren gemäß § 219 Abs. 2 StGB eine Bescheinigung auszustellen. Mit dieser Bescheinigung kann nach mindestens drei weiteren Tagen ein Arzt aufgesucht werden, um den Schwangerschaftsabbruch durchzuführen.
Ein tatbestandloser Schwangerschaftsabbruch liegt demnach vor, wenn:
- seit der Empfängnis nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind
- der Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird
- mindestens drei Tage vor dem Eingriff die Beratung durch eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle erfolgt ist
- und die Beratung mittels einer Bescheinigung dem Arzt, welcher den Eingriff vornimmt, nachgewiesen wird.
Gerechtfertigte Abtreibung
Bei der gerechtfertigten Abtreibung entfällt nicht der Tatbestand, aber die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Damit bleibt auch diese Variante für die Abtreibende (und den ausführenden Arzt) straffrei. Hier wird zwischen der kriminologischen und der medizinischen Indikation unterschieden.
Von der kriminologischen Indikation ist die Rede, wenn die Schwangerschaft aus einem Sexualdelikt (also etwa einer Vergewaltigung oder einem sexuellen Missbrauchs Minderjähriger) resultiert. In diesem Fall kann die Schwangere bis zur 12. bzw. bis zur 22. Woche nach der Empfängnis abtreiben. Die Schwangere muss in diesen Fällen keine Beratung wahrnehmen. Erfolgt die Abtreibung innerhalb von 12 Wochen, kann der Eingriff von einem Arzt ohne eine Schwangerschaftskonfliktberatung erfolgen. Die Schwangere bleibt in diesen Fällen gar bis zur 22. Woche straffrei, allerdings macht sich nach der 12. Woche der vornehmende Arzt strafbar.
Eine medizinische Indikation lässt die Rechtswidrigkeit auch nach der 12. Woche entfallen. So sind etwa Spätabtreibungen bei festgestellter Behinderung des ungeborenen Kindes möglich. Als Voraussetzung hierfür muss ein Arzt zu der Einschätzung gelangen, dass die Schwangerschaft eine schwere Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Mutter darstellt. Soweit das Leben der Mutter nicht unmittelbar in Gefahr ist, müssen zwischen der Mitteilung der Indikation und dem Eingriff wiederum mindestens drei Tage liegen. Der Abbruch der Schwangerschaft darf ferner nicht von demselben Arzt vorgenommen werden, der die Indikation ausgestellt hat.
Vorsatz
Der Täter muss den Schwangerschaftsabbruch vorsätzlich begangen haben. Er muss diesen also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch ist nur für Dritte nach § 218 Abs. 4 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei dem Schwangerschaftsabbruch handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Der Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Begeht die Schwangere die Tat selbst, so ist die Strafe nach § 218 Abs. 3 StGB Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Handelt ein Täter gegen den Willen der Schwangeren oder verursacht dieser leichtfertig den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung der Schwangeren, ist ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 218 Abs. 2 StGB erfüllt. Ein besonders schwerer Fall wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet.