Was ist der „sexuelle Missbrauch von Kindern“?
Im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung knüpfen viele Strafvorschriften auf das Verhältnis zwischen Opfer und Täter oder Eigenschaften des Opfers an, die dieses besonders schutzbedürftig erscheinen lassen.
Letzteres spiegelt sich auch in § 176 StGB wieder, der den sexuellen Missbrauch von Kindern unter Strafe stellt. Dieser liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich sexuelle Handlungen mit einem Kind vornimmt (sog. “Kindesmissbrauch”).
Wann ist der „sexuelle Missbrauch von Kindern“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers und dessen Entwicklung. Um sich nach § 176 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Kinder
Der sexuelle Missbrauch nach § 176 StGB kann nur an Kindern verübet werden. Kinder sind Personen unter vierzehn Jahren. Auf das „geistige Alter“ kommt es nicht an.
Eine Person, die bereits vierzehn Jahre oder älter ist, gilt nicht mehr als Kind im Sinne des Strafgesetzbuches, und kann dementsprechend nicht Opfer dieser Straftat sein. Hier kommt allerdings die Verwirklichung anderer Tatbestände wie der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB), die sexuelle Nötigung oder die Vergewaltigung (§ 177 StGB) in Betracht.
Tathandlung: Sexuelle Handlungen
Der Täter müsste das Opfer sexuell missbraucht haben. Der Begriff der sexuellen Handlungen wird recht weit gefasst. Eine sexuelle Handlung ist „jede körperliche Berührung, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem sozialen Sinn sexualbezogen ist“.
Maßgeblich ist letztlich, ob die Handlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, also nach der Ansicht eines unbeteiligten Dritten, als sexuell einzustufen ist. Eine sexuelle Handlung liegt daher in jedem Fall vor, soweit sie einen eindeutigen Bezug zum Geschlechtlichen aufweist.
Auf die innere Motivation des Täters kommt es dann nicht an. In diesen Fällen wäre es egal, ob der Täter die Handlung aus sexualbezogenen Gründen, aus Neugier, aus Spaß oder sonstigen Zwecken vorgenommen hat.
Umfasst ist daher nicht nur der orale, vaginale oder anale Geschlechtsverkehr, sondern bereits das Berühren der Geschlechtsorgane, aber auch das Streicheln des unbekleideten Pos.
Die Fallgestaltungen sind in der Praxis recht vielfältig. Strafbar sind u.a. folgende Handlungen:
- Vornahme sexueller Handlungen an einem Kind
- z.B. Berühren von Brust, Po oder Geschlechtsteilen des Kindes sowie das Küssen und Streicheln
- Bestimmung des Kindes zur Vornahme sexueller Handlung am Täter
- z.B. Anfassen des Penis
- Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind
- z.B. Masturbation, Onanieren
- Bestimmung eines Kindes sexuelle Handlungen vorzunehmen
- z.B. Handlungen des Kindes an sich selbst
- Einwirken auf das Kind mittels Schriften, Informations- oder Kommunikationstechnologie, um es zur Vornahme einer der vorgenannten Handlungen zu bewegen
- z.B. über Chat, WhatsApp, SMS, Nachrichten, Webcam, Skype, Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, Tinder etc.
- Einwirkung auf das Kind durch das Abspielen, Vorzeigen oder Zugänglichmachen pornografischer Inhalte oder durch Reden entsprechenden Inhalts
- z.B. Zeigen oder Versenden von Pornofilmen oder Internetlinks an ein Kind
Absolute Altersgrenze
Die vorgenannte Altersgrenze von Kindern gilt absolut. Das bedeutet: Für eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ist allein maßgeblich, ob das Opfer unter vierzehn Jahre alt ist. Unerheblich ist, ob der Beschuldigte selbst erst vierzehn Jahre, und damit gerade erst strafmündig geworden ist, kurz vor der Volljährigkeit steht oder längst erwachsen ist. Gleichwohl spielt das Alter des Täters hinsichtlich der Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht eine Rolle.
Kinder und Kinder
Wer unter vierzehn Jahre alt ist, ist nach deutschem Recht nicht strafmündig. Das heißt, er kann für sein Handeln nicht strafrechtlich belangt werden.
Kommt es zu sexuellen Handlungen zwischen zwei Kindern (z.B. zwischen einem 12-jährigen Mädchen und einem 13-jährigen Jungen), bleiben beide straffrei.
Kinder und Jugendliche
Führt eine Person, die schon über vierzehn Jahre, aber noch keine achtzehn Jahre alt ist, mit einer Person unter vierzehn Jahren, sexuelle Handlungen durch, ist dies als „sexueller Missbrauch von Kindern“ strafbar. Hier drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Darauf, dass das Mädchen mit dem Sex einverstanden war und auch keinerlei Druck oder Gewalt ausgeübt worden ist, kommt es nicht an. Entscheidend für die Strafbarkeit ist allein das Alter des Opfers und das Alter des Täters.
Diese Fälle kommen in der Praxis häufig vor, da gerade im Grenzbereich von dreizehn/vierzehn Jahren viele Jugendliche ihre ersten sexuellen Erfahrungen sammeln.
Aber: Anwendung des Jugendstrafrechts
Ist der Beschuldigte zwischen vierzehn und achtzehn Jahren alt, kommt zwingend das Jugendstrafrecht zur Anwendung. Dies hat für den Beschuldigten die günstige Folge, dass die hohen Strafen des „allgemeinen Strafrechts“ nicht gelten.
Das Jugendstrafrecht sieht im Jugendgerichtsgesetz (JGG) eigene Ahndungen vor – etwa das Ableisten von Arbeitsstunden („Sozialstunden“). Dabei ist das Ziel des Jugendstrafrechts nicht das Strafen, sondern die Erziehung des Täters.
Vielfach kann auch in den Fällen des sexuellen Missbrauchs das Verfahren schonend und ohne eingreifende Konsequenzen beendet werden.
Kinder und Heranwachsende
Ist der Täter zum Zeitpunkt der Tat zwischen achtzehn und einundzwanzig Jahre alt, gilt grundsätzlich Erwachsenenstrafrecht. Allerdings kann auch das mildere Jugendstrafrecht angewendet werden. Die Anwendung von Jugendstrafrecht in dieser Altersgruppe hängt dabei von der individuellen Reifeentwicklung des Beschuldigten ab.
Kinder und Erwachsene
Jegliche sexuelle Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern steht unter Strafe. Es gelten die Sanktionen des Erwachsenenstrafrechts.
Vorsatz
Der Täter muss den sexuellen Missbrauch von Kindern vorsätzlich begangen haben. Er muss diesen also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch ist nach §§ 176, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei einem solchen sexuellen Missbrauch handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
Die konkrete Strafe ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig. So ist die Art des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Opfer und Täter ebenso entscheidend wie die Dauer und Intensität der sexuellen Handlung. Nicht zuletzt sind auch die Persönlichkeit des Täters, die Anzahl der vorgeworfenen Tathandlungen und das Verhalten nach der Tat sowie die Auswirkungen der Tat auf das Kind maßgeblich.
Von der Strafe kann jedoch nach gerichtlichem Ermessen abgesehen werden, wenn zwischen dem Täter und dem Kind eine einvernehmliche sexuelle Handlung erfolgt und dessen Unterschied im Alter sowie in der Entwicklung bzw. im Reifegrad gering ist, vgl. § 176 Abs. 2 StGB.
Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern?
Sie wurden angezeigt, einen sexuellen Missbrauch von Kindern begangen zu haben? Der Tatvorwurf wiegt schwer und sollte keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden.
Neben der strafrechtlichen Sanktionierung drohen erhebliche persönliche Nachteile.
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