Was ist eine „Störung der Totenruhe“?
Eine solche Störung liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich insbesondere den Körper eines Verstorbenen wegnimmt oder damit Unfug treibt.
Wann ist eine „Störung der Totenruhe“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen sowie das Pietätsgefühl der Angehörigen und der Gesellschaft.
Um sich nach § 168 Abs. 1 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Körper eines Verstorbenen
Die Totenruhe kann nur an dem Körper eines verstorbenen Menschen, an Teilen des Körpers eines verstorbenen Menschens, an einer toten Leibesfrucht, an Teilen einer toten Leibesfrucht oder an der Asche eines verstorbenen Menschen verübt werden.
Teile des Körpers sind auch künstliche Teile, die zu Lebzeiten nur mittels eines körperlichen Eingriffs entfernt werden können, beispielsweise Zahnimplantate und künstliche Gelenke. Nicht hierunter fallen Teile, die schon zu Lebzeiten leicht hätten entfernt werden können – etwa Hörgeräte.
Tathandlung: Wegnahme bzw. Unfug
Der Täter müsste sodann eines dieser Tatobjekte weggenommen oder daran beschimpfend Unfug getrieben haben.
Die Wegnahme meint einen Diebstahl. Sie muss gegen bzw. ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgen.
Der Tatbestand entfällt bereits, wenn der Berechtigte zur Wegnahme einwilligt. Das ist beispielsweise der Fall bei gespendeten Transplantationsorganen, der Entnahme von Blut oder im Rahmen von Obduktionen.
Das Verüben beschimpfenden Unfugs ist eine Handlung, in der sich eine gravierende Pietätsverletzung oder eine den Verstorbenen zum Objekt der Belustigung, der Beschimpfung oder der Willkür herabwürdigender Gesinnung ausdrückt. Anders ausgedrückt bedarf es einer, auf die missbräuchliche, tabuverletzende Verwendung der Leiche (oder der Leichenteile, Leibesfrucht, usw.) gerichtete Motivation.
Nach Absatz 2 macht sich der Täter auch dann strafbar, wenn er eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder dort beschimpfenden Unfug verübt.
Aufbewahrungsstätte sind insbesondere Leichenhallen, Krankenhäuser, Kapellen oder Gedenkorte. Beisetzungsstätte sind vor allem das Erdgrab oder die Urne. Öffentliche Totengedenkstätte sind Orte, die dem Andenken Verstorbener aus bestimmten Anlässen dienen, wie bei Katastrophen oder schlimmen Verkehrsunfällen.
Unter Beschädigen versteht man eine vorübergehende, nicht unerhebliche Verletzung der Substanz der Sache bzw. eine vorübergehende Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Sache. Das können beispielsweise das Verbeulen bzw. Zerkratzen solcher Stätte sein. Unter Zerstören versteht man hingegen die völlige Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Sache. Hierunter fallen zum Beispiel das Niederreißen, Zerschlagen oder Verbrennen solcher Stätte.
Vorsatz
Der Täter muss die Störung der Totenruhe vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch der Störung der Totenruhe ist nach § 168 Abs. 3 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutsgefährdung bevorstehen. Das liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Unfug begonnen hat. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei der Störung der Totenruhe handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Beispiele aus der Praxis
Von den vorgenannten Kriterien umfasst, sind etwa sexuelle Handlungen an Leichen. Das Schlachten eines Menschen vor laufende Kamera (auch mit vorheriger Einwilligung des Toten) ist ebenfalls inbegriffen. Nach der ständigen Rechtsprechung nicht erfasst, ist das Zerstückeln einer Leiche, um diese zu beseitigen. Die kommerzielle Verwertung von und Experimente an Leichen sind genauso wenig erfasst, wie ungewöhnliche und skurrile Beisetzungsriten. Zwar ist die kriminalpolitische Bedeutung der Vorschrift eher gering. Dass der Tatbestand in der strafrechtlichen Praxis aber immer wieder eine Rolle spielt, sollen folgende Einzelfälle verdeutlichen:
Diebstahl von Urne und Asche
Der „klassische“ Fall der Störung der Totenruhe ist der Diebstahl einer Urne mitsamt Asche.
Beschädigen von Grab, Sarg und Urne: „Grabschändung“
Nach Absatz 2 der Vorschrift steht ferner die Beschädigung oder Zerstörung einer Gedenkstätte oder das dortige Verüben von beschimpfenden Unfug unter Strafe.
Hiervon sind etwa das Beschädigen und Zerstören eines Grabs, einer Urne, eines Sargs, von Kreuzen, Grabhügeln oder Leichenhallen umfasst.
Dieses Verhalten wird auch häufig als „Grabschändung“ bezeichnet.
Störung der Totenruhe durch die Bundeswehr
Im Jahr 2006 gab es einen größeren Skandal bei der Bundeswehr. Dort wurden Fotos veröffentlicht, auf denen sich Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit einem Totenschädel in verschiedenen Posen zeigten. In diesem Zusammenhang wurde – neben diverser anderer Straftaten – auch der Vorwurf der Störung der Totenruhe erhoben.
„Körperwelten“
Die Ausstellung „Körperwelten“ sorgt immer wieder für Meinungsverschiedenheiten. Teil der Diskussion war, ob eine derartige Ausstellung platinierter Leichen den Straftatbestand des § 168 StGB erfüllen kann. Die mit dieser Frage beschäftigte Staatsanwaltschaft sah keine Störung der Totenruhe. In einem weiteren Verfahren wurden einzelne präparierte Körper der Ausstellung im Oktober 2003 in Hamburg an öffentlichen Plätzen für eine Fotoschau postiert. Der Tatbestand des § 168 StGB soll hier ebenfalls nicht erfüllt worden sein. In einem weiteren Verfahren zu diesem Sachverhalt sah das OLG Hamburg jedoch eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG gegeben. Die zugrundeliegende Frage, ob ein plastinierter menschlicher Körper eine Leiche darstellt, bejahte das Oberlandesgericht.
Störung der Totenruhe durch Bestatter
In einigen Fällen wurde der Vorwurf der Störung der Totenruhe gegenüber Bestattern erhoben. Dies betrifft insbesondere Fälle
- der Wegnahme von Zahngold nach der Einäscherung eines Verstorbenen im Krematorium,
- das Vertauschen von Urnen vor der Beisetzung,
- das Einleiten einer Flüssigkeit in einen Leichnam zur Desinfektion.
Friedhofsparty
In Rothenburg ob der Tauber kam es im Oktober 2017 zu einer Art vorgezogenen Halloween-Party einer Gruppe junger Erwachsener. Dabei soll nicht nur reichlich Alkohol geflossen sein, sondern es sollen auch Tanzgelage und Sex auf einem Grabstein stattgefunden haben. Die Staatsanwaltschaft sah darin zumindest eine Störung der Totenruhe. Für zwei der Angeklagten endete das Verfahren mit Strafbefehlen.
Strafe
Die Störung der Totenruhe wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.