Was ist die „Verletzung des Briefgeheimnisses“?
Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich unbefugt Kenntnis von Schriftstücken nimmt.
Wann ist die „Verletzung des Briefgeheimnisses“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt die Geheimsphäre von schriftlichen Äußerungen und Abbildungen gegen die Kenntnis Unberechtigter.
Um sich nach § 202 StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Schriftstück
Die Tat kann nur im Hinblick auf verschlossene Briefe und verschlossenen Schriftstücke verübt werden.
Unter Schriftstücken werden sämtliche „Träger von Schriftzeichen mit gedanklichem Inhalt“ verstanden. Die Sprache spielt keine Rolle. Um Schriftstücke handelt es sich beispielsweise bei Notizen, Tagebüchern oder Entwürfen. Der letzte Absatz der Vorschrift stellt klar, dass Abbildungen (Fotos) den Schriftstücken gleichstehen.
Die übersandten Briefe oder Schriftstücke müssen besonders verschlossen sein. Ausreichend ist bereits, wenn ersichtlich ist, dass eine Kenntnisnahme durch Dritte verhindert werden soll.
Ein Schriftstück ist zum Beispiel verschlossen, wenn es sich in einem zugeklebten Umschlag befindet. Aus diesem Grund fallen Postkarten und Urlaubskarten nicht unter diesen Tatbestand. Auch beim Lesen „offener Briefe“ liegt keine Strafbarkeit vor.
Eine Verletzung des Briefgeheimnisses liegt aber ebenfalls vor, wenn Schriftstücke eingesehen werden, die durch ein verschlossenes Behältnis geschützt sind. Bei dieser Begehungsweise muss sich der Täter Kenntnis vom Inhalt des Schreibens verschaffen. Verschlossen ist ein Behältnis, wenn sein Inhalt durch ein Schloss, eine andere technische Schließvorrichtung oder in sonstiger Weise gegen einen Zugriff besonders gesichert ist. Letzteres kann etwa durch ein Zunageln oder Verkleben gegeben sein.
Briefgeheimnis bei WhatsApp, SMS & Co.?
Eine Strafbarkeit nach § 202 StGB, also wegen einer Verletzung des Briefgeheimnisses, kommt bei Nachrichten, die über WhatsApp, SMS, Messenger oder anderen Chat-Diensten versandt werden, nicht in Betracht.
Es fehlt an dem erforderlichen „Brief“ bzw. „verkörperten Schriftstück“. Elektronische Daten Unterfallen nicht § 202 StGB. Wer Nachrichten eines Anderen liest, kann sich aber wegen
- § 202a StGB – Ausspähen von Daten,
- § 202b StGB – Abfangen von Daten oder
- § 202c StGB – Vorbereiten des Ausspähen oder Abfangens von Daten
strafbar machen.
Briefgeheimnis unter Eheleuten
Eine Strafbarkeit nach § 202 StGB ist nicht gegeben, wenn das Öffnen eines Briefes mit Einwilligung des Empfängers bzw. Absenders geschieht.
Eine Einwilligung kann aber nicht allein aus dem Bestehen einer Ehe, eines Verlöbnisses, einer Partnerschaft oder einer tiefen Freundschaft angenommen werden.
Auch unter Ehegatten besteht grundsätzlich kein Recht, die an den Anderen gerichtete oder von diesem versandte Briefe zu öffnen.
Handelt es sich um eine intakte Ehe kann allerdings – je nach den Umständen des Einzelfalls – von einer (mutmaßlichen) Einwilligung ausgegangen werden; etwa beim Öffnen von Briefen im Rahmen alltäglicher Angelegenheiten. Dies kann aber nicht ohne Weiteres bei Briefen angenommen werden, die erkennbar nur an seine Person gerichtet sind.
Tathandlung: Unbefugte Kenntnisnahme
Tathandlung nach Absatz 1 Nr. 1 ist das Öffnen des Schriftstücks, wobei der Täter auf irgendeine Weise das durch den Verschluss geschaffene Hindernis so weit beseitigt, dass er vom Inhalt Kenntnis nehmen könnte. Ob tatsächlich Kenntnis vom Inhalt genommen wird, ist ohne Bedeutung.
Nach Nr. 2 steht es ebenso unter Strafe, wenn sich der Täter Kenntnis über ein verschlossenes Schriftstück mithilfe technischer Hilfsmittel verschafft, ohne dass das Schriftstück geöffnet wird – z.B. infolge einer Durchleuchtung. Das bloße Halten eines Briefes gegen Licht reicht indessen nicht aus.
Vorsatz
Der Täter muss die Verletzung des Briefgeheimnisses vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Versuch
Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar.
Strafantrag
Bei der Verletzung des Briefgeheimnisses handelt es sich um ein sogenanntes relatives Antragsdelikt, vgl. § 205 Abs. 1 S. 1 StGB. Das bedeutet, dass ein Antrag des Geschädigten bzw. des gesetzlichen Vertreters erfolgen muss oder die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) setzt sich über das Fehlen eines Antrages hinweg, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Strafe
Die Verletzung des Briefgeheimnisses wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet. Die konkrete Strafe ist von den individuellen Umständen des Einzelfalls abhängig.