Einschleusen von Ausländern – § 96 AufenthG
Wer Menschen ohne gültige Einreisepapiere nach Deutschland bringt oder ihre illegale Einreise organisiert oder unterstützt, macht sich nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes strafbar. Dieses sogenannte Einschleusen von Ausländern ist eine schwere Form der Beihilfe zu einer unerlaubten Einreise oder einem illegalen Aufenthalt. Die Vorschrift richtet sich in erster Linie gegen sogenannte Schleuser – also Personen, die Einreisen oder Aufenthalte systematisch und häufig aus eigennützigen Motiven ermöglichen.
Was bedeutet „Einschleusen“?
Der Begriff „Einschleusen“ meint in diesem Zusammenhang das bewusste Unterstützen einer unerlaubten Einreise oder eines unerlaubten Aufenthalts eines ausländischen Staatsangehörigen. Es handelt sich dabei um mehr als bloße Mitwisserschaft – der Schleuser wirkt aktiv daran mit, dass eine Person ohne erforderliche Erlaubnis nach Deutschland oder in einen anderen Staat einreist oder sich dort aufhält.
Anders als man vielleicht denken könnte, ist es nicht notwendig, dass der Schleuser die ausländische Person tatsächlich über die Grenze bringt. Schon das Organisieren einer Transportmöglichkeit, die Beschaffung gefälschter Papiere oder die Weitergabe von Informationen zur Umgehung von Grenzkontrollen kann strafbar sein. Auch wenn der Schleuser selbst nicht in Deutschland lebt oder tätig ist, kann die Tat geahndet werden – etwa dann, wenn sie auf das Bundesgebiet bezogen ist oder sich gegen deutsche Sicherheitsinteressen richtet.
Wann macht man sich nach § 96 AufenthG strafbar?
Eine Strafbarkeit nach § 96 AufenthG setzt mehrere Voraussetzungen voraus. Zunächst muss es sich bei der unterstützten Haupttat um eine rechtswidrige und vorsätzliche Einreise oder einen Aufenthalt handeln, die nach § 95 AufenthG selbst schon strafbar sind. Der Schleuser muss entweder zur Tat angestiftet oder diese durch eine Handlung unterstützt haben.
Für die Strafbarkeit reicht es bereits, wenn der Schleuser mit seiner Handlung den unerlaubten Grenzübertritt oder Aufenthalt ermöglicht oder erleichtert. Die Unterstützung muss also nicht direkt an der Grenze erfolgen – auch Vorbereitungen im Vorfeld, etwa durch das Vermitteln von Unterkünften oder die Planung der Reiseroute, können genügen.

Zudem ist es für eine Strafbarkeit nach § 96 entscheidend, ob die Handlung aus Eigennutz erfolgt ist. Wer sich für die Schleusung bezahlen lässt oder sich einen sonstigen Vorteil versprechen lässt – etwa Geld oder andere Gefälligkeiten – handelt eigennützig. Auch wenn der Schleuser wiederholt tätig wird oder gleichzeitig mehreren Personen bei der illegalen Einreise hilft, greift der Straftatbestand.
Ein praktisches Beispiel: Eine Person in Deutschland nimmt Kontakt zu einem Schleusernetzwerk auf und hilft bei der Organisation der Reise für mehrere ausländische Staatsangehörige, die keine gültigen Papiere haben. Sie vermittelt Kontakte, beschafft Fahrgelegenheiten und erhält dafür eine finanzielle Gegenleistung. In diesem Fall liegt nicht nur eine Beihilfe zur unerlaubten Einreise vor – die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 96 Abs. 1 sind erfüllt.
Qualifizierende Umstände – wenn die Tat besonders schwer wiegt
Der § 96 AufenthG enthält in Absatz 2 sogenannte Qualifikationstatbestände. Das bedeutet: Unter bestimmten erschwerenden Umständen drohen härtere Strafen, zum Beispiel Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Solche erschwerenden Umstände sind etwa:
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Gewerbsmäßiges Handeln: Wenn der Täter mit der Schleusung eine dauerhafte Einkommensquelle schaffen will.
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Bandenmäßige Begehung: Wenn mehrere Personen sich zusammenschließen, um gemeinsam wiederholt Schleusungen durchzuführen.
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Bewaffnete Schleusung: Wenn der Täter bei der Tat eine Waffe bei sich führt oder deren Einsatz beabsichtigt.
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Lebens- oder gesundheitsgefährdende Umstände: Wenn Ausländer bei der Schleusung unmenschlich behandelt oder gefährlichen Bedingungen ausgesetzt werden – etwa durch Transport in überfüllten Lkws ohne Belüftung.
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Schleusung minderjähriger unbegleiteter Personen: Wenn Kinder oder Jugendliche ohne Schutzbegleitung geschleust werden.
Diese Qualifikationen orientieren sich an ähnlichen Regelungen im allgemeinen Strafrecht und sind Ausdruck besonderer Gefährlichkeit und Verwerflichkeit der Tat.
Strafbarkeit auch bei Taten im Ausland
Ein besonderes Merkmal von § 96 AufenthG ist, dass auch Taten verfolgt werden können, die außerhalb Deutschlands begangen wurden – etwa bei der Schleusung in andere EU- oder Schengen-Staaten. Voraussetzung ist, dass die Tat einem deutschen Straftatbestand entspricht und dass ein sogenannter Drittausländer (also nicht EU- oder EWR-Bürger) betroffen ist. Damit können auch internationale Schleusernetzwerke nach deutschem Recht belangt werden, wenn ein Bezug zu Deutschland besteht oder das deutsche Sicherheitsinteresse betroffen ist.
Versuch ist ebenfalls strafbar
Nicht nur die vollendete Schleusung, auch der Versuch kann strafbar sein. Das gilt sowohl für die versuchte Anstiftung als auch für die versuchte Beihilfe. Entscheidend ist, ob der Täter aus seiner Sicht bereits mit der Ausführung der Unterstützungshandlung begonnen hat – auch wenn es letztlich nicht zur Einreise kommt.
Änderungen durch Gesetzesreformen
In den letzten Jahren wurde § 96 mehrfach angepasst – unter anderem, um Lücken bei der Strafbarkeit zu schließen. So wurde 2024 durch das Rückführungsverbesserungsgesetz eine Regelung aufgenommen, wonach auch eine Unterstützung strafbar ist, wenn der geschleuste Ausländer selbst nicht vorsätzlich handelt – etwa bei minderjährigen oder bewusstlosen Personen. Damit soll verhindert werden, dass sich Schleuser durch die bewusste Auswahl besonders schutzbedürftiger Personen strafrechtlicher Verantwortung entziehen können.

Häufige Fragen zum Einschleusen von Ausländern
Was ist der Unterschied zwischen § 95 und § 96 AufenthG?
§ 95 Ahndet die unerlaubte Einreise oder den Aufenthalt durch den Ausländer selbst. § 96 hingegen betrifft die Personen, die diese Handlung fördern – etwa durch Organisation oder Unterstützung, also Schleuser.
Muss der Schleuser selbst an der Grenze aktiv werden?
Nein. Auch Handlungen im Vorfeld – wie das Beschaffen von Dokumenten, das Planen von Routen oder das Verabreden von Treffpunkten – können für eine Strafbarkeit genügen.
Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung nach § 96?
Im Grundfall drohen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen – etwa bei Waffenbesitz oder bandenmäßigem Vorgehen – kann die Strafe bis zu zehn Jahre betragen.
Anzeige erhalten?
Wenn gegen Sie der Vorwurf erhoben wird, gegen § 96 AufenthG verstoßen zu haben, handelt es sich um eine schwerwiegende Anschuldigung. Die Ermittlungsbehörden werten solche Verfahren oft als Teil organisierter Kriminalität. Daher sollten Sie die Situation ernst nehmen. Eine frühzeitige und kompetente rechtliche Beratung kann entscheidend sein – insbesondere, um die Tragweite des Vorwurfs richtig einzuordnen und mögliche strafrechtliche Konsequenzen zu klären.


