Fahrlässige Brandstiftung
Der unvorsichtige Umgang mit Feuer, wie das Anlassen einer Kerze, kann zu einem Brand führen. Auch wenn es sich um ein Versehen gehandelt hat, kann hierdurch eine fahrlässige Brandstiftung nach § 306 d StGB verwirklicht sein. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Ein Brand – ob in der Wohnung, im Auto oder im Wald – zieht nicht nur materielle Schäden nach sich, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen. Wer versehentlich ein Feuer entfacht, steht schnell im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen. § 306d des Strafgesetzbuches stellt die fahrlässige Brandstiftung unter Strafe. Doch was bedeutet „fahrlässig“ in diesem Kontext wirklich? Was müssen Betroffene beachten? Und wie kann eine kluge Verteidigungsstrategie aussehen?
Dieser Artikel richtet sich gezielt an Beschuldigte und beleuchtet den Tatbestand, die juristische Einordnung, typische Fehlerquellen, die Rolle des Verteidigers und konkrete Praxisfälle – umfassend, verständlich und praxisnah.
Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung
Gesetzliche Grundlage: § 306d StGB
§ 306d StGB normiert die fahrlässige Brandstiftung als eigenständiges Delikt. Die Vorschrift greift immer dann, wenn die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Brandstiftung nach §§ 306 oder 306a StGB erfüllt sind – allerdings nicht durch Vorsatz, sondern durch Fahrlässigkeit.
Die Vorschrift lautet:
„Wer in den Fällen der §§ 306, 306a Absatz 1 fahrlässig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Absatz 2 ergänzt:
„Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des § 306a Absatz 2 fahrlässig handelt.“
Welche Objekte sind geschützt?
Die Vorschriften der §§ 306 und 306a StGB definieren präzise, welche Objekte besonders geschützt sind:
- Wohnhäuser, Wohnungen, Schlafräume
- Kirchen, Schulen und andere öffentliche Gebäude
- Wälder, Heiden, Moore
- Fahrzeuge (Kfz, Schiffe, Luftfahrzeuge)
- Betriebsstätten und Lager
- Gebäude, die dem Aufenthalt von Menschen dienen
Wer also z. B. durch eine Zigarette versehentlich einen Wohnungsbrand auslöst, erfüllt den objektiven Tatbestand – auch ohne jede Absicht.

Inbrandsetzen vs. Brandlegung
Diese beiden Begriffe sind zentral:
- Inbrandsetzen meint, dass ein wesentlicher Bestandteil eines Objekts derart vom Feuer erfasst ist, dass er selbstständig weiterbrennt – etwa wenn die Holzdecke einer Wohnung Feuer fängt.
- Brandlegung beschreibt, dass durch das Anzünden ein Zerstörungsvorgang ausgelöst wird – z. B. durch starke Rauchentwicklung, Hitzeeinwirkung oder Verkokelung.
In der Praxis ist die Abgrenzung oft juristisch knifflig, doch für die Strafbarkeit spielt sie keine Rolle – beide Formen werden gleichermaßen sanktioniert.
Der Fahrlässigkeitsvorwurf im Detail
Unterschied zu vorsätzlicher Brandstiftung
Während bei der vorsätzlichen Brandstiftung der Täter den Brand wissentlich und willentlich verursacht, fehlt bei der fahrlässigen Brandstiftung jegliche Absicht. Es handelt sich um ein „Versehen“ im juristischen Sinne – dennoch mit erheblichen Folgen.
Objektive Fahrlässigkeit
Objektiv liegt Fahrlässigkeit vor, wenn der Täter gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstößt. Das bedeutet: Ein besonnener, gewissenhafter Mensch in derselben Situation hätte den Brand vorhergesehen und vermieden.
Beispiele:
- Kerzen brennen unbeaufsichtigt über Nacht
- Lagerfeuer wird bei Windstärke 6 entzündet
- Silvesterböller werden auf dem Balkon gezündet
Subjektive Fahrlässigkeit
Es genügt nicht, dass der Täter objektiv pflichtwidrig handelt – er muss auch persönlich in der Lage gewesen sein, die Gefahr zu erkennen. Relevant sind:
- Alter und Lebenserfahrung
- geistige und körperliche Verfassung
- Fachkenntnisse und Schulungen (z. B. bei Elektrikern, Heizungsbauern etc.)
Strafrahmen und Sanktionen
Strafmaß nach § 306d StGB
Je nach Konstellation drohen:
- Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder
- Geldstrafe
Im Fall von § 306a Abs. 2 StGB (z. B. Gesundheitsgefährdung durch Rauch) bei gleichzeitig fahrlässiger Herbeiführung des Brandes:
- Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
- Geldstrafe
Ob es zu einer Geldstrafe, Bewährung oder Haft kommt, hängt stark von den Umständen ab: Schadenshöhe, Folgen, Vorstrafen, Verhalten des Täters nach der Tat.
Mögliche Nebenfolgen
Zusätzlich können auf den Beschuldigten zukommen:
- Zivilrechtliche Schadensersatzforderungen
- Rückforderungen der Versicherung bei grober Fahrlässigkeit
- Verlust der Fahrerlaubnis bei Brandstiftung im Fahrzeug
- Einträge im Führungszeugnis, die berufliche Konsequenzen haben können
Tätige Reue – die letzte Chance?
Regelung nach § 306e StGB
Täter können sich strafmildernd oder sogar strafbefreiend auf „tätige Reue“ berufen. Voraussetzung:
- Der Täter löscht den Brand freiwillig und rechtzeitig, bevor ein erheblicher Schaden eintritt
- Oder: Er bemüht sich ernsthaft, den Brand zu löschen, etwa indem er die Feuerwehr ruft
Beispiel: Eine Frau bemerkt, dass sie durch eine vergessene Kerze einen Schwelbrand ausgelöst hat. Sie löscht das Feuer mit einem Eimer Wasser, bevor es sich ausbreitet – Strafmilderung möglich.
Wichtig: Das Bemühen muss freiwillig und ernsthaft erfolgen, nicht nur unter Zwang oder auf Druck Dritter.
Verteidigungsmöglichkeiten
Der wichtigste erste Schritt: Schweigen
Wer eine polizeiliche Vorladung oder Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der Brandstiftung erhält, sollte keine Angaben zur Sache machen, sondern sofort anwaltlichen Beistand hinzuziehen.
Auch scheinbar harmlose Aussagen („Ich wollte doch nur grillen…“) können später als Schuldeingeständnis gewertet werden.
Rolle des Strafverteidigers
Ein spezialisierter Strafverteidiger kann unter anderem:
- Akteneinsicht beantragen
- prüfen, ob tatsächlich Fahrlässigkeit vorliegt
- mögliche Verfahrensfehler aufdecken
- Beweismittel entkräften
- auf tätige Reue hinwirken
- für eine Einstellung des Verfahrens oder eine geringe Strafe kämpfen
Frühzeitige rechtliche Beratung kann den Ausgang des Verfahrens maßgeblich beeinflussen.
Mögliche Verteidigungsansätze
- Kein objektiver Pflichtverstoß (z. B. bei unvorhersehbarer Verkettung unglücklicher Umstände)
- Keine Zurechenbarkeit des Brandes zum Verhalten des Täters
- Mitverursachung durch Dritte
- Kein tatbestandsmäßiges Objekt betroffen
- Tatbestand nicht erfüllt (z. B. kein „wesentlicher“ Schaden)
Fallbeispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Saunaaufguss mit Spiritus
In einem Wellnesshotel entzündet sich die Sauna, weil Gäste einen Spiritusaufguss vornehmen. Der Brand breitet sich rasant aus – ein Fall grober Fahrlässigkeit. Strafmilderung ist kaum möglich.
Beispiel 2: Kerze auf der Fensterbank
Ein Mann verlässt die Wohnung, eine brennende Kerze steht auf der Fensterbank. Durch Windzug kippt sie um, das Fensterbrett fängt Feuer – die Küche brennt aus. Das Gericht erkennt auf einfache Fahrlässigkeit – Strafe: Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
Beispiel 3: Silvesterböller auf dem Balkon
Ein Böller entzündet das Sonnensegel eines Nachbarn, es entsteht ein Gebäudeschaden. Der Täter ist Ersttäter, hilft beim Löschen, zeigt tätige Reue – das Verfahren wird gegen Geldauflage eingestellt.

Präventive Maßnahmen zur Risikominimierung
Auch wenn keine strafrechtliche Relevanz vorliegt, ist Prävention wichtig – denn wer fahrlässig handelt, haftet auch zivilrechtlich.
Tipps:
- Brennende Kerzen niemals unbeaufsichtigt lassen
- Elektrogeräte regelmäßig prüfen lassen
- Keine brennbaren Materialien in der Nähe von Grills oder Öfen lagern
- Rauchmelder installieren
- Kinder nicht mit Feuerzeugen oder Streichhölzern unbeaufsichtigt lassen
Besonderheiten bei Jugendlichen und Heranwachsenden
Bei Jugendlichen (14–17 Jahre) und Heranwachsenden (18–20 Jahre) gelten besondere strafrechtliche Regelungen:
- Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG)
- Ziel ist nicht Bestrafung, sondern Erziehung
- Mögliche Sanktionen: Arbeitsstunden, Erziehungsmaßregeln, Weisungen, Jugendarrest
Gerade in Fällen von „Zündeleien“ durch Jugendliche wird häufig das JGG angewendet – mit deutlich milderen Folgen als im Erwachsenenstrafrecht.
Fazit
Die fahrlässige Brandstiftung nach § 306d StGB ist kein Bagatelldelikt. Schon kleine Unachtsamkeiten können existenzielle Konsequenzen nach sich ziehen – strafrechtlich, zivilrechtlich, finanziell. Umso wichtiger ist es, als Beschuldigter umsichtig und strategisch zu handeln.
Wer schweigt, sich rechtlich beraten lässt und mögliche Milderungsgründe (z. B. tätige Reue) nutzt, kann das Strafmaß erheblich reduzieren – oder eine Einstellung des Verfahrens erreichen.
FAQs zur fahrlässigen Brandstiftung
1. Was versteht man unter „fahrlässiger Brandstiftung“?
Wenn eine Person durch Unachtsamkeit oder Pflichtverletzung einen Brand verursacht – ohne Vorsatz –, kann sie sich nach § 306d StGB strafbar machen.
2. Welche Strafen drohen konkret?
Je nach Fall: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren – in minder schweren Fällen bis zu 3 Jahren.
3. Muss ich aktiv anzeigen, wenn ich einen Brand verursacht habe?
Nein, aber Sie sind auch nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten. Suchen Sie anwaltlichen Rat, bevor Sie handeln.
4. Was ist tätige Reue, und wie kann sie mir helfen?
Wer freiwillig den Brand löscht oder sich darum bemüht, kann auf Strafmilderung oder Straffreiheit hoffen (§ 306e StGB).
5. Lohnt sich ein Anwalt bei fahrlässiger Brandstiftung?
Unbedingt. Ein spezialisierter Strafverteidiger kann die Vorwürfe prüfen, entkräften oder mildern und Ihre Rechte optimal vertreten.