Nebenklage/ Verletztenbeistand
Die Nebenklage verleiht Geschädigten besondere Rechte im Strafverfahren – doch was bedeutet das für den Angeklagten? Neben der Staatsanwaltschaft tritt mit der Nebenklage eine weitere Partei auf, die aktiv Einfluss auf den Prozess nimmt. Welche Rechte hat die Nebenklage? Wie beeinflusst sie das Verfahren?

Die Nebenklage stellt eine bedeutende Herausforderung für die Strafverteidigung dar. Sie ermöglicht es bestimmten Geschädigten, aktiv am Strafverfahren teilzunehmen und eigene Interessen durchzusetzen. Während die Staatsanwaltschaft objektiv ermitteln soll, agiert die Nebenklage oft mit einer eindeutigen Zielrichtung: einer möglichst harten Verurteilung des Angeklagten. Besonders problematisch wird dies, wenn der Nebenkläger durch einen Verletztenbeistand, also einen eigenen Anwalt, vertreten wird.
Doch welche Rechte hat die Nebenklage genau? Wie kann sie den Verlauf eines Strafprozesses beeinflussen? Und vor allem: Welche Verteidigungsstrategien gibt es, um den Einfluss der Nebenklage zu begrenzen?
Die Nebenklage aus Sicht der Strafverteidigung
Definition und gesetzliche Grundlagen
Die Nebenklage ist in den §§ 395 ff. der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Sie erlaubt es bestimmten Geschädigten oder deren Angehörigen, sich der Anklage der Staatsanwaltschaft anzuschließen. Ziel ist es, dem Opfer mehr Mitwirkungsmöglichkeiten im Verfahren zu geben.
Voraussetzungen für die Nebenklage
Nicht jeder Geschädigte kann sich als Nebenkläger am Verfahren beteiligen. Die Nebenklage ist nur bei bestimmten Straftaten zulässig, darunter:
- Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z. B. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch)
- Versuchter oder vollendeter Mord oder Totschlag
- Schwere Körperverletzung
- Menschenhandel, Geiselnahme oder erpresserischer Menschenraub
Zusätzlich können in bestimmten Fällen nahe Angehörige eines Opfers Nebenklage erheben, wenn das Opfer verstorben ist.

Welche Rechte hat die Nebenklage?
Die Nebenklage verleiht dem Geschädigten erhebliche prozessuale Rechte, darunter:
- Anwesenheitsrecht: Der Nebenkläger darf während der gesamten Hauptverhandlung anwesend sein, selbst wenn er als Zeuge geladen ist.
- Fragerecht: Er kann Angeklagte, Zeugen und Sachverständige befragen.
- Beweisantragsrecht: Die Nebenklage kann eigene Beweisanträge stellen, um das Verfahren in ihrem Sinne zu beeinflussen.
- Rechtsmittel: In bestimmten Fällen kann der Nebenkläger gegen Urteile Berufung oder Revision einlegen.
Rolle des Verletztenbeistands
Besonders problematisch für die Verteidigung wird es, wenn der Nebenkläger einen Verletztenbeistand, also einen eigenen Anwalt, zur Seite gestellt bekommt. Nach § 397a StPO kann einem Nebenkläger auf Staatskosten ein Anwalt beigeordnet werden, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende Tat handelt.
Dieser Anwalt kann eigenständig Beweisanträge stellen, Plädoyers halten und das Verfahren in eine für den Angeklagten nachteilige Richtung lenken. Der Verteidiger muss also nicht nur die Anklage der Staatsanwaltschaft abwehren, sondern auch gegen die oft emotionale Strategie des Nebenklagevertreters bestehen.
Nebenklage im Ermittlungsverfahren
Einfluss der Nebenklage auf die Ermittlungen
Bereits im Ermittlungsverfahren kann die Nebenklage Akteneinsicht beantragen und somit frühzeitig Einblick in den Stand der Ermittlungen erhalten. Sie kann zudem eigene Anträge stellen, um weitere belastende Beweise zu sammeln.
Für die Verteidigung bedeutet dies, dass bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens eine kritische Auseinandersetzung mit den Interessen der Nebenklage erforderlich ist.
Verteidigungsstrategien im Ermittlungsverfahren
Ein erfahrener Strafverteidiger wird prüfen, ob die Nebenklageberechtigung überhaupt gegeben ist. Falls Zweifel bestehen, kann ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenklage gestellt werden. Zudem sollten Beweisanträge der Nebenklage genau analysiert und gegebenenfalls durch Gegenanträge entkräftet werden.
Nebenklage im Hauptverfahren
Prozessuale Stellung der Nebenklage
Während der Hauptverhandlung tritt die Nebenklage als zusätzliche Anklagepartei auf. Sie kann eigene Zeugen benennen, Beweisanträge stellen und in Plädoyers ihre Sichtweise präsentieren.
Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass Nebenkläger oft emotional auftreten, um das Gericht zu beeinflussen. Gerade in Verfahren mit starkem Medieninteresse kann dies dazu führen, dass objektive Argumente der Verteidigung in den Hintergrund treten.
Verteidigungsstrategien in der Hauptverhandlung
- Antrag auf Zurückweisung der Nebenklage: Falls die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sollte die Verteidigung frühzeitig beantragen, die Nebenklage zurückzuweisen.
- Sachliche Prozessführung: Die Nebenklage wird oft versuchen, emotionale Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Der Verteidiger sollte darauf mit nüchternen, juristisch fundierten Argumenten reagieren.
- Beweisanträge der Nebenklage genau prüfen: Viele Anträge der Nebenklage dienen primär dazu, den Angeklagten zusätzlich zu belasten. Eine gründliche rechtliche Überprüfung ist daher essenziell.
Nebenklage im Revisionsverfahren
Kann die Nebenklage Revision einlegen?
Die Nebenklage kann unter bestimmten Bedingungen Revision gegen ein Urteil einlegen (§ 400 StPO). Dies ist insbesondere dann möglich, wenn der Nebenkläger durch das Urteil in seinen Rechten verletzt wurde.
Eine Nebenklage-Revision kann für den Angeklagten problematisch sein, da sie eine erneute gerichtliche Überprüfung und mögliche Verschärfung des Urteils zur Folge haben kann.

Verteidigung in der Revision
Falls eine Nebenklage-Revision droht, sollte die Verteidigung bereits in der Hauptverhandlung darauf achten, dass keine formalen Fehler gemacht werden, die der Nebenklage später eine Angriffsfläche bieten. Zudem sollte im Revisionsverfahren genau geprüft werden, ob die von der Nebenklage vorgebrachten Argumente haltbar sind.
Rechtsschutzversicherung und Nebenklage
Übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten?
Viele Angeklagte fragen sich, ob ihre Rechtsschutzversicherung die Kosten einer Nebenklage abdeckt. In der Regel ist dies jedoch nicht der Fall, da die meisten Rechtsschutzversicherungen strafrechtliche Verfahren nur bei Fahrlässigkeitsdelikten übernehmen.
Dies bedeutet, dass ein Angeklagter die Verteidigungskosten in einem Nebenklageverfahren in den meisten Fällen selbst tragen muss.
Nebenklage im Jugendstrafrecht
Besondere Regelungen im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gelten besondere Regeln für die Nebenklage (§ 80 JGG). Sie ist dort nur in Ausnahmefällen zulässig, um den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts nicht zu gefährden.
Ein Strafverteidiger sollte daher genau prüfen, ob eine Nebenklage im konkreten Fall überhaupt zulässig ist. Falls nicht, kann ein Antrag auf Zurückweisung gestellt werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
1. Kann eine Nebenklage ein Verfahren verlängern?
Ja, insbesondere durch eigene Beweisanträge oder Rechtsmittel wie Berufung oder Revision.
2. Kann eine Nebenklage von der Verteidigung verhindert werden?
Ja, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, kann ein Antrag auf Zurückweisung gestellt werden.
3. Muss der Angeklagte die Kosten der Nebenklage tragen?
Nein, in der Regel trägt der Nebenkläger die eigenen Kosten oder erhält Unterstützung durch den Staat.
4. Ist die Nebenklage auch im Jugendstrafrecht möglich?
Ja, allerdings gibt es dort strengere Voraussetzungen.
5. Wie kann ein Verteidiger gegen eine Nebenklage vorgehen?
Durch strategische Anträge, sachliche Prozessführung und gezielte Widerlegung emotionaler Argumente.