Nötigung im Straßenverkehr

Rücksichtslosigkeit, Aggressionen und Gefahren lauern auf deutschen Straßen. Neben der Missachtung von Verkehrsvorschriften können viele Handlungen strafbar sein: Drängeln, mangelnder Sicherheitsabstand oder unnötiges Hupen. Wann aus verkehrswidrigem Verhalten eine Straftat durch die „Nötigung im Straßenverkehr“ werden kann, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 13.01.2025

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Nötigung im Straßenverkehr: Eine rechtliche Analyse

Rechtsgrundlagen der Nötigung

Nötigung im Straßenverkehr ist ein Straftatbestand, der unter § 240 Strafgesetzbuch (StGB) fällt. Obwohl das Strafgesetzbuch keine eigenständige Regelung für den Straßenverkehr enthält, erfüllt ein Verhalten, das einen Verkehrsteilnehmer mittels Gewalt oder Drohung zu einem bestimmten Verhalten zwingt, den allgemeinen Tatbestand der Nötigung.

Definition nach § 240 Abs. 1 StGB:
„Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“


Tatbestand der Nötigung im Straßenverkehr

Objektiver Tatbestand

Um den Tatbestand der Nötigung im Straßenverkehr zu erfüllen, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel:
    Gewalt meint physische oder psychische Einwirkungen auf das Opfer. Drohungen sind Ankündigungen eines künftigen Übels, das der Täter beeinflussen kann.
  2. Zwang zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung:
    Das Opfer muss durch das Verhalten des Täters gezwungen worden sein, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen, was es ohne die Einwirkung des Täters nicht getan hätte.
  3. Kausalität zwischen Zwangsmittel und Verhalten des Opfers:
    Die angewandte Gewalt oder Drohung muss ursächlich dafür sein, dass das Opfer das erzwungene Verhalten zeigt.

Subjektiver Tatbestand

Der Täter muss vorsätzlich handeln. Das bedeutet, er muss wissen, dass sein Verhalten den Tatbestand der Nötigung erfüllt, und dies zumindest billigend in Kauf nehmen.

Rechtswidrigkeit und Verwerflichkeit

Das Verhalten des Täters ist nur strafbar, wenn es objektiv rechtswidrig und verwerflich ist. Ein Verhalten, das innerhalb sozialadäquater Grenzen bleibt, erfüllt diesen Tatbestand nicht.


Typische Beispiele für Nötigung im Straßenverkehr

Die rechtliche Bewertung hängt stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Beispiele, die häufig als Nötigung eingestuft werden:

  • Dichtes Auffahren: Wenn ein Fahrzeug durch bewusstes Aufblenden der Scheinwerfer oder Hupen den Vordermann zu schnellerem Fahren oder Spurwechsel drängt.
  • Plötzliches Abbremsen: Ein scharfes Bremsmanöver, um den Hintermann zu erschrecken oder zu maßregeln, stellt eine Gewaltanwendung dar.
  • Zufahren auf eine Person: Wenn ein Fahrzeugführer auf einen Fußgänger zufährt, um ihn zum Ausweichen zu zwingen.
  • Blockieren von Fahrzeugen: Das absichtliche Zuparken eines anderen Fahrzeugs, um dessen Weiterfahrt zu verhindern.


Abgrenzungen und Sonderfälle

Wann liegt keine Nötigung vor?

Nicht jedes unangemessene Verhalten im Straßenverkehr erfüllt den Tatbestand der Nötigung. Beispiele:

  • Rücksichtsloses Überholen: Solange kein Zwang ausgeübt wird, handelt es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit.
  • Kurzes Hupen: Dieses dient meist der Warnung und nicht dem Zwingen.
  • Verkehrsbedingtes Einscheren: Das Einscheren in eine Kolonne bei stockendem Verkehr ist zulässig, solange es nicht bewusst andere behindert.

Abgrenzung zur Beleidigung (§ 185 StGB):

Beleidigungen wie das Zeigen des Mittelfingers oder verbale Angriffe sind keine Nötigung, sondern Straftaten gegen die persönliche Ehre. Die Strafe hierfür fällt jedoch in der Regel geringer aus als bei Nötigung.

Weitere Straftatbestände im Straßenverkehr:

Zusätzlich zur Nötigung können folgende Straftaten erfüllt sein:

  • Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB): Wenn durch das Verhalten die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt wird.
  • Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB): Wenn durch grob rücksichtsloses Verhalten Leib oder Leben anderer konkret gefährdet werden.

Rechtsfolgen der Nötigung im Straßenverkehr

Hauptstrafen

  • Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
  • Die genaue Strafhöhe richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wie der Intensität der Tat oder etwaiger Vorstrafen des Täters.

Nebenstrafen

  • Fahrverbot (§ 44 StGB): Bis zu sechs Monate, wenn der Täter sich im Straßenverkehr als ungeeignet erwiesen hat.
  • Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB): Die Fahrerlaubnis kann für mindestens sechs Monate und bis zu fünf Jahre entzogen werden.
  • Sperrfrist (§ 69a StGB): Während der Sperrfrist darf der Täter keine neue Fahrerlaubnis beantragen.

Punkte im Fahreignungsregister

Nötigung im Straßenverkehr wird mit drei Punkten in Flensburg geahndet.


Bewertung und Strafzumessung

Gerichte beurteilen die Strafhöhe und die Nebenstrafen anhand folgender Kriterien:

  • Schwere der Tat: Wie intensiv war die Gewalt oder Drohung?
  • Dauer der Tat: Über welchen Zeitraum wurde das Opfer genötigt?
  • Umstände der Tat: Spielte sich die Nötigung in einem besonders gefährlichen Umfeld ab (z. B. Autobahn, Baustelle)?
  • Folgen für das Opfer: Hat das Verhalten Panik, Angst oder körperliche Auswirkungen wie starkes Schwitzen ausgelöst?


Verteidigungsstrategien bei Nötigungsvorwürfen

Einspruch gegen die Beweislage

Die Beweislage ist oft zentral. Typische Verteidigungsstrategien umfassen:

  • Dashcam-Aufnahmen: Prüfen, ob diese datenschutzkonform und eindeutig sind.
  • Zeugenaussagen: Klären, ob neutrale Zeugen die Darstellung des Opfers unterstützen.
  • Gutachten: Verkehrspsychologische oder technische Gutachten können entlastend wirken.

Bestreiten der Verwerflichkeit

Nicht jedes unangemessene Verhalten ist strafbar. Verteidiger argumentieren oft, dass das Verhalten des Täters sozialadäquat war oder keine Zwangswirkung auf das Opfer ausübte.

Mildernde Umstände geltend machen

  • Ersttäterstatus,
  • Handeln in einer Notsituation,
  • Fehlen einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

Fazit

Die Nötigung im Straßenverkehr ist ein schwerwiegender Vorwurf mit weitreichenden Konsequenzen. Neben Geld- oder Freiheitsstrafen drohen Fahrverbote, der Entzug der Fahrerlaubnis und Punkte in Flensburg. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen. Ein erfahrener Anwalt kann die Beweislage prüfen, mildernde Umstände geltend machen und eine angemessene Verteidigungsstrategie entwickeln.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Nötigung im Straßenverkehr

1. Ab wann gilt ein Verhalten im Straßenverkehr als Nötigung?
Ein Verhalten wird als Nötigung gewertet, wenn ein Verkehrsteilnehmer einen anderen mittels Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt (§ 240 StGB). Entscheidend ist, dass der Täter vorsätzlich handelt und das Verhalten objektiv als verwerflich eingestuft wird. Beispiele sind dichtes Auffahren, absichtliches Ausbremsen oder das Zufahren auf eine Person.


2. Ist dichtes Auffahren automatisch eine Nötigung?
Nicht immer. Dichtes Auffahren allein reicht nicht aus, um den Tatbestand der Nötigung zu erfüllen. Es muss zusätzlich ein Zwang ausgeübt werden, der das Opfer zu einem bestimmten Verhalten drängt, beispielsweise durch den Einsatz der Lichthupe oder aggressives Hupen.


3. Welche Strafen drohen bei Nötigung im Straßenverkehr?
Nötigung im Straßenverkehr wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Zusätzlich können Nebenstrafen wie ein Fahrverbot (§ 44 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) oder Punkte in Flensburg verhängt werden. Die genaue Höhe der Strafe richtet sich nach der Schwere der Tat und den Umständen des Einzelfalls.


4. Wie wird der Tatbestand der Nötigung vor Gericht bewiesen?
Die Beweislage ist häufig entscheidend. Gerichte stützen sich auf:

  • Zeugenaussagen,
  • Dashcam-Aufnahmen (unter Beachtung des Datenschutzes),
  • Gutachten, die Abstände, Geschwindigkeiten oder das Verhalten des Fahrers rekonstruieren.
    Wenn keine eindeutigen Beweise vorliegen und Aussage gegen Aussage steht, kann der Vorwurf möglicherweise nicht bewiesen werden.

5. Kann eine Dashcam als Beweismittel verwendet werden?
Ja, Dashcam-Aufnahmen sind in Deutschland grundsätzlich als Beweismittel zulässig, sofern sie datenschutzkonform erstellt wurden. Die Aufnahmen müssen den konkreten Vorfall betreffen und dürfen nicht dauerhaft aufgezeichnet werden. Ihre Zulässigkeit wird im Einzelfall geprüft.


6. Was ist der Unterschied zwischen Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr?
Nötigung zielt darauf ab, das Opfer zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen (§ 240 StGB), während Beleidigung (§ 185 StGB) die persönliche Ehre angreift, z. B. durch Gesten wie den Mittelfinger oder verbale Angriffe. Die Strafen für Beleidigung sind in der Regel geringer als bei Nötigung.


7. Welche Rolle spielt der Führerscheinentzug bei einer Verurteilung?
Bei schwerwiegenden Fällen kann das Gericht die Fahrerlaubnis entziehen (§ 69 StGB). Die Sperrfrist, in der keine neue Fahrerlaubnis beantragt werden darf, beträgt mindestens sechs Monate und kann bis zu fünf Jahre dauern. Ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten (§ 44 StGB) kann als zusätzliche Nebenstrafe verhängt werden.


8. Kann ein Fahrverbot umgangen werden?
In einigen Fällen kann ein Härtefallantrag gestellt werden, insbesondere wenn der Führerschein für den Beruf notwendig ist. Alternativ können Anwälte versuchen, das Fahrverbot durch mildernde Umstände oder eine Geldstrafe zu ersetzen.


9. Wie lange bleibt eine Verurteilung wegen Nötigung im Fahreignungsregister (Punkte in Flensburg) gespeichert?
Eintragungen wegen Nötigung bleiben in der Regel fünf Jahre im Fahreignungsregister (FAER) gespeichert. Nach Ablauf dieser Frist werden die Punkte gelöscht.


10. Wie sollte ich mich bei einem Vorwurf der Nötigung verhalten?
Bleiben Sie ruhig und vermeiden Sie es, sich selbst zu belasten. Kontaktieren Sie umgehend einen Anwalt für Verkehrsrecht. Dieser kann die Beweislage prüfen, Ihre Interessen vertreten und eine angemessene Verteidigungsstrategie entwickeln.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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