Was ist häusliche Gewalt?
Häusliche Gewalt bezeichnet körperliche, psychische oder emotionale Misshandlungen, die in engen zwischenmenschlichen Beziehungen stattfinden, typischerweise innerhalb der Familie oder in partnerschaftlichen Beziehungen. Diese Form der Gewalt kann verschiedene Formen annehmen, einschließlich körperlicher Übergriffe, verbaler Einschüchterung, emotionaler Erniedrigung, sexueller Misshandlung oder wirtschaftlicher Ausbeutung – eben alle Formen der Kontrolle und des Machtmissbrauchs.
Häusliche Gewalt betrifft Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialem Status oder kulturellem Hintergrund. Opfer häuslicher Gewalt können Frauen, Männer und Kinder sein.
Ist häusliche Gewalt strafbar?
Je nachdem wie die häusliche Gewalt ausgestaltet ist, kommen viele verschieden Straftaten in Betracht. Einige der relevanten Straftatbestände können sein:
- Körperverletzung (§ 223 StGB): Es kommt zu körperlichen Übergriffen, die die Gesundheit des Opfers schädigen – wie Schläge oder Tritte.
- Freiheitsberaubung (§ 239 StGB): Das Opfer wird zu Hause eingesperrt oder in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt.
- Nötigung (§ 240 StGB): Das Opfer wird durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer Handlung gezwungen.
- Bedrohung (§ 241 StGB): Es kommt zum Androhen von Gewalt oder anderen Übeln gegenüber dem Opfer.
- Sexueller Missbrauch (§ 177 StGB): Jegliche Form von sexuellem Missbrauch, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung innerhalb einer Beziehung.
Es ist wichtig zu beachten, dass die genaue Anwendung des Strafrechts im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt von den spezifischen Umständen abhängt. Neben strafrechtlichen Konsequenzen haben die Opfer häuslicher Gewalt auch die Möglichkeit, zivilrechtliche Schritte einzuleiten, wie beispielsweise die Stellung eines Antrags auf einstweilige Verfügung oder das Einreichen einer Schadensersatzklage.
Prägende Rechtsprechung: “Der Haustyrannenmord”
Der Haustyrannen-Fall, auch als “Haustyrannenmord” bekannt, bezieht sich auf einen Gerichtsfall in Deutschland, der vor dem Bundesgerichtshof (kurz: BGH) verhandelt und entschieden wurde (Fundstelle: BGHSt 48, 255). In diesem Fall ging es um die Frage der Rechtfertigung und Entschuldigung im Zusammenhang mit dem Mord an einem tyrannischen Ehepartner und der daraus folgenden Möglichkeit der Straffreiheit oder -milderung.
Sachverhalt
Die Angeklagte „F“ erschoss ihren schlafenden Ehemann „M“ mit dessen Revolver am 21. September 2001. Über viele Jahre hinweg hatte er sie schwer misshandelt und gedemütigt, was sie zu dieser Tat trieb. Die Gewalt begann, als sie sich in den 1980er Jahren kennenlernten und heirateten. Es kam zu regelmäßigen physischen und verbalen Misshandlungen, auch während ihrer Schwangerschaften. Die Angeklagte F versuchte mehrmals, sich von ihm zu trennen, kehrte aber aus Furcht vor seinen Nachstellungen zurück.
Die Gewalt eskalierte, als M sich als Gastwirt selbständig machte. Er schlug nicht nur die Angeklagte, sondern auch deren Töchter. Die Angeklagte ertrug die Misshandlungen aus Angst vor noch schlimmeren Konsequenzen. Sie glaubte, dass ein Selbstmord keine Lösung sei, da ihre Töchter dann schutzlos vor ihm ausgeliefert wären. Sie sah keine andere Möglichkeit, sich und ihre Töchter zu schützen, als ihren Ehemann zu töten.
Am Tattag fand sie den Revolver ihres Mannes, entschloss sich zur Tat und erschoss ihn im Schlafzimmer, während er schlief. Nach der Tat benachrichtigte sie ihre Töchter und einen Anwalt, der die Polizei rief.
Anklage
Die Angeklagte F wurde wegen heimtückischen Mordes nach § 211 StGB durch die Staatsanwaltschaft angeklagt.
Rechtliche Probleme
Wegen Mordes nach § 211 StGB macht sich derjenige strafbar, der einen anderen Menschen tötet und dabei ein vom Gesetz nach § 211 Abs. 2 StGB aufgezähltes Mordmerkmal erfüllt.
Bei dem Haustyrannenfall kam das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht, weil M während der Tatausführung schlief. Heimtückisch handelt, wer die auf der Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Absicht bewusst ausnutzt. Bei der Tatausführung schlief M, sodass dieser in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt war – er war also wehrlos. Er versah sich in diesem Moment auch keines Angriffs auf seinen Leib oder sein Leben – er war also auch arglos. F nutzte diese Arg- und Wehrlosigkeit des M bewusst aus, sodass F heimtückisch gehandelt hat.
Unstrittig liegen also die Voraussetzungen des heimtückischen Mordes durch F an M vor. Problematisch war dagegen die rechtliche Einordnung der tyrannischen Lebenssituation, in der sich F befand. Denn die Tat erfolgte nur, weil F jahrelang durch M sowohl physisch als auch psychisch misshandelt wurde.
Eine Notwehr nach § 32 StGB kam nicht in Betracht, weil kein tatsächlicher Angriff durch M in der Tatsituation vorlag – denn er schlief.
Ein Notstand nach § 34 StGB konnte ebenfalls nicht angenommen werden, weil das Leben des Opfers mit dem Leben des Täters in einer Notstandssituation nicht abgewogen werden darf.
Einen entschuldigenden Notstand nach § 35 StGB überprüfte das vorhergehende zuständige Landgericht nicht – dies rügte der BGH. Er legte dar, dass sich die Angeklagte möglicherweise in einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben befand, die nicht anders als durch die Tat abwendbar war.
Der BGH stellt fest, dass die Frage der Entschuldigung davon abhängt, ob die Gefahr anders abwendbar gewesen wäre. Es könnten andere Abwendungsmöglichkeiten, wie die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe oder der Hilfe karitativer Einrichtungen, in Betracht gezogen werden. Die Angeklagte hatte jedoch nicht versucht, sich auf diese Weise zu befreien.
Der BGH erörtert auch die Möglichkeit eines unvermeidbaren Irrtums der Angeklagten. Er argumentiert, dass selbst wenn die Gefahr anders abwendbar gewesen wäre, die Angeklagte möglicherweise irrig Umstände angenommen hat, die sie entschuldigen würden.
Schließlich erklärt der BGH, dass die Strafe im Falle eines vermeidbaren Irrtums gemildert werden könnte, und dass die Anwendung des günstigeren Strafrahmens von der Vermeidbarkeit des Irrtums abhängt. Der BGH betonte, dass die gesamte Situation der Angeklagten berücksichtigt werden muss, einschließlich der vorangegangenen Misshandlungen und Demütigungen durch ihren Mann, um die Anwendung des günstigeren Strafrahmens zu ermöglichen.
Entscheidung des BGH
Der BGH hob den Schuldspruch des Landgerichts auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer zurück (§§ 353 Abs. 1, 354 Abs. 2 StPO).
Die zuständige Strafkammer verurteilte dann die Angeklagte F wegen heimtückischen Mordes, wobei sie aufgrund außergewöhnlicher Umstände gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB milder bestraft wurde. Andere gesetzliche Strafmilderungsgründe wurden nicht berücksichtigt.