Schwerer Hausfriedensbruch

Gewalttätigkeiten im Zusammenhang mit einem Hausfriedensbruch können den Straftatbestand des „schweren Hausfriedensbruchs“ nach § 124 StGB erfüllen. Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Schwerer Hausfriedensbruch

Der Vorwurf des schweren Hausfriedensbruchs ist kein Bagatelldelikt – er greift tief in das Strafrecht ein und wird oft im Kontext von Demonstrationen, Protestaktionen oder Eskalationen innerhalb größerer Menschenansammlungen erhoben. Der betroffene Straftatbestand (§ 124 StGB) enthält eine Reihe von Tatbestandsmerkmalen, die für juristische Laien schwer zu durchdringen sind, aber im Strafverfahren entscheidend sein können. Als Strafverteidiger ist es unsere Aufgabe, die juristischen Feinheiten für Sie verständlich zu machen – und vor allem Ihre Rechte zu sichern.

Gesetzliche Grundlagen und Systematik

Der schwere Hausfriedensbruch ist im 7. Abschnitt des Strafgesetzbuches unter den „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“ verortet. Er stellt eine Qualifikation des § 123 StGB dar, was bedeutet: Der einfache Hausfriedensbruch ist die Grundlage, auf die durch zusätzliche Umstände eine verschärfte Strafe folgt.

§ 123 StGB – Der einfache Hausfriedensbruch

Voraussetzung für § 123 StGB ist das unbefugte Eindringen in eine Wohnung, Geschäftsräume oder ein befriedetes Besitztum gegen den Willen des Berechtigten. Es genügt bereits das Hineinragen eines Körperteils in die geschützte Sphäre. Auch das unbefugte Verweilen nach Aufforderung zum Gehen erfüllt den Tatbestand.

Tatobjekte:

  • Wohnungen (besonders geschützte Rückzugsräume)
  • Geschäftsräume (z. B. Kanzleien, Praxen)
  • befriedetes Besitztum (durch Umfriedung erkennbar geschütztes Gelände)

Tatmodalitäten:

  • Eindringen
  • unbefugtes Verweilen

Rechtsgut: Das Hausrecht als Ausdruck des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

§ 124 StGB – Die Qualifikation

§ 124 StGB baut auf dem Tatbestand des § 123 auf, erfordert aber eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch eine Menschenmenge, die sich mit der Absicht gewaltsamer Aktionen zusammenschließt.

Die zentrale Strafnorm lautet:

„Wer sich mit einer Menschenmenge öffentlich zusammenrottet, um mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen zu begehen, und in geschützte Räume eindringt oder daran teilnimmt, wird bestraft …“

Zusätzliche Merkmale:

  • Menschenmenge
  • Zusammenrottung
  • Absicht gemeinschaftlicher Gewalttaten
  • Eindringen in geschützte Bereiche
Schwerer Hausfriedensbruch

Tatbestandsmerkmale im Detail

Menschenmenge

Die Rechtsprechung verlangt eine Ansammlung von Personen, bei der der Einzelne nicht mehr wahrnehmbar hervorsticht – meist ab etwa 10 bis 20 Personen, wobei es auf die Gefährlichkeit der Situation ankommt, nicht auf eine fixe Anzahl.

Zusammenrottung

Dieses Merkmal verlangt eine zielgerichtete Formierung – nicht jede zufällige Menschenansammlung erfüllt diese Voraussetzung. Es muss ein gemeinsamer Wille bestehen, gegen den öffentlichen Frieden vorzugehen. Bloße Unruhe oder emotionale Erregung genügen nicht.

Absicht gemeinschaftlicher Gewalttaten

Die Gruppe muss das Ziel verfolgen, Gewalt gegen Personen oder Sachen auszuüben. Das kann von Sachbeschädigung (z. B. Fensterscheiben) bis zu Körperverletzungen reichen. Wichtig: Auch geplante, aber nicht durchgeführte Gewalt genügt, wenn die Absicht nachweisbar ist.

Teilnahme statt Täterschaft

Schon die bloße Teilnahme an der Aktion kann zur Strafbarkeit führen – auch ohne dass jemand selbst aktiv Gewalt ausübt oder in die Räume eindringt. Entscheidend ist die Mitwirkung am Gesamtgeschehen.

Subjektiver Tatbestand: Der Vorsatz

§ 124 StGB erfordert Vorsatz – das bedeutet, dass der Beschuldigte:

  1. Kenntnis von der Menschenmenge und deren Absicht haben muss,
  2. die Merkmale der Tat zumindest für möglich hält (Eventualvorsatz),
  3. sich bewusst entscheidet, daran teilzunehmen oder mitzuwirken.

Fehlt einer dieser Punkte, ist eine Verurteilung problematisch. Gerade in unübersichtlichen Situationen, etwa bei Demonstrationen, ist das ein zentraler Ansatzpunkt für die Verteidigung.

Strafrechtliche Bewertung im Kontext anderer Normen

Abgrenzung zu Landfriedensbruch (§ 125 StGB)

Der Landfriedensbruch setzt voraus, dass aus einer Menschenmenge heraus Gewalt gegen Personen oder Sachen begangen wird, wodurch der öffentliche Friede gestört wird. Im Gegensatz dazu schützt § 124 StGB primär das Hausrecht.

Entscheidend ist, ob:

  • die Tat gegen ein befriedetes Eigentum gerichtet ist → § 124 StGB,
  • oder gegen die Allgemeinheit / staatliche Einrichtungen → § 125 StGB.

In der Praxis kommen häufig Tatmehrheiten vor: Wer sich z. B. an einer gewalttätigen Demo beteiligt, bei der ein Gebäude gestürmt wird, kann nach beiden Vorschriften belangt werden.

Weitere Delikte im Umfeld

  • Nötigung (§ 240 StGB) – wenn Personen durch Gewalt oder Drohung gezwungen werden, Räume zu verlassen
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB) – wenn es zu Zerstörung oder Beschädigung von Einrichtungen kommt
  • Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Körperverletzung (§ 223 StGB) – bei Gewalt gegen Bewohner oder Ordnungskräfte

Strafmaß und Strafzumessung

§ 124 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Die genaue Höhe hängt ab von:

  • der Rolle des Täters (Anführer, Mitläufer, Rädelsführer),
  • dem Ausmaß der Gewaltbereitschaft,
  • tatsächlichen Schäden oder Verletzungen,
  • Vorstrafen und Persönlichkeitsbild des Täters.

Milderung möglich bei:

  • untergeordneter Beteiligung,
  • fehlender konkreter Gewalt,
  • kooperativem Verhalten im Verfahren.

Strafschärfung bei:

  • Planung oder Organisation der Aktion,
  • Vorliegen weiterer Delikte,
  • Wiederholungstätern.

Prozessuale Aspekte: Was sollten Beschuldigte wissen?

Aussageverweigerungsrecht

Als Beschuldigter haben Sie das Recht zu schweigen. Nutzen Sie dieses Recht unbedingt – machen Sie keine Angaben bei der Polizei ohne anwaltliche Beratung!

Beweislast

Die Staatsanwaltschaft muss alle Tatbestandsmerkmale nachweisen – insbesondere die subjektiven Elemente wie Vorsatz und Absicht. Hier bieten sich für die Verteidigung große Spielräume.

Schwerer Hausfriedensbruch

Polizeiliche Ermittlungen

Häufig werden Beweise durch:

  • Videoaufnahmen (z. B. von Überwachungskameras),
  • Zeugenaussagen,
  • Chatverläufe oder Social Media,
  • Spurenanalysen (Fingerabdrücke, DNA),

gesammelt. Ein erfahrener Anwalt prüft genau, ob diese Beweise zulässig sind oder ob Verstöße gegen Verfahrensrechte vorliegen.

Verteidigungsstrategien

  • Bestreiten der Menschenmenge / Zusammenrottung
  • Kein Vorsatz, keine Gewaltabsicht
  • Abgrenzung von anderen Beteiligten
  • Unklare Identifizierung durch Zeugen oder Kameras
  • Verfahrensverstöße (z. B. bei Hausdurchsuchung)

Praxisfall: Student bei Demo unter Verdacht

Ein Jura-Student gerät bei einer Demonstration in eine Gruppe, die ein leerstehendes Verwaltungsgebäude besetzt. Es kommt zu Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Student steht am Rande, filmt das Geschehen und ruft zur Deeskalation auf.

Ermittlung wegen schweren Hausfriedensbruchs.

Verteidigungsstrategie: Keine aktive Beteiligung, keine Absicht zur Gewalt, keine Zusammenrottung im Sinne der Vorschrift. Ergebnis: Verfahren wird mangels Tatnachweis eingestellt.

Fazit: § 124 StGB – eine scharfe Waffe des Strafrechts

Der schwere Hausfriedensbruch ist ein weitreichender Straftatbestand, der auch Unbeteiligte schnell ins Visier der Ermittlungen bringen kann. Wer unvorbereitet in ein Strafverfahren hineingerät, riskiert schwerwiegende Konsequenzen. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung ist entscheidend – nicht nur zur Aufklärung der Rechtslage, sondern auch zum Schutz vor vorschnellen Aussagen, falschen Geständnissen und unzulässigen Beweismitteln.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie kann ich mich verteidigen, wenn ich nur „anwesend“ war?
Schon die passive Teilnahme kann strafbar sein – aber nur bei nachgewiesener Vorsatzbeteiligung. Eine differenzierte Verteidigung ist hier entscheidend.

Was passiert, wenn ich zum ersten Mal auffällig werde?
In der Regel wird bei Ersttätern, die keine Gewalt angewendet haben, von einer Geldstrafe oder Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen ausgegangen.

Kann ich anonym bleiben, wenn ich Anzeige erstatte?
Als Zeuge sind Sie verpflichtet, Ihre Identität preiszugeben – anonyme Anzeigen führen nur in Ausnahmefällen zu Ermittlungen.

Muss ich vor Gericht erscheinen?
Als Beschuldigter in einem Strafverfahren in aller Regel ja – insbesondere bei einer Anklage nach § 124 StGB.

Was ist mit Jugendlichen?
Für Jugendliche (14–17 Jahre) gilt das Jugendstrafrecht, das stärker auf Erziehung abzielt. Der Tatbestand bleibt aber derselbe.