Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen – § 174a StGB

Die Strafnorm des § 174 a StGB stellt den sexuellen Missbrauch von Personen unter Strafe, soweit eine besondere Täter-Opfer-Beziehung vorliegt. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Inhalt

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer gefangenen oder auf behördliche Anordnung verwahrten Person, die ihm zur Erziehung, Ausbildung, Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch seiner Stellung vornimmt oder an sich von der gefangenen oder verwahrten Person vornehmen läßt oder die gefangene oder verwahrte Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Person, die in einer Einrichtung für kranke oder hilfsbedürftige Menschen aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, dadurch mißbraucht, daß er unter Ausnutzung der Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit dieser Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen nach § 174a StGB

Sexuelle Handlungen in Abhängigkeitsverhältnissen gelten im deutschen Strafrecht als besonders verwerflich – insbesondere, wenn sie gegenüber Menschen erfolgen, die sich in staatlicher Verwahrung oder wegen Krankheit und Hilfsbedürftigkeit in Einrichtungen befinden. § 174a StGB stellt solche Handlungen unter Strafe, wenn ein Aufsichts- oder Betreuungsverhältnis besteht und dieses ausgenutzt wird. Die Norm dient dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und der Integrität öffentlicher Institutionen.

Wen schützt § 174a StGB?

Die Vorschrift richtet sich an Menschen in stationären Einrichtungen, die sich in einem institutionellen Abhängigkeitsverhältnis befinden. Sie umfasst insbesondere:

  • Gefangene und Inhaftierte, z. B. in Untersuchungshaft, Strafvollzug oder Jugendarrest,
  • behördlich Verwahrte, etwa in Sicherungsverwahrung oder Maßregelvollzug,
  • Kranke und hilfsbedürftige Personen in Kliniken, Heimen oder Pflegeeinrichtungen.

Wer kann Täter sein?

Nur wer in einem konkreten Aufsichts-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis zu der betroffenen Person steht, kommt als Täter in Betracht. Dazu zählen unter anderem:

  • Justizvollzugsbeamte,
  • Pflegekräfte, Ärzte, Psychologen,
  • Sozialarbeiter, Therapeuten, Heimleiter.

Kein tauglicher Täter ist, wer ohne institutionelle Funktion mit der betroffenen Person zu tun hat – etwa Hausmeister, Reinigungskräfte oder einfache Besucher.

Was gilt als sexuelle Handlung?

Erfasst werden nur Handlungen mit körperlichem Kontakt – z. B. das Berühren intimer Körperstellen, Oral-, Anal- oder Vaginalverkehr oder gezieltes Küssen mit sexueller Absicht. Reine Worte, Gesten oder Blicke genügen nicht.

Wann liegt ein Ausnutzen vor?

Ein strafbarer Missbrauch liegt nur dann vor, wenn das Machtverhältnis bewusst ausgenutzt wird. Das kann durch aktive Versprechen (z. B. Hafterleichterungen) oder durch das bloße Ausnutzen der Hilflosigkeit und Abhängigkeit geschehen. Entscheidend ist nicht, ob die betroffene Person eingewilligt hat – maßgeblich ist das strukturelle Ungleichgewicht.

Beispiel aus der Praxis

Ein Psychiatriepfleger beginnt ein sexuelles Verhältnis zu einer Patientin, die unter Betreuung steht. Auch wenn beide Erwachsene sind und die Patientin einwilligt, liegt eine Straftat vor – denn der Pfleger nutzt seine Stellung in einer therapeutischen Einrichtung aus, um das Näheverhältnis zu seinen Gunsten zu verwenden.

Strafrahmen und Rechtsfolgen

Sexueller Missbrauch nach § 174a StGB wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist nicht möglich. Auch der Versuch ist strafbar. Darüber hinaus drohen:

  • Eintragung ins erweiterte Führungszeugnis,
  • Berufsverbot (§ 70 StGB),
  • Disziplinarmaßnahmen im Beamtenverhältnis,
  • Verlust der Approbation für Ärzte und Therapeuten.

Verteidigungsmöglichkeiten

Die Verteidigung prüft insbesondere:

  • Ob überhaupt ein Aufsichts- oder Betreuungsverhältnis bestand,
  • ob es sich um eine geschützte Person im Sinne des Gesetzes handelt,
  • ob ein Ausnutzen nachweisbar ist oder ob die Beziehung außerhalb des institutionellen Rahmens verlief,
  • ob es sich um einvernehmliche und gleichwertige Kontakte handelte.

Häufige Fragen zum sexuellen Missbrauch in Einrichtungen

Ist auch einvernehmlicher Sex strafbar?

Ja – wenn ein Machtverhältnis ausgenutzt wird, ist auch scheinbar freiwilliger Geschlechtsverkehr strafbar.

Was ist der Unterschied zu § 174 StGB?

§ 174 schützt Schutzbefohlene wie Kinder und Jugendliche, § 174a dagegen Erwachsene in Einrichtungen oder Verwahrungssituationen.

Was gilt als Einrichtung im Sinne des Gesetzes?

Gefängnisse, Pflegeheime, Psychiatrien, Tageskliniken oder betreute Wohneinrichtungen – nicht aber rein private Wohnungen.

Wie kann man sich gegen den Vorwurf verteidigen?

Durch Prüfung der Stellung des Täters, der Schutzbedürftigkeit des Opfers und des konkreten Zusammenhangs der sexuellen Handlung mit dem Machtverhältnis.

Anzeige erhalten?

Ein Ermittlungsverfahren wegen § 174a StGB kann schnell zum beruflichen und gesellschaftlichen Problem werden. Gerade weil in vielen Fällen Aussage gegen Aussage steht, ist eine frühe rechtliche Einschätzung durch einen Strafverteidiger unerlässlich. Nur so lassen sich Beweislücken erkennen, rechtliche Missverständnisse aufklären und die eigene Stellung schützen – noch bevor es zu einer Anklage kommt.

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