Strafvereitelung im Amt
Wer als Amtsträger die Bestrafung oder Vollstreckung einer Straftat verhindert, macht sich der „Strafvereitelung im Amt“ gem. § 258a StGB schuldig. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Die Integrität der Strafverfolgung bildet das Rückgrat des Rechtsstaats. Wird dieses Fundament durch pflichtwidriges Verhalten derer erschüttert, die für die Einhaltung von Recht und Gesetz verantwortlich sind, ist das Vertrauen der Gesellschaft in die Gerechtigkeit in Gefahr. Ein besonders sensibler Bereich ist dabei die Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen – ein Delikt, das nicht durch aktives Fehlverhalten, sondern durch das bloße Nichtstun entsteht.
In diesem Beitrag analysieren wir die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 258a StGB in Verbindung mit § 13 StGB, beleuchten die dogmatische Einordnung und grenzen die Norm zu anderen Amtsdelikten sowie zur Fahrlässigkeit ab. Abschließend zeigen wir praxisrelevante Verteidigungsstrategien auf.
Was ist Strafvereitelung im Amt?
Der Grundtatbestand: § 258 StGB – Strafvereitelung
Die allgemeine Strafvereitelung nach § 258 StGB setzt voraus:
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eine rechtswidrige Tat eines anderen,
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die Vereitelung der Bestrafung oder Vollstreckung,
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Vorsatz des Täters.
Die Qualifikation: § 258a StGB – Strafvereitelung im Amt
§ 258a StGB ist eine Qualifikation und richtet sich gezielt an Amtsträger. Der erhöhte Strafrahmen reflektiert das besondere Unrecht, das entsteht, wenn sich gerade der Staat selbst – durch seine Vertreter – dem Strafanspruch entzieht.
Geschütztes Rechtsgut
Geschützt wird die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege – also die staatliche Pflicht, das materielle Strafrecht effektiv durchzusetzen.
Unterlassen im Sinne von § 13 StGB
Gleichstellung mit aktivem Tun
Nach § 13 StGB kann ein Unterlassen einem aktiven Tun gleichgestellt sein, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Diese sogenannte Garantenstellung ergibt sich für Amtsträger regelmäßig aus dem Gesetz (Legalitätsprinzip), dem Dienstrecht und spezialgesetzlichen Vorschriften.
Pflichten typischer Amtsträger
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Polizeibeamte: Ermittlungen einleiten bei Anfangsverdacht (§ 163 StPO)
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Staatsanwälte: Anklage bei hinreichendem Tatverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO)
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Justizvollzugsbeamte: Sicherstellung der Strafvollstreckung
Ein Unterlassen ist strafbar, wenn der Amtsträger durch pflichtwidriges Nichtstun die Strafverfolgung verhindert – und dies vorsätzlich geschieht.
Subjektive Voraussetzungen
Vorsatz
Erforderlich ist Vorsatz, wobei bereits Eventualvorsatz genügt. Das bedeutet: Der Täter muss erkennen, dass sein Unterlassen zur Strafvereitelung führt, und dies billigend in Kauf nehmen.
Irrtum
Ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) – z. B. über die Existenz eines Anfangsverdachts – kann die Schuld entfallen lassen, nicht jedoch ein rechtlicher Bewertungsirrtum (§ 17 StGB), der nur unter engen Voraussetzungen entschuldigt werden kann.
Versuch ist strafbar
Nach § 258a Abs. 2 StGB ist auch der Versuch strafbar. Bereits das konkrete Ansetzen zur Vereitelung – etwa durch das Zurückhalten von Akten – kann den Straftatbestand erfüllen.
Kein Strafantrag erforderlich
Bei der Strafvereitelung im Amt handelt es sich um ein Offizialdelikt. Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln.
Strafrahmen und Sanktionen
Strafandrohung
Der Strafrahmen beträgt:
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im Regelfall: Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren,
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im minder schweren Fall: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren (§ 258a Abs. 3 StGB).
Dienstrechtliche Konsequenzen
Neben der strafrechtlichen Ahndung drohen:
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Disziplinarverfahren
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Suspendierung vom Dienst
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Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
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Verlust von Pensionsansprüchen
Abgrenzungen
Zur Rechtsbeugung (§ 339 StGB)
Rechtsbeugung betrifft Entscheidungen im Kernbereich richterlicher oder staatsanwaltlicher Tätigkeit, während Strafvereitelung im Amt auf das Verfahrensverhalten gerichtet ist – insbesondere bei pflichtwidriger Untätigkeit.
Zur Begünstigung (§ 257 StGB)
Die Begünstigung betrifft Dritte, während § 258a StGB ausschließlich Amtsträger betrifft, die institutionell zur Strafverfolgung berufen sind.
Verteidigungsstrategien
Effektive Verteidigungsansätze:
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Fehlende Garantenstellung: Keine Pflicht zum Handeln
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Fehlender Vorsatz: Irrtum über Sachverhalt oder rechtliche Lage
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Keine Kausalität: Die Strafverfolgung wäre ohnehin nicht erfolgt
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Ermessensspielräume: Anwendung des Opportunitätsprinzips (§§ 153 ff. StPO)
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Dokumentationslücken: Mangelhafte Ermittlung des Pflichtverstoßes
Fallbeispiele
Beispiel 1: Untätiger Polizeibeamter
Ein Polizist beobachtet die Körperverletzung eines Demonstranten durch Kollegen und meldet dies nicht – obwohl er dienstlich anwesend war. Hier liegt ein klassischer Fall pflichtwidrigen Unterlassens vor.
Beispiel 2: Staatsanwalt und Parteikollege
Ein Staatsanwalt unterlässt die Anklage gegen ein Parteimitglied trotz erdrückender Beweislage. Auch hier steht die Frage der Strafvereitelung durch Unterlassen im Raum.
Fazit
Die Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen stellt einen massiven Angriff auf das Vertrauen in den Rechtsstaat dar. Wer im Dienst des Gesetzes steht, trägt eine besondere Verantwortung – und unterliegt einer besonderen Kontrolle.
Gleichzeitig darf nicht vorschnell von einer Straftat gesprochen werden: Viele Konstellationen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Pflicht, Ermessensspielraum und institutioneller Praxis. Umso entscheidender ist eine differenzierte und fundierte Verteidigung.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Wann ist Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen strafbar?
Wenn ein Amtsträger seine gesetzliche Pflicht zur Strafverfolgung oder Vollstreckung vorsätzlich verletzt und dadurch die Durchsetzung des Strafanspruchs des Staates verhindert.
Welche Rolle spielt § 13 StGB?
Er ermöglicht es, pflichtwidriges Unterlassen mit aktivem Tun gleichzustellen, wenn eine Garantenstellung (z. B. durch das Amt) besteht.
Kann man sich auch bei Fahrlässigkeit strafbar machen?
Nein. § 258a StGB erfordert Vorsatz. Fahrlässiges Unterlassen ist nicht strafbar.
Welche Strafe droht konkret?
Im Regelfall Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren. In minder schweren Fällen auch Geldstrafe möglich.
Wie kann man sich als Beschuldigter verteidigen?
Durch den Nachweis fehlender Handlungspflicht, fehlenden Vorsatzes, rechtmäßiger Ermessensausübung oder Verfahrensfehler.