Straflosigkeit nach § 20 StGB
Der Täter handelt ohne Schuld, wenn er zum Tatzeitpunkt wegen einer seelischen Störung schuldunfähig ist. Das Gesetz erfasst unter den Begriff der „seelischen Störung“ folgende vier Fallgruppen.
Eine krankhafte seelische Störung (Var. 1) ist eine Störung auf intellektuellem oder emotionalem Gebiet, die nicht mehr im Rahmen verstehbarer Erlebniszusammenhänge liegt und auf organischen Ursachen beruht. Eine Vermutung der organischen Ursache ist dabei ausreichend. Solche Störungen sind beispielsweise Demenz, Epilepsie, exogene Psychosen durch Wahnvorstellungen und Halluzinationen, Schizophrenie, durch Tumore oder Hirnschädigungen ausgelöste Paranoia, akuter Alkoholrausch sowie Drogenabhängigkeit und dessen Rausch. Darüber hinaus sind intellektuelle Minderbegabungen erfasst, wenn sie auf einer organischen Ursache beruhen, wie das Down-Syndrom oder das Klinefelter-Syndrom.
Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung (Var. 2) liegt bei einer nicht krankhaften Trübung oder Einengung des Bewusstseins vor. Hierzu zählen Erschöpfungszustände, Übermüdung, Schlaftrunkenheit, Hypnose oder ein Unfallschock.
Bei einer Intelligenzminderung (Var. 3) handelt es sich um eine angeborene Intelligenzschwäche, die auf keiner nachweisbaren Ursache beruht. Diese Minderung kann beispielsweise rechnerisch durch einen Intelligenztest in Form einer Intelligenzquote festgestellt werden. Dazu ist mindestens die Stufe „Debilität“ (IQ zwischen 50 und 70) erforderlich.
Eine andere schwere seelische Störung (Var. 4) liegt bei allen dauerhaften und erheblichen Normabweichungen vor, die keiner anderen Fallgruppe zugeschrieben werden kann. Es handelt sich hierbei um einen Auffangtatbestand unter strengen Voraussetzungen. Insbesondere schwerste Erscheinungsformen der Psychopathien, der Neurosen und der persönlichkeitsverändernden Triebstörungen zählen hier hinzu. Auch Narzissmus und Depressionen können solche Störungen sein.
„Verminderte Schuldfähigkeit“: § 21 StGB
Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB
Nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird die Strafe zwar nicht ausgeschlossen, aber nach gerichtlichem Ermessen gemindert, wenn die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täter nach § 20 StGB nicht ausgeschlossen, aber erheblich eingeschränkt ist.
Eine verminderte Schuldfähigkeit liegt demnach vor, wenn der Täter in seiner Einsichtsfähigkeit bzw. in seiner Steuerungsfähigkeit durch bestimmte Einflüsse im Tatzeitpunkt erheblich gemindert bzw. eingeschränkt ist.
Beispiele verminderter Schuldunfähigkeit:
- Krafthafte seelische Störung / psychische Erkrankungen (Persönlichkeitsstörungen wie Schizophrenie, Paranoia)
- Angeborene Intelligenzschwäche (niedriger IQ)
- depressive Phasen / (wahnhafte) Depressionen
- Störungen der Impulskontrolle
- Erschöpfungszustände
- Konsum von Alkohol / Alkoholmissbrauch (Schnaps, Liköre, Wein)
- Konsum von Drogen / Drogenmissbrauch (Heroin, Kokain, Crack, Halluzinogene, Haschisch, Marihuana, LSD)
Sonderfall: Alkoholmissbrauch
Der Alkoholrausch stellt den Hauptanwendungsfall des § 20 StGB dar. Da der Alkoholrausch zu einer Beeinträchtigung der Hirntätigkeit führt, liegt nach herrschender Ansicht eine krankhafte seelische Störung vor. Ob diese zu einer Beeinträchtigung des Einsichts- bzw. Steuerungsvermögens des Täters führt, hängt vom Einzelfall ab.
Neben dem Körperbau des Täters und dessen Verhalten sind die Alkoholgewöhnung und Schwere der Tat entscheidende Kriterien. Daneben gilt in der Praxis eine Abstufung je nach Blutalkoholkonzentration des Täters zum Tatzeitpunkt. Eine Schuldunfähigkeit des Täters kommt erst bei 3,0 Promille in Betracht. Bei schweren Tötungs- und Gewaltdelikten sogar erst ab 3,3 Promille. Hat der Täter eine Blutalkoholkonzentration von über 2 Promille, so kommt eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB in Betracht.
Problematisch sind die Fälle, bei denen sich der Täter absichtlich mit alkoholischen Getränken berauscht, um bei der Tat als schuldunfähig zu gelten und so einer Bestrafung zu entgehen. Es kommt hierbei darauf an, um welche Art von Straftat es sich handeln und an welche Tathandlung des Täters angeknüpft werden kann bzw. muss. Bei diesem Konstrukt des sog. „actio libera in causa“ ist ein erfahrener juristischer Beistand von Nöten.