Der Vorwurf eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ist keine Bagatelle. Bereits einfache Handlungen wie Anspucken oder Schubsen können gravierende Konsequenzen nach sich ziehen. Was genau ein solcher Angriff ist, welche Strafen drohen und wie sich Betroffene verteidigen können, erfahren Sie in diesem ausführlichen Leitfaden.
Was ist ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte?
Ein tätlicher Angriff bezeichnet die vorsätzliche körperliche Einwirkung auf einen Vollstreckungsbeamten. Er fällt unter § 114 StGB und unterscheidet sich von anderen Straftaten wie Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB).
Rechtliche Grundlagen
Nach § 114 StGB macht sich strafbar, wer in feindlicher Absicht körperlich auf einen Beamten einwirkt, der sich im Dienst befindet. Entscheidend ist, dass die Handlung auf den Körper des Beamten zielt – unabhängig davon, ob diese erfolgreich war oder nicht.
Wann ist ein tätlicher Angriff strafbar?
Damit ein Vorwurf nach § 114 StGB gerechtfertigt ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Tatobjekt: Amtsträger oder gleichgestellte Personen
Der Angriff muss sich gegen eine Person richten, die eine hoheitliche Aufgabe wahrnimmt. Dazu zählen:
- Polizeibeamte
- Gerichtsvollzieher
- Feldjäger
- Rettungskräfte und Feuerwehrleute (gemäß § 115 StGB).
Auch Soldaten der Bundeswehr können Tatopfer sein, wenn sie hoheitliche Aufgaben ausüben.
2. Tatsituation: Diensthandlung
Die Tat muss während einer dienstlichen Handlung des Beamten stattfinden. Dies umfasst nicht nur Vollstreckungsmaßnahmen wie Verhaftungen, sondern auch allgemeine Tätigkeiten im Dienst, etwa die Verkehrsregelung oder Unfallaufnahme.
Im Gegensatz zum § 113 StGB (Widerstand) ist kein Bezug zu einer spezifischen Maßnahme erforderlich. Der tätliche Angriff genügt, solange der Beamte in seiner Funktion tätig ist.
3. Tathandlung: Feindliche körperliche Einwirkung
Ein tätlicher Angriff liegt vor, wenn der Täter unmittelbar auf den Körper des Beamten einwirkt. Beispiele sind:
- Schläge, Tritte, Stöße oder Schubsen
- Werfen von Gegenständen wie Flaschen, Steinen oder anderen Objekten
- Anspucken, Anhusten oder Anniesen.
Selbst das bloße Ausholen zum Schlag kann als tätlicher Angriff gewertet werden.
4. Rechtmäßigkeit der Diensthandlung
Die Handlung des Beamten muss rechtmäßig sein, insbesondere bei Vollstreckungsmaßnahmen. Dies ist der Fall, wenn der Beamte zuständig handelt, die wesentlichen Formalitäten einhält und pflichtgemäß entscheidet.
5. Vorsatz des Täters
Der Täter muss vorsätzlich handeln. Das bedeutet, er muss wissen und wollen, dass seine Handlung einen tätlichen Angriff darstellt. Es reicht jedoch aus, wenn er die Möglichkeit eines solchen Angriffs billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz).
Welche Strafen drohen bei einem tätlichen Angriff?
Grundtatbestand nach § 114 Abs. 1 StGB
Der Grundtatbestand wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet. Eine Geldstrafe ist ausgeschlossen.
Besonders schwere Fälle
In besonders schweren Fällen erhöht sich das Strafmaß auf sechs Monate bis zu fünf Jahre (§ 114 Abs. 2 StGB). Solche Fälle liegen vor, wenn:
- der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet,
- das Opfer schwer verletzt wird,
- Lebensgefahr für den Beamten besteht.
Offizialdelikt
Ein tätlicher Angriff wird von Amts wegen verfolgt. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen, sobald sie Kenntnis von der Tat erhält.
Unterschied: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vs. tätlicher Angriff
Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB zielt darauf ab, eine konkrete Maßnahme zu behindern, während der tätliche Angriff weiter gefasst ist.
- Widerstand (§ 113 StGB): Der Täter wendet Gewalt an oder droht mit Gewalt, um eine Vollstreckung zu verhindern.
- Tätlicher Angriff (§ 114 StGB): Hier richtet sich die Gewalt direkt gegen den Körper des Beamten, unabhängig von einer spezifischen Vollstreckungsmaßnahme.
Ein tätlicher Angriff umfasst daher bereits Handlungen, die ohne unmittelbaren Bezug zu einer Vollstreckung erfolgen, etwa bei einer routinemäßigen Verkehrskontrolle.
Verteidigungsstrategien bei Vorwürfen eines tätlichen Angriffs
Wenn Ihnen ein tätlicher Angriff vorgeworfen wird, ist eine frühzeitige Verteidigung entscheidend. Mögliche Ansätze umfassen:
1. Prüfung der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung
War die Handlung des Beamten rechtmäßig? Wenn der Beamte unbefugt oder unverhältnismäßig handelte, kann dies eine Verteidigung begründen.
2. Fehlen des Vorsatzes
Lässt sich nachweisen, dass keine feindliche Absicht vorlag, kann dies den Vorwurf entkräften.
3. Notwehr oder Nothilfe
Falls der Angriff eine Reaktion auf unverhältnismäßige Gewalt durch den Beamten war, kann der Tatbestand entfallen.
4. Beweislücken und Zeugenwidersprüche
Widersprüche in Zeugenaussagen oder unklare Beweislagen können eine Verurteilung verhindern.
Beispiele aus der Praxis: Wann wird ein tätlicher Angriff strafrechtlich relevant?
- Fall 1: Anspucken bei Verkehrskontrolle
Ein Autofahrer spuckt einem Polizisten ins Gesicht. Trotz fehlender Verletzung gilt dies als tätlicher Angriff, da die Handlung eine feindliche körperliche Einwirkung darstellt. - Fall 2: Schubsen eines Beamten bei einer Demonstration
Ein Teilnehmer schubst einen Beamten, um sich durch eine Sperre zu bewegen. Dies wird als tätlicher Angriff gewertet, selbst wenn keine Verletzung entsteht. - Fall 3: Angriff unter Alkoholeinfluss
Ein alkoholisierter Täter schlägt während einer Streife einem Beamten ins Gesicht. Hier wird geprüft, ob der Alkohol die Schuldfähigkeit mindert.
Fazit: Was tun, wenn Sie beschuldigt werden?
Ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist ein schwerwiegender Vorwurf mit hohen Strafen. Eine frühzeitige juristische Beratung ist unverzichtbar. Ein erfahrener Strafverteidiger kann die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung prüfen, Beweismaterial analysieren und eine passende Verteidigungsstrategie entwickeln.
Je nach Fall kann der Vorwurf abgemildert oder vollständig entkräftet werden. Das Ziel ist immer, das bestmögliche Ergebnis für den Beschuldigten zu erzielen.
FAQs zum tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte
1. Was zählt als tätlicher Angriff?
Jede feindliche, körperliche Einwirkung auf einen Beamten, etwa Schläge, Tritte oder Anspucken.
2. Was ist der Unterschied zwischen Widerstand und tätlichem Angriff?
Widerstand zielt auf die Verhinderung einer Vollstreckung, während ein tätlicher Angriff den Beamten direkt körperlich betrifft.
3. Welche Strafe droht bei einem tätlichen Angriff?
Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen ab sechs Monaten.
4. Kann Alkohol strafmildernd wirken?
Ja, bei erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Dies muss jedoch nachgewiesen werden.
5. Wie kann man sich verteidigen?
Eine Verteidigung ist möglich durch Prüfung der Diensthandlung, Nachweis fehlenden Vorsatzes oder Berufung auf Notwehr.