Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte
Insbesondere Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt immer mehr zu. Die strafrechtliche Ahndung von Handlungen, bei der physische Gewalt oder Bedrohung gegen Personen ausgeübt wird, die in ihrer offiziellen Funktion als Vollstreckungsbeamte tätig sind, erfolgt nach § 114 Strafgesetzbuch (StGB).
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist eine Straftat, die in Deutschland mit besonderer Strenge verfolgt wird. Die Einführung des § 114 StGB im Jahr 2017 markierte einen Wendepunkt in der Strafverfolgung von Gewalt gegen Polizeibeamte, Rettungskräfte und andere Amtsträger. Ziel dieser Gesetzesverschärfung war es, den Schutz hoheitlich tätiger Personen zu stärken und ein klares Signal gegen zunehmende Angriffe zu setzen. Doch was genau versteht man unter einem tätlichen Angriff? Welche Strafen drohen, und welche rechtlichen Feinheiten sind zu beachten? Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, typische Fallbeispiele und Abgrenzungen zu anderen Straftatbeständen.
Rechtliche Grundlagen: Was ist ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte?
Die gesetzliche Grundlage: § 114 StGB
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist in § 114 StGB geregelt. Diese Norm stellt jede körperliche Einwirkung auf eine hoheitlich tätige Person unter Strafe, wenn diese mit feindseliger Absicht erfolgt.
Die wichtigsten Merkmale von § 114 StGB:
- Angriffshandlung: Jede körperliche Einwirkung auf den Beamten, die in feindlicher Absicht vorgenommen wird.
- Feindselige Absicht: Es genügt, dass der Täter bewusst gegen den Körper des Beamten einwirkt. Eine Verletzungsabsicht ist nicht erforderlich.
- Dienstliche Tätigkeit: Der Angriff muss während der Ausführung hoheitlicher Aufgaben erfolgen.
Besonders hervorzuheben ist, dass der Tatbestand des tätlichen Angriffs weiter gefasst ist als andere Straftaten wie Widerstand (§ 113 StGB) oder Körperverletzung (§ 223 StGB). Schon der Versuch eines tätlichen Angriffs ist strafbar, unabhängig davon, ob die Handlung erfolgreich ist oder nicht.
Tatbestandsmerkmale von § 114 StGB im Detail
- Tätliche Handlung
Der Begriff „tätlich“ umfasst jede Form der körperlichen Einwirkung, unabhängig von ihrer Intensität oder den verursachten Folgen.- Beispiele:
- Ein Täter spuckt einen Polizisten während einer Verkehrskontrolle an.
- Ein Demonstrant stößt einen Beamten zur Seite, um weiterzukommen.
- Ein Angreifer wirft eine Flasche, die den Beamten jedoch nicht trifft.
- Beispiele:
- Geschützte Personen
§ 114 StGB schützt nicht nur klassische Vollstreckungsbeamte wie Polizisten, sondern auch:- Rettungskräfte: Sanitäter, Notärzte, Feuerwehrleute.
- Soldaten: Wenn sie im Rahmen von hoheitlichen Aufgaben eingesetzt werden, z. B. bei Katastropheneinsätzen.
- Gerichtsvollzieher: Wenn sie im Rahmen ihrer Vollstreckungstätigkeit handeln.
Auch private Personen, die von Beamten zur Unterstützung herangezogen werden, wie z. B. Sicherheitskräfte, sind geschützt.
- Dienstliche Tätigkeit
Der Angriff muss während der Ausführung hoheitlicher Aufgaben erfolgen. Dazu zählen:- Kontrollen, Verhaftungen, Durchsuchungen.
- Verkehrsregelung, Unfallaufnahme oder allgemeine Schutzmaßnahmen.
Ein Angriff außerhalb des Dienstes, z. B. in der Freizeit des Beamten, erfüllt diesen Tatbestand nicht.
- Vorsatz
Der Täter muss mit Vorsatz handeln. Es genügt, dass er die Möglichkeit eines tätlichen Angriffs erkennt und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz). Fahrlässige Handlungen, wie ein versehentliches Anstoßen, sind nicht erfasst.
Besonders schwere Fälle: § 114 Abs. 2 StGB
In besonders schweren Fällen sieht § 114 Abs. 2 StGB ein erhöhtes Strafmaß vor. Die Mindestfreiheitsstrafe beträgt in solchen Fällen sechs Monate. Diese Regelung greift, wenn:
- der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führt,
- der Angriff mit erheblicher Brutalität oder unter Inkaufnahme von Lebensgefahr erfolgt,
- die Tat gemeinschaftlich mit anderen Tätern verübt wird.
Beispiele:
- Ein Demonstrant wirft während einer Kundgebung einen Stein auf einen Polizisten, der schwer am Kopf verletzt wird.
- Zwei Personen greifen einen Beamten an und stoßen ihn zu Boden, wobei sie ihm gezielt gegen den Kopf treten.
Unterschiede zu anderen Straftatbeständen
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte umfasst Handlungen, die darauf abzielen, eine hoheitliche Maßnahme zu behindern oder zu verhindern. Dabei kann der Täter Gewalt anwenden oder mit Gewalt drohen.
Unterschied zu § 114 StGB:
- Widerstand (§ 113 StGB): Ziel ist die Behinderung der Maßnahme.
- Tätlicher Angriff (§ 114 StGB): Hier steht die körperliche Einwirkung auf den Beamten selbst im Fokus.
Beispiel:
- Ein Täter stößt einen Polizisten weg, um sich einer Festnahme zu entziehen (Widerstand).
- Der Täter schlägt den Beamten während der Maßnahme ins Gesicht (tätlicher Angriff).
Körperverletzung (§ 223 StGB)
Körperverletzung nach § 223 StGB erfasst Verletzungen, die jeder Person zugefügt werden können. Der Unterschied zu § 114 StGB besteht darin, dass bei einem tätlichen Angriff keine Verletzung notwendig ist – es genügt eine feindselige körperliche Einwirkung.
Beispiel:
- Ein Täter wirft einen Gegenstand auf einen Beamten, ohne ihn zu treffen – tätlicher Angriff (§ 114 StGB).
- Der Gegenstand trifft den Beamten und verletzt ihn – Körperverletzung (§ 223 StGB).
Typische Situationen aus der Praxis
Anspucken: Eine vermeintliche Bagatelle mit ernsten Folgen
Anspucken wird von Gerichten regelmäßig als tätlicher Angriff gewertet. Selbst wenn der Speichel den Beamten nicht trifft, erfüllt bereits die Handlung an sich den Tatbestand. Gerichte werten dies als schwerwiegende Missachtung der Würde des Beamten.
Beispiel:
Ein Autofahrer spuckt während einer Kontrolle auf die Uniform eines Polizisten. Obwohl der Speichel nicht den Körper berührt, liegt ein tätlicher Angriff vor.
Angriffe bei Demonstrationen und Großveranstaltungen
Demonstrationen, Fußballspiele und ähnliche Veranstaltungen bergen ein hohes Risiko für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Typische Szenarien umfassen:
- Werfen von Flaschen oder Steinen auf Polizisten.
- Körperliche Angriffe, wie Schubsen oder Schlagen, während eines Polizeieinsatzes.
Angriffe unter Alkoholeinfluss
Viele Angriffe geschehen im alkoholisierten Zustand. Dabei stellt sich die Frage, ob Alkohol die Strafbarkeit beeinflusst. Grundsätzlich gilt:
- Alkoholisierung schützt nicht vor Strafe.
- Bei einer Blutalkoholkonzentration über 2,0 Promille kann jedoch verminderte Schuldfähigkeit geltend gemacht werden.
Beispiel:
Ein Mann mit 1,8 Promille schlägt während einer Festnahme einen Polizisten. Da er noch in der Lage ist, das Unrecht seiner Tat zu erkennen, bleibt die Schuldfähigkeit bestehen.
Strafen und langfristige Folgen
Grundstrafmaß
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Erhöhtes Strafmaß bei besonders schweren Fällen
In schweren Fällen beträgt die Mindeststrafe sechs Monate Freiheitsentzug.
Langfristige Konsequenzen
Neben den direkten Strafen hat eine Verurteilung oft gravierende Auswirkungen auf das Leben des Beschuldigten:
- Führungszeugnis: Eintrag, der berufliche Perspektiven einschränken kann.
- Berufliche Nachteile: Besonders in Berufen mit hohen Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit (z. B. Beamte, Sicherheitskräfte) droht der Verlust des Arbeitsplatzes.
- Zivilrechtliche Klagen: Opfer können Schadensersatz oder Schmerzensgeld geltend machen.
Fazit
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist ein schwerwiegender Straftatbestand mit erheblichen Konsequenzen. Bereits scheinbar geringfügige Handlungen wie ein Schubser oder Anspucken können zu empfindlichen Strafen führen. Der Gesetzgeber hat bewusst strenge Regelungen geschaffen, um hoheitlich tätige Personen zu schützen. Doch nicht jede Anschuldigung führt zwangsläufig zu einer Verurteilung. Die genauen Umstände des Einzelfalls spielen eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Bewertung.
FAQs: Häufig gestellte Fragen
1. Was ist ein tätlicher Angriff?
Jede feindselige, körperliche Einwirkung auf einen Vollstreckungsbeamten während seiner Diensttätigkeit.
2. Welche Strafe droht?
Mindestens drei Monate Freiheitsstrafe, in schweren Fällen mindestens sechs Monate.
3. Ist Anspucken strafbar?
Ja, das Anspucken eines Beamten erfüllt den Tatbestand des tätlichen Angriffs nach § 114 StGB.
4. Was ist der Unterschied zwischen Widerstand und tätlichem Angriff?
Widerstand zielt auf die Verhinderung einer Maßnahme, tätlicher Angriff auf die körperliche Einwirkung auf den Beamten.
5. Kann Alkohol die Strafe mildern?
Nur bei sehr hoher Alkoholisierung (über 2,0 Promille) kann verminderte Schuldfähigkeit geltend gemacht werden.