Vorladung als Zeuge

Im Strafverfahren spielt der Zeuge eine wesentliche Rolle. Oftmals ist er das einzige Beweismittel. Doch auch der Zeuge hat nicht nur Pflichten, sondern auch viele Rechte. Diese zu kennen, ist besonders wichtig, um nicht später selbst in den Status als Beschuldigter „aufzusteigen“. Der folgende Beitrag klärt Sie über diese auf.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 07.01.2025

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Wer ist Zeuge?


Ein Zeuge ist jede Person, die Aussagen über Wahrnehmungen von Tatsachen machen kann, sofern das Verfahren nicht gegen sie selbst gerichtet ist. Zeugen spielen im Strafverfahren eine entscheidende Rolle. In vielen Fällen sind sie das wichtigste Beweismittel für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, um den Tatnachweis zu führen.

Zeugenaussagen können sowohl belastend als auch entlastend sein. Es gibt Verfahren, in denen sich der gesamte Vorwurf gegen den Beschuldigten ausschließlich auf die Aussage eines Zeugen stützt. Daher tragen Zeugen eine gewichtige staatsbürgerliche Verantwortung, zur Aufklärung von Straftaten beizutragen.

Die Situation ist oft unproblematisch, wenn Zeugen neutral sind und lediglich Beobachtungen schildern. Problematisch wird es jedoch, wenn sie gegen Bekannte oder gar Familienmitglieder aussagen sollen. In solchen Fällen können sie sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) oder das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) berufen.


Muss der Zeuge zur Polizei?


Die Pflicht, bei einer polizeilichen Vorladung zu erscheinen, hängt von einem wichtigen Detail ab:

  • Nach § 163 Abs. 3 StPO sind Zeugen verpflichtet, einer polizeilichen Ladung nachzukommen, wenn die Vorladung auf einem Auftrag der Staatsanwaltschaft beruht.
  • Liegt ein solcher Auftrag nicht vor, besteht keine Erscheinungspflicht.

Erfolgt die Vorladung jedoch auf staatsanwaltschaftlichen Auftrag und der Zeuge bleibt unentschuldigt fern, kann er zwangsweise vorgeführt werden.


Ladung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht

Wer von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht vorgeladen wird, ist verpflichtet, zu erscheinen und auszusagen – es sei denn, er kann sich auf ein Zeugnisverweigerungs- oder Auskunftsverweigerungsrecht berufen.

Bleibt ein Zeuge ohne Entschuldigung oder Nachweis fern, drohen empfindliche Maßnahmen:

  • Zwangsvorführung: Der Zeuge wird von der Polizei zum Termin gebracht.
  • Verhaftung: In seltenen Fällen kann sogar die Verhaftung angeordnet werden.

Darf ein Zeuge lügen?


Zeugen sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Falschaussagen können je nach Situation unterschiedliche Konsequenzen haben:

  • Bei der Polizei: Eine falsche Aussage bei der Polizei wird nicht als Meineid oder falsche uneidliche Aussage (§§ 153 ff. StGB) geahndet, da die Polizei keine eidliche Vernehmungsinstanz ist.
  • Andere Straftatbestände: Es können dennoch andere Delikte wie Begünstigung, falsche Verdächtigung oder Strafvereitelung in Betracht kommen.

Vor Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft haben falsche Aussagen schwerwiegendere Folgen, da diese Stellen zur eidlichen Vernehmung berechtigt sind.



Wann besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht?


Das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) schützt Zeugen davor, gegen nahe Angehörige aussagen zu müssen. Dieses Recht gilt, wenn ein enges persönliches oder familiäres Verhältnis zwischen dem Zeugen und dem Beschuldigten besteht. Es umfasst:

  • Ehepartner (auch geschiedene Ehen)
  • Verlobte
  • Lebenspartner (auch ehemalige Partnerschaften)
  • Verwandte in gerader Linie (z. B. Eltern, Kinder, Enkel, Großeltern)
  • Geschwister
  • Stiefverwandte (z. B. Stiefkinder, Stiefeltern)

Ausgenommen vom Zeugnisverweigerungsrecht sind jedoch:

  • Cousins und Cousinen
  • Pflegeeltern und Vormünder

Das Recht soll verhindern, dass Zeugen gegen ihre Familie aussagen müssen, wodurch familiäre Beziehungen geschützt werden.


Wann besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht?


Das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) greift, wenn der Zeuge sich durch die Beantwortung einer Frage selbst belasten würde. Niemand ist verpflichtet, sich selbst oder Angehörige der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen.

Dieses Recht ist besonders weitreichend:

  • Bereits die Möglichkeit, dass eine Antwort mittelbar Verdachtsmomente schafft, genügt.
  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der sogenannten Mosaiktheorie festgelegt, dass schon einzelne Antworten ein „mosaikartiges Beweisgebäude“ stützen können, das einen Anfangsverdacht begründet.

Beispiel: Wenn ein Zeuge gefragt wird, ob er zur Tatzeit am Tatort war, und diese Angabe ihn in den Verdacht einer Mittäterschaft bringt, darf er die Antwort verweigern.



Praktische Beispiele: Wann Aussageverweigerungsrechte wichtig sind


  1. Fall A: Aussage gegen den Bruder
    Ein Zeuge wird vorgeladen, weil er seinen Bruder bei einer vermeintlichen Straftat beobachtet haben soll. Hier kann er das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) nutzen, um keine belastenden Aussagen gegen seinen Bruder machen zu müssen.
  2. Fall B: Selbstbelastung durch Aussage
    Ein Zeuge wird gefragt, ob er zur Tatzeit am Tatort war. Da diese Information ihn selbst belasten könnte, greift das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO).
  3. Fall C: Aussage als Hauptbelastungszeuge
    Ein Zeuge ist der Hauptbelastungszeuge in einem Verfahren. Seine Aussage könnte entscheidend sein, um den Beschuldigten zu verurteilen. Hierbei ist es besonders wichtig, dass der Zeuge seine Wahrnehmungen sachlich und wahrheitsgemäß schildert.

Weitere Tipps für Zeugen

Vorbereitung auf die Aussage


  • Klären Sie Ihre Rechte: Prüfen Sie vorab, ob Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechte bestehen.
  • Sammeln Sie Fakten: Rekapitulieren Sie, was Sie wahrgenommen haben, und bereiten Sie sich gedanklich darauf vor, Ihre Beobachtungen klar zu schildern.
  • Anwaltliche Beratung: Wenn Sie unsicher sind, ziehen Sie einen Rechtsanwalt hinzu, um Fehler zu vermeiden.

Verhalten während der Vernehmung


  • Antworten Sie nur auf die gestellten Fragen.
  • Spekulieren oder mutmaßen Sie nicht.
  • Vermeiden Sie es, von der Polizei oder anderen Stellen zu emotionalen oder voreiligen Aussagen gedrängt zu werden.

Fazit: Rechte wahren, Pflichten erfüllen


Zeugen spielen eine zentrale Rolle in rechtlichen Verfahren. Ihr Beitrag kann entscheidend sein, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Gleichzeitig haben Sie Rechte, die Sie schützen, insbesondere in Situationen, die eine familiäre Bindung oder eine Selbstbelastung betreffen.

Eine sorgfältige Vorbereitung und das Wissen um Ihre Rechte helfen Ihnen, souverän mit der Situation umzugehen. Zögern Sie nicht, sich bei Unsicherheiten anwaltlich beraten zu lassen.


FAQs


1. Was ist der Unterschied zwischen einem Zeugen und einem Beschuldigten?
Ein Zeuge ist eine Person, die Beobachtungen oder Wahrnehmungen schildert, die für ein Verfahren relevant sind. Der Zeuge ist weder Ziel der Ermittlungen noch Gegenstand der Anklage. Ein Beschuldigter hingegen ist derjenige, gegen den sich das Verfahren richtet. Wichtig: Ein Zeuge kann während einer Aussage zum Beschuldigten werden, wenn sich Anhaltspunkte für seine eigene Beteiligung ergeben.

2. Was passiert, wenn ich trotz staatsanwaltschaftlicher Vorladung nicht erscheine?
Wenn Sie einer staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Vorladung unentschuldigt fernbleiben, drohen folgende Maßnahmen:

  • Ordnungsgeld
  • Zwangsvorführung durch die Polizei
  • Übernahme der dadurch entstehenden Kosten

Um dies zu vermeiden, sollten Sie rechtzeitig Bescheid geben und bei Verhinderung einen Nachweis (z. B. Attest, Reiseunterlagen) einreichen.

3. Kann ich als Zeuge die Aussage verweigern, wenn ich mich unsicher fühle?
Unsicherheit allein ist kein Grund, die Aussage zu verweigern. Es gibt jedoch rechtliche Schutzmechanismen wie das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO) und das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO). Diese greifen, wenn Sie gegen nahe Angehörige aussagen sollen oder sich selbst durch die Aussage belasten könnten.

4. Habe ich Anspruch auf Entschädigung für meinen Zeitaufwand?
Ja, Zeugen können für ihre Zeit entschädigt werden:

  • Fahrtkosten: Erstattung für die An- und Abreise.
  • Verdienstausfall: Pauschale Entschädigung für finanzielle Einbußen.
  • Tagesentschädigung: Für den Zeitaufwand gibt es oft eine pauschale Erstattung.

Die genauen Regelungen hängen von der Behörde ab, bei der Sie aussagen. Der Antrag sollte zeitnah gestellt werden.

5. Was sollte ich tun, wenn ich während der Aussage Druck verspüre?
Es kann vorkommen, dass Zeugen während einer Vernehmung unter Druck gesetzt werden. In solchen Fällen gilt:

  • Bleiben Sie ruhig: Lassen Sie sich nicht zu voreiligen oder unüberlegten Aussagen verleiten.
  • Berufen Sie sich auf Ihre Rechte: Verweisen Sie auf Ihr Aussage- oder Auskunftsverweigerungsrecht, wenn Sie sich unsicher fühlen.
  • Unterbrechen Sie die Aussage: Sie haben das Recht, die Vernehmung zu pausieren und rechtlichen Beistand hinzuzuziehen.

6. Was passiert, wenn ich als Zeuge lüge?
Eine falsche Aussage kann schwerwiegende Konsequenzen haben:

  • Bei Polizei: Hier gelten keine Strafen wegen Meineids oder uneidlicher Aussage, aber Delikte wie falsche Verdächtigung oder Strafvereitelung können geahndet werden.
  • Vor Gericht: Eine bewusste Falschaussage vor Gericht kann als uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB) oder Meineid (§ 154 StGB) mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft werden.

7. Was mache ich, wenn ich mich als Zeuge unsicher fühle?
Wenn Sie unsicher sind, wie Sie sich verhalten sollen oder welche Rechte und Pflichten Sie haben, sollten Sie:

  • Einen Anwalt kontaktieren: Ein Strafverteidiger kann Ihre Situation bewerten und Ihnen raten, wie Sie vorgehen sollten.
  • Nichts überstürzen: Geben Sie keine vorschnellen Aussagen ab.
  • Ihre Rechte prüfen: Klären Sie, ob Sie zur Aussage verpflichtet sind oder ob Aussageverweigerungsrechte greifen.

8. Muss ich als Zeuge einem Anwalt oder der Polizei Akteneinsicht geben?
Zeugen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht. Sie können jedoch über einen Anwalt die relevanten Teile der Akte einsehen lassen, die Ihre Aussage betreffen. Die Polizei darf von Ihnen nicht verlangen, dass Sie Einsicht in Akten gewähren.

9. Kann ich die Aussage verweigern, wenn ich mich bedroht fühle?
Droht Ihnen Gefahr durch Ihre Aussage, können Sie auf Zeugenschutzprogramme hinweisen. Die Aussageverweigerung ist jedoch in solchen Fällen nicht automatisch erlaubt. Die zuständigen Behörden können Schutzmaßnahmen wie Anonymisierung oder Polizeischutz anbieten.

10. Was passiert, wenn ich während der Aussage zum Beschuldigten werde?
Falls sich im Verlauf der Vernehmung Hinweise auf eine eigene Beteiligung ergeben, müssen die Ermittler Sie über Ihren veränderten Status als Beschuldigter informieren. Ab diesem Zeitpunkt:

  • Endet die Aussagepflicht: Als Beschuldigter dürfen Sie schweigen.
  • Haben Sie Anspruch auf einen Anwalt: Ziehen Sie umgehend juristischen Beistand hinzu.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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