Containern: Strafbarer Diebstahl?

Containern, der Protest gegen Lebensmittelverschwendung durch das Retten weggeworfener Lebensmittel, ist in Deutschland strafbar. Doch die Debatte um Recht, Moral und Nachhaltigkeit nimmt zu. Dieser Artikel erklärt die Hintergründe, rechtlichen Aspekte und Alternativen.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 08.12.2024

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Unter „Containern“ – auch bekannt als „Mülltauchen“, „Dumpster Diving“ oder „Lebensmittel retten“ – versteht man die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Müllcontainern, häufig auf dem Gelände von Supermärkten. Dabei geht es nicht nur um Bedürftigkeit. Die Mehrheit der Containern-Aktivisten setzt sich gezielt gegen Lebensmittelverschwendung ein.

In Deutschland werden jährlich mehrere Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel entsorgt. Oft handelt es sich um Produkte mit kleinen Mängeln, wie Druckstellen, Überschüsse oder Waren, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, jedoch noch einwandfrei genießbar sind. Dies wirft ethische, rechtliche und ökologische Fragen auf.

Rechtliche Grundlagen: Ist Containern legal?

Diebstahl und Eigentumsrecht

Containern gilt in Deutschland rechtlich als Diebstahl, da Müll weiterhin als Eigentum des ursprünglichen Besitzers betrachtet wird. Nach § 242 StGB macht sich strafbar, wer fremdes Eigentum ohne Erlaubnis entwendet. Das Eigentumsrecht endet nicht automatisch, sobald Lebensmittel in den Müll gelangen – insbesondere dann, wenn die Mülltonnen auf privatem oder gesichertem Gelände stehen.

Weitere Straftatbestände

Neben Diebstahl können beim Containern auch andere Straftatbestände greifen:

  • Hausfriedensbruch (§ 123 StGB): Das Betreten von Supermarktgeländen außerhalb der Öffnungszeiten oder gesicherter Bereiche wird häufig als Hausfriedensbruch eingestuft.
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB): Das Aufbrechen von verschlossenen Müllcontainern kann als Sachbeschädigung geahndet werden.

 

Die Rolle der Besitzaufgabe

Es wird kontrovers diskutiert, ob Müll als „herrenlos“ gilt und somit nicht mehr im Eigentum des ursprünglichen Besitzers steht. Gerichte entscheiden hier meist zugunsten des Eigentümers, vor allem wenn Supermärkte für die ordnungsgemäße Entsorgung haften und Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben.

Warum ist Containern verboten?

Gesetzliche Begründungen

  • Eigentumsrecht: Lebensmittel bleiben Eigentum des Supermarktes, bis sie ordnungsgemäß entsorgt wurden.
  • Haftungsrisiken: Falls jemand durch konsumierte, weggeworfene Lebensmittel Schaden nimmt, könnte der Supermarkt haftbar gemacht werden.
  • Hygienevorschriften: Strenge Regelungen stellen sicher, dass nur einwandfreie Lebensmittel in den Verkehr gelangen.

 

Urteile und prominente Fälle

Ein aufsehenerregender Fall betraf zwei Studentinnen in Fürstenfeldbruck. Sie wurden wegen Diebstahls verurteilt, nachdem sie Lebensmittel aus einem verschlossenen Container entnommen hatten. Das Gericht sprach lediglich eine Verwarnung aus, aber die Strafe von 225 Euro blieb vorbehalten. Dieses Urteil hat die Debatte um Containern erneut befeuert, da viele die Strafen als unverhältnismäßig empfinden.

Ethik und Moral: Die Diskussion ums Containern

Lebensmittelverschwendung vs. Rechtssystem

Die moralische Diskussion dreht sich um die Frage, ob das Eigentumsrecht den Wegfall genießbarer Lebensmittel rechtfertigt. Aktivisten argumentieren, dass die Vernichtung von Lebensmitteln angesichts von Hunger und Klimakrise nicht akzeptabel ist.

Gesellschaftliche und politische Initiativen

Politische Akteure wie Cem Özdemir und Marco Buschmann setzen sich für eine Reform ein. Ihr Vorschlag sieht vor, das Containern nur bei gleichzeitiger Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch zu ahnden. Ob dieser Vorstoß von der Politik umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Kann Containern sicher und legal gestaltet werden?

Reformvorschläge

Ein Ansatz könnte die Schaffung „Containern-freundlicher Zonen“ oder eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe überschüssiger Lebensmittel sein. Frankreich zeigt, dass eine verpflichtende Spende an gemeinnützige Organisationen praktikabel ist.

Alternativen zum Containern

Apps wie „Too Good To Go“ oder Plattformen wie „Foodsharing“ bieten die Möglichkeit, Lebensmittel direkt von Unternehmen oder Privatpersonen zu retten, ohne rechtliche Grauzonen zu betreten.

Die Zukunft des Containerns

Gesetzeslage im Wandel

Obwohl Containern derzeit strafbar bleibt, wächst der gesellschaftliche Druck auf die Politik, das Thema neu zu bewerten. Eine Entkriminalisierung, ähnlich wie in Frankreich, könnte einen Paradigmenwechsel einleiten.

Gesellschaftliche Perspektiven

Immer mehr Menschen sehen im Containern nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch einen Protest gegen eine verschwenderische Konsumgesellschaft. Es bleibt abzuwarten, ob die Gesetzgebung sich dieser Haltung anpassen wird.

Fazit: Containern – zwischen Illegalität und Moral

Containern steht im Spannungsfeld zwischen rechtlicher Strafbarkeit und moralischer Verantwortung. Es zeigt die Konflikte auf, die entstehen, wenn Ressourcenverschwendung auf strikte Eigentumsrechte trifft. Eine nachhaltige Lösung erfordert gesellschaftlichen und politischen Willen.

 

FAQs


  1. Warum ist Containern strafbar?
    Weggeworfene Lebensmittel bleiben Eigentum des Supermarktes und können juristisch als Diebstahl betrachtet werden.

  2. Wird Containern immer strafrechtlich verfolgt?
    In vielen Fällen werden Strafverfahren eingestellt, jedoch nicht immer, wie prominente Urteile zeigen.

  3. Gibt es Länder, in denen Containern erlaubt ist?
    Ja, Frankreich hat strenge Gesetze gegen Lebensmittelverschwendung und ermöglicht Alternativen.

  4. Welche Risiken birgt Containern?
    Neben rechtlichen Konsequenzen besteht das Risiko, verdorbene Lebensmittel zu konsumieren.

  5. Welche Alternativen gibt es?
    Foodsharing-Initiativen und Apps wie „Too Good To Go“ bieten legale Wege zur Lebensmittelrettung.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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