Widerruf der Bewährung
Ein Bewährungswiderruf kann schwerwiegende Folgen haben – von der Vollstreckung der ursprünglich ausgesetzten Freiheitsstrafe bis hin zu weiteren strafrechtlichen Konsequenzen. Doch unter welchen Voraussetzungen kann eine Bewährung widerrufen werden? Welche Rolle spielen neue Straftaten oder Verstöße gegen Auflagen? Und welche Verteidigungsstrategien gibt es, um den Widerruf zu verhindern?

Eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe stellt für viele Verurteilte eine zweite Chance dar. Doch diese Chance ist an Bedingungen geknüpft. Verstöße gegen Auflagen oder das Begehen neuer Straftaten können dazu führen, dass die Bewährung widerrufen wird – mit der Folge, dass die ursprünglich ausgesetzte Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Doch unter welchen Voraussetzungen erfolgt ein Widerruf der Bewährung? Gibt es Verteidigungsstrategien? Und was passiert, wenn die Bewährungszeit bereits abgelaufen ist? Dieser Artikel liefert Ihnen umfassende Antworten auf diese Fragen.
Rechtliche Grundlagen der Bewährung
Definition und Zweck der Bewährung
Die Bewährung ermöglicht es Verurteilten, eine Freiheitsstrafe nicht unmittelbar antreten zu müssen. Stattdessen können sie sich unter Auflagen und unter der Aufsicht eines Bewährungshelfers in der Gesellschaft bewähren. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Resozialisierung zu fördern und eine erneute Straffälligkeit zu verhindern.
Gesetzliche Regelungen: § 56f StGB und relevante Bestimmungen der StPO
Der Widerruf der Bewährung ist in § 56f StGB geregelt. Demnach kann eine Bewährung widerrufen werden, wenn der Verurteilte:
- während der Bewährungszeit eine neue Straftat begeht,
- gegen Auflagen oder Weisungen grob oder beharrlich verstößt oder
- sich der Aufsicht und Betreuung durch den Bewährungshelfer entzieht.
Die Strafprozessordnung (StPO) regelt das konkrete Verfahren eines Widerrufs und die Rechte des Verurteilten im Prozess.

Voraussetzungen für den Widerruf der Bewährung
Begehung einer neuen Straftat während der Bewährungszeit
Die häufigste Ursache für einen Bewährungswiderruf ist die Begehung einer neuen Straftat. In diesem Fall geht das Gericht davon aus, dass die ursprüngliche Strafaussetzung auf einer falschen Prognose beruhte. Die Frage, ob tatsächlich ein Widerruf erfolgt, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Schwere der neuen Straftat
- Zusammenhang zwischen der alten und der neuen Tat
- Gesamtumstände des Falls
Bei schwerwiegenden Delikten (z. B. Gewalt- oder Betrugsdelikten) ist die Wahrscheinlichkeit eines Widerrufs hoch. Bei geringfügigen Vergehen kann das Gericht von einem Widerruf absehen und stattdessen die Bewährungszeit verlängern oder neue Auflagen erteilen.
Verstöße gegen Auflagen und Weisungen
Nicht jeder Auflagenverstoß führt sofort zum Widerruf. Entscheidend ist, ob es sich um eine grobe oder beharrliche Missachtung handelt. Beispiele für relevante Verstöße sind:
- wiederholte Nichtmeldung beim Bewährungshelfer
- Verstöße gegen Kontaktverbote
- Unterlassene Zahlung von Geldauflagen
In der Praxis wird erst bei mehrfachen oder erheblichen Verstößen ein Widerruf geprüft.
Das Verfahren des Bewährungswiderrufs
Einleitung des Verfahrens: Der Antrag
Ein Bewährungswiderruf wird in der Regel durch einen Antrag der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Dieser Antrag wird gestellt, wenn Verstöße oder neue Straftaten bekannt werden.
Ablauf des gerichtlichen Verfahrens
Das Gericht setzt eine Anhörung an, bei der der Verurteilte die Möglichkeit hat, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Das Gericht prüft:
- die Schwere und Häufigkeit des Verstoßes,
- die Gesamtumstände des Verurteilten (z. B. soziale Situation, Reue),
- mögliche Alternativen zum Widerruf.
Nach der Anhörung entscheidet das Gericht, ob die Bewährung widerrufen, verlängert oder unter geänderten Auflagen fortgeführt wird.
Rechte des Verurteilten im Widerrufsverfahren
Der Verurteilte hat das Recht auf:
- eine Anhörung vor dem Gericht,
- anwaltliche Vertretung,
- Akteneinsicht und Stellungnahme.
Falls ein Widerruf erfolgt, kann dagegen ein Rechtsmittel (Beschwerde oder Revision) eingelegt werden.
Mögliche Konsequenzen eines Bewährungswiderrufs
Vollstreckung der ursprünglich ausgesetzten Strafe
Wird die Bewährung widerrufen, bedeutet das in der Regel, dass der Verurteilte die ursprünglich ausgesetzte Freiheitsstrafe antreten muss.
Weitere strafrechtliche Folgen
Neben dem Freiheitsentzug kann ein Widerruf der Bewährung weitere negative Konsequenzen haben:
- Nachteilige Prognose für zukünftige Bewährungsanträge
- Einschränkungen bei Haftlockerungen oder vorzeitiger Entlassung
- Verschlechterung der Sozialprognose in späteren Verfahren
Verteidigungsstrategien gegen den Bewährungswiderruf
Bedeutung der anwaltlichen Vertretung
Ein erfahrener Strafverteidiger kann entscheidend dazu beitragen, einen Bewährungswiderruf zu verhindern. Wichtige Verteidigungsstrategien sind:
- Nachweis, dass ein Verstoß nicht schwerwiegend oder absichtlich war
- Darlegung einer positiven Sozialprognose
- Vorschlag alternativer Maßnahmen (z. B. Auflagenanpassung)
Möglichkeiten der Bewährungszeitverlängerung oder Modifikation von Auflagen
In vielen Fällen kann durch eine geschickte Argumentation eine Verlängerung der Bewährungszeit oder eine Änderung der Auflagen erreicht werden, sodass der Verurteilte eine zweite Chance erhält.
Besonderheiten: Widerruf der Bewährung nach Ablauf der Bewährungszeit
Rechtliche Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung
Grundsätzlich endet die Bewährung mit Ablauf der Bewährungszeit. Ein nachträglicher Widerruf ist nur möglich, wenn:
- eine neue Straftat vor Ablauf der Bewährungszeit begangen wurde,
- das Widerrufsverfahren zeitnah danach eingeleitet wurde.
Gerichte müssen prüfen, ob eine nachträgliche Sanktion verhältnismäßig ist.
Praktische Auswirkungen für den Verurteilten
Wer glaubt, nach Ablauf der Bewährungszeit völlig sicher zu sein, irrt. Bestehen Zweifel an der rechtzeitigen Verfahrenseinleitung, sollte ein Strafverteidiger prüfen, ob ein Widerruf noch zulässig ist.

Präventive Maßnahmen zur Vermeidung eines Bewährungswiderrufs
Einhaltung von Auflagen und Weisungen
Der sicherste Weg, eine Bewährung erfolgreich zu beenden, ist die strikte Einhaltung aller Vorschriften.
Regelmäßiger Kontakt mit dem Bewährungshelfer
Ein kooperativer und offener Umgang mit dem Bewährungshelfer kann Probleme frühzeitig klären und das Risiko eines Widerrufs verringern.
Strategien zur Vermeidung neuer Straftaten
Betroffene sollten aktiv an ihrer Resozialisierung arbeiten, z. B. durch Therapieangebote, Schulungen oder soziale Unterstützung.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
1. Kann eine Bewährung nachträglich widerrufen werden?
Ja, aber nur, wenn die Gründe für den Widerruf bereits während der Bewährungszeit eingetreten sind.
2. Welche Rolle spielt der Bewährungshelfer?
Der Bewährungshelfer überwacht die Einhaltung der Auflagen und gibt dem Gericht eine Einschätzung zur Sozialprognose.
3. Kann ich gegen den Widerruf der Bewährung vorgehen?
Ja, es besteht die Möglichkeit, Rechtsmittel wie Beschwerde oder Revision einzulegen.
4. Was passiert, wenn ich einen einzelnen Termin beim Bewährungshelfer verpasse?
Ein einmaliges Versäumnis führt in der Regel nicht zum Widerruf, wiederholte Verstöße jedoch schon.
5. Welche Alternativen gibt es zum Widerruf der Bewährung?
Das Gericht kann die Bewährungszeit verlängern oder neue Auflagen erlassen, anstatt die Bewährung zu widerrufen.
Fazit
Der Widerruf der Bewährung ist keine automatische Folge eines Verstoßes. Wer frühzeitig reagiert, rechtlichen Beistand sucht und Auflagen ernst nimmt, kann seine Bewährung erfolgreich beenden.