Verletzung der Unterhaltspflicht
Unter bestimmten Voraussetzungen ist man in Deutschland dazu verpflichtet, Unterhalt zu zahlen. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt (sog. „Unterhaltspflichtverletzung“), macht sich nach § 170 StGB strafbar. Welche Ausnahmen es von dieser Norm gibt und welche Strafen drohen können, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Die „Verletzung der Unterhaltspflicht“ liegt vor, wenn eine Person, die gesetzlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, diese Pflicht vorsätzlich verletzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zahlung vollständig unterlassen oder durch Handlungen wie bewusste Arbeitsaufgabe unmöglich gemacht wird.
In Deutschland wird dieser Tatbestand durch § 170 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Ziel der Norm ist es, sowohl den Unterhaltsberechtigten vor wirtschaftlicher Not als auch die Allgemeinheit vor der unberechtigten Belastung durch Sozialleistungen zu schützen.
Wann ist die „Verletzung der Unterhaltspflicht“ strafbar?
Ziel des Straftatbestandes
Der Gesetzgeber verfolgt mit § 170 StGB zwei zentrale Ziele:
- Den Schutz des gesetzlichen Unterhaltsberechtigten vor finanzieller Gefährdung.
- Die Entlastung der Allgemeinheit, indem verhindert wird, dass Sozialhilfeträger für die fehlenden Unterhaltszahlungen aufkommen müssen.
Voraussetzungen der Strafbarkeit
Damit eine Strafbarkeit nach § 170 StGB eintritt, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
1. Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht
Grundlage der Strafbarkeit ist das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Diese Pflichten sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und gelten insbesondere:
- gegenüber minderjährigen Kindern,
- gegenüber bedürftigen volljährigen Kindern, die sich in Ausbildung befinden,
- gegenüber Ehepartnern (sowohl während der Ehe als auch nach Trennung oder Scheidung).
Die Höhe und Dauer des Unterhalts richten sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Gerichtlich festgelegte Beträge, beispielsweise anhand der Düsseldorfer Tabelle, spielen hierbei eine zentrale Rolle.
Beispiel:
Ein Vater wird vom Familiengericht verpflichtet, 500 Euro monatlich für seine minderjährige Tochter zu zahlen. Über mehrere Monate hinweg bleibt die Zahlung vollständig aus, obwohl der Vater über ein regelmäßiges Einkommen verfügt. Hier besteht eindeutig eine gesetzliche Unterhaltspflicht, die verletzt wurde.
2. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners
Ein wesentlicher Aspekt im Strafrecht ist die Leistungsfähigkeit des Schuldners. Niemand kann zu etwas gezwungen werden, das er objektiv nicht leisten kann.
Prüfung der Leistungsfähigkeit
Im Strafverfahren wird geprüft, ob der Unterhaltsschuldner tatsächlich in der Lage war, seiner Verpflichtung nachzukommen. Folgende Punkte spielen dabei eine Rolle:
- Einkünfte: regelmäßiges Gehalt, Einnahmen aus Vermietung oder Kapitalerträgen.
- Weitere Verpflichtungen: Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen oder hohe Fixkosten.
- Lebensunterhalt des Schuldners: Der Unterhaltsschuldner darf einen Mindestbetrag zur Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts behalten.
Erzielbare Einkünfte
Es reicht nicht aus, lediglich auf bestehende Einkommensquellen zu verweisen. Der Unterhaltsschuldner muss sich aktiv bemühen, seine Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Arbeitsaufgabe, bewusste Reduktion des Einkommens oder eine unzureichende Suche nach Beschäftigung können strafrechtlich relevant sein.
Beispiel:
Ein Schuldner kündigt seinen Job ohne triftigen Grund, um weniger Unterhalt zahlen zu müssen. Das Gericht wertet diese Handlung als bewusste Einschränkung der Leistungsfähigkeit und damit als strafbar.
3. Verletzung der Unterhaltspflicht
Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist die zentrale Tathandlung. Diese liegt vor, wenn der Unterhaltsschuldner:
- Zahlungen vollständig oder teilweise unterlässt,
- durch Arbeitsaufgabe die Zahlung unmöglich macht,
- Vermögenswerte so verschiebt, dass die Unterhaltspflicht nicht erfüllt werden kann.
Gefährdung des Lebensbedarfs
Die Nichtzahlung muss den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährden. Dies liegt vor, wenn die betroffene Person ohne die Zahlung des Unterhalts nicht ausreichend versorgt ist oder auf Sozialleistungen angewiesen ist.
Beispiele:
- Nichtzahlung trotz ausreichender Mittel:
Ein Vater zahlt mehrere Monate keinen Unterhalt für seine minderjährige Tochter. Die Mutter beantragt daraufhin Sozialleistungen, da sie den Bedarf des Kindes nicht alleine decken kann. - Verschleierung von Einkommen:
Ein Unterhaltspflichtiger arbeitet in einem Nebenjob schwarz, um sein offizielles Einkommen zu verschleiern. Er erklärt, dass er nicht leistungsfähig sei, obwohl er tatsächlich genügend Einkommen hat.
4. Vorsatz
Die Strafbarkeit erfordert Vorsatz. Der Unterhaltsschuldner muss die Pflichtverletzung absichtlich oder wissentlich herbeigeführt haben.
Eventualvorsatz
Es reicht aus, dass der Schuldner die Tat billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz).
Beispiel:
Ein Mann weiß, dass er trotz seiner Einkünfte nicht genügend Unterhalt zahlt, und akzeptiert, dass die Mutter seines Kindes auf Sozialleistungen angewiesen ist.
Besondere Fälle der Unterhaltspflichtverletzung
Vorenthalten von Schwangerschaftsunterhalt
§ 170 Abs. 2 StGB regelt eine besondere Form der Unterhaltspflichtverletzung: das Vorenthalten von Unterhalt gegenüber einer schwangeren Frau, wenn dies zu einem Schwangerschaftsabbruch führt.
Schwierigkeiten in der Praxis
Dieser Tatbestand wird selten angewendet, da die Kausalität – also der Zusammenhang zwischen der Nichtzahlung und dem Abbruch der Schwangerschaft – schwer nachzuweisen ist.
Beispiel:
Ein Mann zahlt keinen Unterhalt an seine schwangere Ex-Partnerin. Aufgrund finanzieller Not entscheidet sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Die Verknüpfung dieser Ereignisse ist jedoch kaum zu beweisen, weshalb dieser Tatbestand in der Praxis selten verurteilt wird.
Strafrahmen und Strafen
Strafrahmen nach § 170 StGB
- Absatz 1: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
- Absatz 2 (Schwangerschaftsunterhalt): Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
Strafzumessung
Die Höhe der Strafe hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Der Höhe des vorenthaltenen Unterhalts.
- Der Dauer der Pflichtverletzung.
- Den Folgen für den Unterhaltsberechtigten (z. B. finanzielle Not, Sozialleistungsbezug).
Beispiele:
- Höhere Strafe:
Ein Vater verschleiert über mehrere Jahre hinweg seine tatsächlichen Einkünfte, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Die Mutter des Kindes ist gezwungen, Sozialleistungen zu beantragen, und der Lebensstandard des Kindes sinkt erheblich. - Mildere Strafe:
Ein Schuldner zahlt über drei Monate keinen Unterhalt, begleicht jedoch die Rückstände vor Beginn des Strafverfahrens vollständig.
Praktische Beispiele aus der Rechtsprechung
1. Schwarzarbeit und Unterhaltspflicht
Ein Unterhaltsschuldner meldet sich arbeitslos, obwohl er weiterhin als Handwerker schwarz arbeitet und dadurch ein Einkommen erzielt, das er nicht angibt. Da er bewusst seine Einkünfte verschleiert und keinerlei Unterhalt zahlt, wird er zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
2. Arbeitsaufgabe ohne triftigen Grund
Ein Vater kündigt seinen sicheren Arbeitsplatz, um sich selbstständig zu machen. Seine Einkünfte sinken erheblich, und er zahlt keinen Unterhalt mehr. Das Gericht sieht hierin eine selbstverschuldete Leistungsunfähigkeit und verurteilt ihn zu einer Geldstrafe.
3. Wiedergutmachung der Rückstände
Ein Mann, der sechs Monate lang keinen Unterhalt für sein Kind gezahlt hat, begleicht die Rückstände vollständig, bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. In diesem Fall entscheidet das Gericht, die Strafe auf eine geringe Geldstrafe zu reduzieren.
Fazit
Die Verletzung der Unterhaltspflicht kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben, sowohl für den Schuldner als auch für den Unterhaltsberechtigten. Wer vorsätzlich handelt und Unterhalt nicht zahlt, riskiert Geld- oder Freiheitsstrafen. Besonders problematisch sind Fälle, in denen der Schuldner seine Einkommenslage bewusst verschleiert oder selbst verschuldet verschlechtert.
Eine frühzeitige Klärung der Unterhaltspflichten und rechtzeitige Zahlungen können nicht nur rechtliche Probleme verhindern, sondern auch das Verhältnis zu den Unterhaltsberechtigten verbessern.
FAQs
1. Was droht bei Verletzung der Unterhaltspflicht?
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. In schweren Fällen (z. B. Schwangerschaftsunterhalt) bis zu fünf Jahren.
2. Was ist, wenn ich nichts von meiner Unterhaltspflicht weiß?
Unkenntnis über die Unterhaltspflicht schließt den Vorsatz aus, sodass keine Strafbarkeit vorliegt.
3. Kann ein Gericht die Einkünfte des Schuldners schätzen?
Ja, im Rahmen des Strafverfahrens dürfen Sozialdaten abgefragt und Einkünfte geschätzt werden.
4. Ist die Verletzung der Unterhaltspflicht ein Offizialdelikt?
Ja, die Strafverfolgung erfolgt von Amts wegen.
5. Kann eine Rückzahlung die Strafe reduzieren?
Ja, die Begleichung von Rückständen wirkt in der Regel strafmildernd.