Auslandstaten, §§ 3 ff. StGB
Im deutschen Strafrecht spielen Auslandstaten eine bedeutende Rolle – insbesondere in Bezug auf die Frage der Strafbarkeit und der Zuständigkeit deutscher Gerichte. Die Thematik bezieht sich auf Straftaten, die außerhalb der deutschen Grenzen begangen wurden, jedoch Auswirkungen auf das deutsche Rechtssystem haben können. Im folgenden Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte rund um das Thema „Auslandsstraftaten“.

In einer globalisierten Welt finden Straftaten nicht mehr nur innerhalb eines Landes statt. Kriminelle Handlungen können sich über Ländergrenzen erstrecken, Täter und Opfer können unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben, und die Auswirkungen einer Tat können in mehreren Ländern spürbar sein. Doch wann kann ein deutscher Staatsbürger für eine Tat im Ausland nach deutschem Recht verfolgt werden?
Das deutsche Strafrecht folgt grundsätzlich dem Territorialitätsprinzip, wonach nur Straftaten verfolgt werden, die im Inland begangen wurden. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen, die die Strafverfolgung von Auslandstaten ermöglichen. Die relevanten gesetzlichen Grundlagen sind in den §§ 3–9 StGB geregelt. Diese Vorschriften bestimmen, unter welchen Voraussetzungen deutsche Gerichte auch für Taten im Ausland zuständig sind.
In diesem Artikel erfahren Sie, welche Prinzipien die Strafverfolgung von Auslandstaten bestimmen, welche Sonderregelungen gelten und welche Herausforderungen in der Praxis auftreten.
Grundsatz: Geltung des deutschen Strafrechts (§ 3 StGB)
Nach § 3 StGB gilt deutsches Strafrecht grundsätzlich nur für Taten, die im Inland begangen wurden. Das bedeutet, dass deutsche Gerichte vorrangig für Straftaten zuständig sind, die innerhalb Deutschlands stattfinden.
Allerdings gibt es wichtige Ausnahmen, die eine Strafverfolgung von Auslandstaten unter bestimmten Bedingungen ermöglichen. Die §§ 4–9 StGB erweitern die Reichweite des deutschen Strafrechts auf bestimmte Fälle mit Auslandsbezug.
Die Frage der Zuständigkeit deutscher Gerichte hängt dabei immer von einem Anknüpfungspunkt zum deutschen Rechtsraum ab.
Ausnahmen: Wann gilt deutsches Strafrecht für Auslandstaten?
1. Tatortprinzip: Straftaten auf deutschen Schiffen und Flugzeugen (§ 4 StGB)
Das deutsche Strafrecht gilt nicht nur für Straftaten, die physisch innerhalb Deutschlands begangen werden, sondern auch für Straftaten, die auf Schiffen oder Luftfahrzeugen unter deutscher Flagge stattfinden.
Beispiel:
Ein deutscher Staatsbürger begeht auf einem Kreuzfahrtschiff, das unter deutscher Flagge fährt, einen Diebstahl. Obwohl sich das Schiff in internationalen Gewässern befindet, bleibt deutsches Strafrecht anwendbar.
Praxisrelevanz:
Diese Regelung ist besonders wichtig für die Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie, da sich Flugzeuge und Schiffe oft außerhalb der Landesgrenzen bewegen.

2. Schutzprinzip: Straftaten gegen deutsche Rechtsgüter (§ 5 StGB)
Das Schutzprinzip besagt, dass deutsches Strafrecht auf Auslandstaten angewendet werden kann, wenn sie spezielle deutsche Rechtsgüter gefährden. Dazu gehören insbesondere:
- Hoch- und Landesverrat (§ 5 Nr. 1 StGB)
- Falschgeld- und Wertzeichenverbrechen (§ 5 Nr. 2 StGB)
- Straftaten gegen die Bundeswehr (§ 5 Nr. 4 StGB)
Beispiel:
Ein ausländischer Hacker greift aus dem Ausland die deutsche IT-Infrastruktur an und gefährdet die nationale Sicherheit. Auch wenn er nicht in Deutschland sitzt, kann deutsches Strafrecht Anwendung finden.
Praxisrelevanz:
Besonders im Bereich der Cyberkriminalität gewinnt das Schutzprinzip an Bedeutung.
3. Weltrechtsprinzip: Schwerwiegende Verbrechen mit internationaler Bedeutung (§ 6 StGB)
Das Weltrechtsprinzip ermöglicht die Verfolgung schwerwiegender Straftaten unabhängig vom Tatort oder der Staatsangehörigkeit der Beteiligten.
Zu den wichtigsten Straftaten, die unter dieses Prinzip fallen, gehören:
- Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Menschenhandel und Sklaverei
- Kriegsverbrechen und Terrorismus
Beispiel:
Ein Kriegsverbrecher aus einem anderen Land hält sich in Deutschland auf. Obwohl er die Taten im Ausland begangen hat, kann er nach deutschem Recht verfolgt werden.
Praxisrelevanz:
Dieses Prinzip ist besonders relevant für internationale Strafprozesse und wurde durch das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) konkretisiert.
4. Personalitätsprinzip: Strafbarkeit wegen Staatsangehörigkeit (§ 7 StGB)
Das Personalitätsprinzip regelt zwei verschiedene Fälle:
- Aktives Personalitätsprinzip (§ 7 Abs. 2 StGB): Deutsches Strafrecht gilt für Straftaten von Deutschen im Ausland.
- Passives Personalitätsprinzip (§ 7 Abs. 1 StGB): Deutsches Strafrecht gilt für Straftaten gegen Deutsche im Ausland.
Beispiel 1 (aktives Personalitätsprinzip):
Ein Deutscher begeht in Thailand eine Straftat, die sowohl dort als auch in Deutschland strafbar ist. Er kann unter bestimmten Bedingungen auch in Deutschland angeklagt werden.
Beispiel 2 (passives Personalitätsprinzip):
Ein Deutscher wird im Ausland Opfer einer Straftat. Wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar ist, kann die Verfolgung in Deutschland erfolgen.
Praxisrelevanz:
Dieses Prinzip spielt eine große Rolle bei der Verfolgung von Straftätern, die nach der Tat nach Deutschland zurückkehren.
5. Universalitätsprinzip: Verfolgung besonders schwerer Straftaten
Das Universalitätsprinzip besagt, dass bestimmte Straftaten von jedem Staat verfolgt werden können. Dies gilt insbesondere für:
- Völkermord
- Kriegsverbrechen
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Praxisrelevanz:
Deutschland hat in mehreren Fällen Kriegsverbrecher nach dem Weltrechtsprinzip verurteilt.
Besonderheit: Anerkennung ausländischer Urteile
Eine weitere wichtige Frage ist, inwiefern ausländische Urteile in Deutschland anerkannt werden.
- Doppelbestrafung („ne bis in idem“) vermeiden: Eine Person darf für dieselbe Tat nicht zweimal bestraft werden.
- Überprüfung ausländischer Urteile: Urteile aus dem Ausland können unter bestimmten Bedingungen in Deutschland vollstreckt werden.
Beispiel:
Ein Deutscher wird in einem anderen Land verurteilt und die Strafe soll in Deutschland vollstreckt werden. Dies ist möglich, wenn ein entsprechendes internationales Abkommen besteht.

Herausforderungen in der Praxis
Die Anwendung deutschen Strafrechts auf Auslandstaten ist mit zahlreichen praktischen und rechtlichen Herausforderungen verbunden:
- Beweisprobleme: Zeugen und Beweismittel befinden sich oft im Ausland, was eine Strafverfolgung erschwert.
- Internationale Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden ist notwendig, aber oft schwierig.
- Doppelbestrafung: Wenn ein Täter bereits im Ausland verurteilt wurde, ist eine erneute Strafverfolgung in Deutschland problematisch.
Fazit
Das deutsche Strafrecht gilt grundsätzlich für Inlandstaten. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen, die eine Strafverfolgung von Auslandstaten ermöglichen, insbesondere bei:
- Taten auf deutschen Schiffen und Flugzeugen (§ 4 StGB)
- Straftaten mit Auswirkungen auf Deutschland (§ 5 StGB)
- Schwerwiegenden internationalen Straftaten (§ 6 StGB)
- Straftaten von oder gegen Deutsche (§ 7 StGB)
Die Praxis zeigt jedoch, dass die Durchsetzung deutscher Strafansprüche im Ausland oft auf erhebliche Schwierigkeiten stößt.
FAQs zu Auslandstaten
1. Wann kann Deutschland eine Straftat im Ausland verfolgen?
Wenn es einen Anknüpfungspunkt wie das Personalitäts- oder Weltrechtsprinzip gibt.
2. Gilt deutsches Strafrecht für alle Straftaten im Ausland?
Nein, nur wenn spezielle Voraussetzungen erfüllt sind.
3. Kann eine Tat in zwei Ländern bestraft werden?
Grundsätzlich nicht, wegen des Verbots der Doppelbestrafung („ne bis in idem“).
4. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden?
Über Rechtshilfeabkommen und internationale Organisationen.