Gefährliche Körperverletzung durch “Bengalos”?

Die Verwendung von Bengalos kann nicht nur faszinierende Lichteffekte erzeugen, sondern birgt auch ernsthafte Risiken. Insbesondere bei unsachgemäßem Gebrauch können diese Leuchtmittel schwere Verletzungen verursachen und als gefährliche Körperverletzung eingestuft werden. Die strafrechtlichen Konsequenzen für die fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung von Personen durch Bengalos sind nicht zu unterschätzen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte rund…

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 10.12.2024

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Bengalische Feuer, bekannt als Bengalos, gehören seit Jahrzehnten zu den umstrittensten Fanutensilien in deutschen Stadien. Für einige Fans sind sie ein unverzichtbares Symbol von Leidenschaft und Zugehörigkeit, während sie für andere eine Gefahrenquelle darstellen. Insbesondere bei unsachgemäßer Verwendung bergen Bengalos ein hohes Verletzungsrisiko. In engen Menschenmengen können sie zu schweren Unfällen führen. Strafrechtlich relevant wird der Einsatz von Bengalos, wenn sie als gefährliches Werkzeug Verletzungen verursachen oder gefährden. Dieser Artikel beleuchtet die strafrechtliche Einordnung, typische Szenarien, rechtliche Konsequenzen und Verteidigungsmöglichkeiten.

Bengalos im Fußballstadion

Fankultur und rechtliche Grauzonen

Das Zünden von Bengalos ist insbesondere im Fußball ein wiederkehrendes Phänomen. In der Fankultur wird es als Ausdruck von Emotion und Zugehörigkeit verstanden. Gleichzeitig sehen Vereine, Sicherheitsbehörden und andere Zuschauer die Gefährdung im Vordergrund. Immer wieder fordern Politik und Verbände ein generelles Verbot von Pyrotechnik, nicht zuletzt wegen zahlreicher Verletzungen, die in der Vergangenheit durch unsachgemäßen Einsatz entstanden sind.

Rechtslage: Ordnungswidrigkeit oder Straftat?

Rein rechtlich gesehen stellt das bloße Abbrennen eines Bengalos zunächst nur eine Ordnungswidrigkeit dar. Hier drohen Geldbußen, insbesondere nach den Regelungen des Sprengstoffgesetzes (§ 40 SprengG). Strafrechtliche Konsequenzen ergeben sich erst, wenn durch das Zünden Menschen verletzt oder gefährdet werden. Dann greifen schwerwiegendere Delikte wie die versuchte oder vollendete gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB.

Wann liegt eine Körperverletzung vor?

Körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung

Für die strafrechtliche Bewertung einer Körperverletzung ist entscheidend, ob eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung vorliegt. Dies können bei Bengalos die folgenden Szenarien sein:

  • Hitzeeinwirkung: Bengalos erzeugen Temperaturen von bis zu 2.000 Grad Celsius, wodurch schwere Verbrennungen entstehen können.
  • Rauchentwicklung: Der entstehende Rauch kann Atemwege reizen, Hustenanfälle oder sogar akute Atemnot hervorrufen.
  • Sachbeschädigungen: Heiße Funken können Kleidung oder andere Materialien entzünden, was indirekt Verletzungen zur Folge haben kann.

Erheblichkeit der Verletzung

Nicht jede Beeinträchtigung erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. Beispielsweise reicht ein leichter Hustenreiz oder ein kurzer Schmerz ohne dauerhafte Schäden nicht aus. Anders sieht es bei erheblichen Beschwerden wie Verbrennungen zweiten Grades oder akuter Atemnot aus, die eine medizinische Behandlung erforderlich machen.

Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

Warum ist die Unterscheidung wichtig?

Ob ein Täter vorsätzlich oder fahrlässig handelt, hat maßgeblichen Einfluss auf die Strafe:

  • Vorsätzliche gefährliche Körperverletzung: Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
  • Fahrlässige Körperverletzung: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Wie wird Vorsatz nachgewiesen?

Vorsätzlich handelt, wer die Gefährdung anderer Personen bewusst in Kauf nimmt. Bei Bengalos kann dies beispielsweise durch das Abbrennen in einer dichten Menschenmenge oder durch das Werfen der Pyrotechnik geschehen. Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Täter unvorsichtig handelt und die Verletzungen unabsichtlich herbeiführt, etwa durch Unachtsamkeit.

Einzelfallbewertung

Die Gerichte berücksichtigen stets die besonderen Umstände des Falls. Dazu gehören:

  • Der Standort des Täters (z. B. im Fanblock oder auf einer freien Fläche).
  • Die Anzahl der gefährdeten Personen.
  • Die Art der Verletzungen (leichte oder schwere Schäden).
  • Die Verwendung der Pyrotechnik (z. B. stationär oder geworfen).

Urteile: Wie bewerten Gerichte Bengalo-Fälle?

AG Hannover: Zünden von Bengalos im Stadion

Das Amtsgericht Hannover entschied am 11. März 2015, dass das Abbrennen von Bengalos in einem vollbesetzten Stadion als versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) zu werten sei. In diesem Fall hatte der Angeklagte zwei Bengalos gleichzeitig gezündet und diese in jeder Hand gehalten. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte bewusst das Risiko einging, dass Zuschauer verletzt werden könnten. Obwohl keine Verletzungen nachgewiesen wurden, genügte der Vorsatz, um den Straftatbestand zu erfüllen.

AG Kaiserslautern: Bengalos in einer Unterführung

Ein weiteres Urteil wurde 2014 vom Amtsgericht Kaiserslautern gefällt. Der Angeklagte hatte einen Bengalo in einer Unterführung gezündet, in der sich hunderte Menschen aufhielten. Obwohl nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass die Gesundheitsbeeinträchtigungen einiger Anwesender direkt durch das Bengalo des Angeklagten verursacht wurden, wertete das Gericht die Tat als versuchte gefährliche Körperverletzung. Auch hier sah es vorsätzliches Handeln als gegeben an.

Rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten

Kausalität und Beweise

Die wichtigste Strategie in der Verteidigung ist es, die Kausalität zwischen der Handlung des Beschuldigten und den Verletzungen zu widerlegen. Oft sind in großen Menschenmengen mehrere Personen beteiligt, die Pyrotechnik verwenden, was die Zuordnung erschwert. Entlastende Beweise können sein:

  • Videoaufnahmen: Sie können zeigen, wer das Bengalo tatsächlich gezündet hat.
  • Zeugenaussagen: Widersprüchliche Aussagen können die Schuldfrage beeinflussen.
  • Technische Gutachten: Solche Gutachten können klären, ob das Bengalo des Beschuldigten tatsächlich Verletzungen verursacht hat.

Mildernde Umstände

Falls keine klaren Beweise für eine vorsätzliche Handlung vorliegen, kann auf Fahrlässigkeit plädiert werden. Geringfügige Verletzungen, fehlende Absicht oder ein kooperatives Verhalten des Angeklagten können ebenfalls strafmildernd wirken.

Praktische Tipps für Beschuldigte

  1. Schweigen bewahren: Machen Sie keine Aussage ohne anwaltliche Beratung.
  2. Rechtlichen Beistand suchen: Ein erfahrener Strafverteidiger kann frühzeitig entlastende Argumente vorbringen.
  3. Beweissicherung: Sichern Sie mögliche entlastende Beweise wie Fotos, Videos oder Zeugenaussagen.

Fazit: Verantwortung und Verteidigung bei Bengalos

Das Abbrennen von Bengalos ist nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein moralisches Dilemma. Während Fans ihre Leidenschaft ausdrücken möchten, birgt Pyrotechnik erhebliche Gefahren für Unbeteiligte. Wer sich in solchen Fällen verantworten muss, sollte frühzeitig anwaltliche Unterstützung suchen. Mit einer guten Verteidigungsstrategie können die Konsequenzen oft abgemildert werden. Gleichzeitig gilt: Wer Pyrotechnik einsetzt, trägt eine große Verantwortung für die Sicherheit anderer.

FAQs

1. Ist das Abbrennen von Bengalos im Stadion grundsätzlich strafbar?
Nicht unbedingt. Es wird oft nur als Ordnungswidrigkeit geahndet, außer es kommt zu Verletzungen oder Gefährdungen.

2. Welche Strafen drohen bei gefährlicher Körperverletzung durch Bengalos?
Bei vorsätzlicher Tat drohen sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Bei Fahrlässigkeit bis zu drei Jahre oder Geldstrafe.

3. Wie wichtig sind Beweise in solchen Verfahren?
Sehr wichtig. Videos, Zeugenaussagen und Gutachten sind entscheidend, um die Täterschaft oder Unschuld zu belegen.

4. Kann ich für Verletzungen haftbar gemacht werden, wenn keine direkte Verbindung besteht?
Nur, wenn die Kausalität eindeutig nachgewiesen werden kann. Bei Zweifeln wird oft auf versuchte Körperverletzung plädiert.

5. Warum sollte ich einen Strafverteidiger hinzuziehen?
Ein spezialisierter Anwalt kennt die rechtlichen Feinheiten und kann die bestmögliche Verteidigungsstrategie entwickeln.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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