Inzest

In Deutschland ist es verboten gem. § 173 Strafgesetzbuch (StGB), sexuelle Beziehungen im engsten Familienkreis zu haben. Doch welche Verwandtschaftgrade fallen unter das sogenannte „Inzestverbot“? Welche Handlungen sind strafbar? Und welche Strafen können drohen? Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Beitrag.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 21.01.2025

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Inzest, der sexuelle Kontakt zwischen engen Verwandten, ist ein juristisches und moralisches Thema, das seit Jahrhunderten kontrovers diskutiert wird. In Deutschland verbietet § 173 des Strafgesetzbuches (StGB) Inzest, um familiäre Strukturen zu schützen und genetische Risiken zu minimieren. Doch warum bleibt dieses Verbot bestehen, und wie wird es international gehandhabt? Dieser Artikel liefert eine umfassende Analyse der rechtlichen, historischen, kulturellen und ethischen Hintergründe.


Was ist Inzest? Begriffsdefinition und gesetzliche Regelung

Inzest beschreibt sexuelle Beziehungen zwischen engen Verwandten, insbesondere in gerader Linie (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel) oder zwischen Geschwistern (vollbürtig und halbbürtig). Diese Beziehungen sind in Deutschland nach § 173 StGB strafbar.

Verwandtschaftsverhältnisse, die unter das Verbot fallen

  1. Eltern und Kinder
  2. Großeltern und Enkel
  3. Geschwister (vollbürtig und halbbürtig)

Beziehungen, die nicht erfasst werden

  • Cousins und Cousinen: Diese gehören zur Seitenlinie und sind somit nicht strafbar.
  • Adoptivgeschwister: Da sie keine genetische Verbindung teilen, fällt ihre Beziehung nicht unter das Inzestverbot.
  • Stiefgeschwister: Ähnlich wie bei Adoptivgeschwistern ist eine Beziehung legal.

Eingrenzung des Straftatbestands

  • Tathandlung: Nur der vaginale Geschlechtsverkehr ist strafbar. Andere sexuelle Handlungen, wie Oral- oder Analverkehr, werden nicht geahndet.
  • Einvernehmlichkeit: Das Verbot gilt auch für einvernehmliche Beziehungen zwischen Erwachsenen, da der Schutz familiärer Strukturen über der individuellen Freiheit steht.
  • Altersgrenzen: Minderjährige unter 18 Jahren werden nicht strafrechtlich belangt. Hier schützt das Gesetz die Unreife und Entscheidungsfähigkeit junger Menschen.

Strafmaß

Das Strafmaß für Inzest reicht von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Es handelt sich um ein Offizialdelikt, das unabhängig von einer Anzeige verfolgt wird.


Historische Entwicklung des Inzestverbots

Das Verbot von Inzest hat tief verwurzelte kulturelle und religiöse Ursprünge:

  1. Antike: Inzest war in den meisten antiken Gesellschaften verboten, obwohl königliche Dynastien wie die Pharaonen Ägyptens oder die Ptolemäer inzestuöse Ehen zur Machtkonsolidierung duldeten.
  2. Mittelalter: Die katholische Kirche spielte eine Schlüsselrolle bei der Verurteilung von Inzest, da sie ihn als schwere Sünde betrachtete. Dies prägte die europäischen Rechtsordnungen nachhaltig.
  3. Neuzeit: Mit der Aufklärung rückte die rationale Betrachtung von genetischen Risiken in den Vordergrund. Gleichzeitig wurden familiäre Hierarchien und die Verhinderung von Machtmissbrauch als Hauptgründe für das Verbot betont.

Die Bedeutung des Inzestverbots: Warum bleibt es bestehen?

Schutz der Familie

Die Familie ist eine zentrale Institution der Gesellschaft, in der Vertrauen, Geborgenheit und klare Rollenverhältnisse herrschen sollen. Sexuelle Beziehungen zwischen Familienmitgliedern könnten diese Strukturen destabilisieren und zu Konflikten führen.

Machtmissbrauch und Abhängigkeit

Familienbeziehungen sind oft durch Hierarchien geprägt, beispielsweise zwischen Eltern und Kindern. Das Inzestverbot verhindert, dass diese Hierarchien ausgenutzt werden, um sexuelle Kontakte zu erzwingen.

Biologische Argumente

Medizinisch betrachtet birgt Inzest ein erhöhtes Risiko für genetische Erkrankungen bei Nachkommen. Wenn beide Elternteile eng verwandt sind, können rezessive Gene verstärkt zum Ausdruck kommen und zu Fehlbildungen oder Erbkrankheiten führen.

Gesellschaftliche Tabus

Inzest wird in fast allen Kulturen als moralisch verwerflich angesehen. Dieses Tabu dient dazu, klare Grenzen zwischen familiären und sexuellen Beziehungen zu ziehen. Das Verbot spiegelt somit gesellschaftliche und kulturelle Normen wider.


Rechtlicher Unterschied zwischen Inzest und Inzucht

Während „Inzest“ den rechtlichen Aspekt beschreibt, bezieht sich „Inzucht“ auf die biologische Konsequenz, wenn enge Verwandte Nachkommen zeugen.

Genetische Risiken der Inzucht

  • Erbkrankheiten: Die Wahrscheinlichkeit, dass Erbkrankheiten auftreten, liegt bei Nachkommen aus inzestuösen Beziehungen deutlich höher.
  • Fehlbildungen: Studien zeigen, dass etwa 50 % der Kinder aus einer solchen Beziehung mit genetischen oder körperlichen Fehlbildungen geboren werden können.

Rechtlich gesehen spielt die Inzucht jedoch keine Rolle. Selbst wenn keine Nachkommen gezeugt werden, bleibt der sexuelle Kontakt zwischen Verwandten strafbar.


Internationale Perspektive: Inzestverbote weltweit

Die Regelungen zu Inzest variieren international stark:

Länder mit Inzestverbot

  • Deutschland, Österreich, Schweiz: In diesen Ländern liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz der Familie und der sozialen Ordnung.
  • USA: Die meisten Bundesstaaten verfolgen inzestuöse Beziehungen streng. Verstöße können mit erheblichen Freiheitsstrafen geahndet werden.

Länder ohne Inzestverbot

  • Frankreich: Einvernehmlicher Inzest zwischen Erwachsenen ist legal, solange keine Machtverhältnisse ausgenutzt werden.
  • Belgien und Niederlande: Diese Länder stellen die sexuelle Selbstbestimmung über den Schutz familiärer Strukturen.

Bedeutung dieser Unterschiede

Die Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen zeigen, wie stark kulturelle und gesellschaftliche Werte die Rechtsprechung beeinflussen.


Kritische Diskussion: Pro und Contra des Inzestverbots

Argumente für das Verbot

  1. Schutz der Familie: Das Verbot schützt vor Konflikten und Machtmissbrauch innerhalb der Familie.
  2. Minimierung genetischer Risiken: Es reduziert das Risiko schwerer Erbkrankheiten.
  3. Wahrung gesellschaftlicher Normen: Es reflektiert tief verwurzelte kulturelle Werte und Tabus.

Argumente gegen das Verbot

  1. Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung: Kritiker sehen das Verbot als unverhältnismäßigen Eingriff in die individuelle Freiheit.
  2. Genetische Risiken als individuelles Problem: Gegner argumentieren, dass medizinische Beratung anstelle strafrechtlicher Sanktionen ausreichend sei.
  3. Fehlende Konsistenz: Die Tatsache, dass Beziehungen zwischen Cousins und Cousinen legal sind, wird von Kritikern als Widerspruch angesehen.


Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts und internationaler Gerichte

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2008)

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Verfassungsmäßigkeit des Inzestverbots. Es argumentierte, dass der Schutz der Familie und die Prävention sozialer sowie biologischer Risiken Vorrang vor der sexuellen Selbstbestimmung haben.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (2011)

Der EGMR entschied, dass das deutsche Inzestverbot nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Dies unterstreicht die rechtliche Anerkennung familiärer und sozialer Werte auf internationaler Ebene.


Praktische Fälle: Inzest in der Realität

Einer der bekanntesten Fälle in Deutschland ist der eines Geschwisterpaares aus Sachsen, das vier gemeinsame Kinder hatte. Zwei der Kinder litten an genetischen Erkrankungen. Beide Partner wurden strafrechtlich verfolgt und erhielten Bewährungsstrafen. Der Fall entfachte eine Debatte über die Legitimität des Inzestverbots.


Fazit: Tradition, Recht und Gesellschaft im Wandel

Das Inzestverbot ist ein komplexes Thema, das rechtliche, ethische und gesellschaftliche Dimensionen umfasst. Während es dem Schutz der Familie und der Prävention genetischer Risiken dient, stellt sich die Frage, ob ein moderner Rechtsstaat sexuelle Selbstbestimmung stärker berücksichtigen sollte. Trotz anhaltender Debatten bleibt das Verbot in Deutschland ein zentraler Bestandteil des Strafrechts.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

1. Welche Beziehungen fallen unter das Inzestverbot?
Sexuelle Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkeln sowie Geschwistern (vollbürtig und halbbürtig) sind in Deutschland strafbar.2. Ist Inzest in allen Ländern verboten?
Nein, in Ländern wie Frankreich, Belgien und den Niederlanden ist einvernehmlicher Inzest zwischen Erwachsenen legal.3. Warum ist Inzest strafbar?
Das Verbot dient dem Schutz der Familie, der Vermeidung von Machtmissbrauch und der Minimierung genetischer Risiken.4. Was droht bei Verstößen gegen § 173 StGB?
Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.5. Sind gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Verwandten strafbar?
Nein, gleichgeschlechtliche Beziehungen fallen nicht unter § 173 StGB.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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