Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

Die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen ist nach § 166 StGB strafbar. Welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Strafe droht, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit stehen in Deutschland unter besonderem Schutz. Doch was passiert, wenn diese beiden Grundrechte aufeinandertreffen? Darf eine Religion öffentlich kritisiert werden? Oder gibt es Grenzen, die strafrechtlich relevant sind?

§ 166 StGB regelt die sogenannte „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“. Die Vorschrift ist umstritten, da sie einerseits den öffentlichen Frieden schützen soll, andererseits jedoch in Konflikt mit der Meinungsfreiheit geraten kann. In diesem Artikel beleuchten wir die genaue Bedeutung von § 166 StGB, seine Voraussetzungen, typische Fallkonstellationen sowie mögliche Verteidigungsstrategien.


§ 166 StGB – Der gesetzliche Rahmen

Die Strafvorschrift lautet:

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts eine im Inland bestehende Kirche, andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung oder deren Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Das Ziel dieser Vorschrift ist nicht der Schutz religiöser Gefühle, sondern der öffentliche Frieden. Dennoch ist die Grenze zwischen legitimer Religionskritik und strafbarer Beschimpfung oft schwer zu ziehen.


Tatbestandsvoraussetzungen: Wann ist eine Äußerung strafbar?

Damit eine Handlung unter § 166 StGB fällt, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein.

Tatobjekt: Was wird geschützt?

§ 166 StGB schützt folgende Bereiche:

  • Religiöse Bekenntnisse – etwa das Christentum, der Islam, das Judentum oder der Buddhismus.
  • Weltanschauliche Bekenntnisse – hierzu gehören nicht-religiöse Überzeugungen wie der Humanismus, Materialismus oder Marxismus.
  • Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen – wie Kirchen, Gemeinden oder atheistische Organisationen.
  • Einrichtungen und Gebräuche – etwa Kirchengebäude, religiöse Feste oder Rituale.
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

Tathandlung: Was ist eine „Beschimpfung“?

„Beschimpfung“ bedeutet eine gravierende Herabwürdigung oder Verunglimpfung des geschützten Tatobjekts. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Das öffentliche Beleidigen religiöser Symbole oder Schriften
  • Die Diffamierung einer Glaubensgemeinschaft als „kriminelle Vereinigung“
  • Die bewusste Verhöhnung religiöser Bräuche

Die Tathandlung muss öffentlich geschehen oder durch die Verbreitung von Schriften erfolgen. Private Äußerungen sind nicht erfasst.

Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens

Ein entscheidendes Merkmal des § 166 StGB ist die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens. Das bedeutet, dass die Äußerung objektiv geeignet sein muss, Spannungen in der Gesellschaft hervorzurufen.

Nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich zu Unruhen kommt – es genügt die abstrakte Gefahr.

Vorsatz: Muss der Täter absichtlich handeln?

Ja. Der Täter muss sich der Beschimpfung bewusst sein und sie zumindest billigend in Kauf nehmen (sogenannter Eventualvorsatz).

Strafantrag und Versuch

  • Offizialdelikt: Die Staatsanwaltschaft verfolgt die Tat von Amts wegen. Eine Anzeige des Geschädigten ist nicht notwendig.
  • Versuch nicht strafbar: Eine bloße Absichtserklärung ohne Umsetzung bleibt straflos.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Fall 1: Kirchen als „Verbrecherorganisation“

Ein Aktivist bezeichnete öffentlich die christlichen Kirchen als „größte Verbrecherorganisation aller Zeiten“. Das Gericht entschied, dass diese Äußerung nicht strafbar sei, da sie eine zulässige Meinungsäußerung darstelle.

Fall 2: Religiöse Symbole in der Kunst

Ein Künstler stellte ein Kreuz in einer provokativen Art und Weise dar. Trotz Protesten der Kirche wurde das Verfahren eingestellt – die Kunstfreiheit überwog.

Fall 3: Social-Media-Post gegen eine Weltanschauung

Ein Mann veröffentlichte auf Facebook eine hetzerische Aussage gegen eine bestimmte Religionsgemeinschaft. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe, da die Äußerung den öffentlichen Frieden gefährdete.

Diese Fälle zeigen: Nicht jede Provokation ist strafbar, aber bei öffentlicher Verunglimpfung drohen Konsequenzen.


Mögliche Verteidigungsstrategien

1. Meinungsfreiheit als Schutzschild

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) kann eine Verteidigungslinie sein. Kritische, aber sachliche Aussagen über Religionen sind erlaubt.

2. Keine Beschimpfung im strafrechtlichen Sinne

Der Begriff „Beschimpfung“ ist eng auszulegen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann argumentieren, dass die Äußerung lediglich eine scharfe, aber nicht strafbare Kritik darstellt.

3. Fehlen der Öffentlichkeit

Falls die Aussage nur in einem privaten Kreis gefallen ist, fehlt die Voraussetzung der Öffentlichkeit – damit entfällt die Strafbarkeit.

4. Kunst- und Satirefreiheit

Die Grenzen zwischen strafbarer Verunglimpfung und künstlerischer Freiheit sind oft fließend. Die Gerichte prüfen jeden Fall einzeln.


Strafmaß und Konsequenzen

Wer nach § 166 StGB verurteilt wird, muss mit folgenden Sanktionen rechnen:

  • Geldstrafe oder
  • Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

Zusätzlich drohen berufliche und gesellschaftliche Konsequenzen, etwa wenn die Verurteilung öffentlich bekannt wird.


Kritik an § 166 StGB – Ist das Gesetz noch zeitgemäß?

Viele Juristen und Bürgerrechtler kritisieren § 166 StGB als veraltet und überflüssig. Sie argumentieren, dass Religionsgemeinschaften keiner besonderen strafrechtlichen Privilegierung bedürfen.

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

Vergleich mit anderen Ländern

  • Frankreich: Keine vergleichbare Norm, sehr weite Meinungsfreiheit.
  • Österreich: Blasphemie kann bestraft werden, wenn sie den öffentlichen Frieden gefährdet.
  • USA: Sehr starker Schutz der Meinungsfreiheit, keine vergleichbaren Gesetze.

Deutschland steht also international zwischen strenger und liberaler Regelung.


Praktische Tipps bei einer Anzeige nach § 166 StGB

  • Kein vorschnelles Geständnis bei der Polizei ablegen
  • Unverzüglich einen Strafverteidiger konsultieren
  • Beweise sichern, insbesondere für den Kontext der Äußerung
  • Ruhe bewahren – nicht jede Anzeige führt zur Verurteilung

Fazit

§ 166 StGB ist eine umstrittene Norm, die eine Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und Schutz des öffentlichen Friedens darstellt. Wer sich wegen § 166 StGB verantworten muss, sollte seine Rechte genau kennen und eine gute Verteidigungsstrategie entwickeln.


FAQs

1. Ist jede Kritik an Religionen strafbar?
Nein, sachliche Kritik fällt unter die Meinungsfreiheit.

2. Welche Strafen drohen?
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

3. Gilt das Gesetz auch für atheistische Weltanschauungen?
Ja, auch nicht-religiöse Überzeugungen sind geschützt.

4. Kann ich mich auf Satire berufen?
Ja, wenn die Äußerung in einem klar erkennbaren satirischen Kontext steht.

5. Ist § 166 StGB noch zeitgemäß?
Das ist umstritten. Kritiker fordern seine Abschaffung, Befürworter betonen die Schutzfunktion für den gesellschaftlichen Frieden.