Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet (§ 127 StGB)
Im sogenannten „Darknet“, aber auch auf frei zugänglichen Plattformen im Internet, florieren illegale Geschäfte: Drogen, gefälschte Ausweise, gehackte Zugangsdaten oder Waffen können dort mit wenigen Klicks angeboten und erworben werden. Um dieser Entwicklung zu begegnen, hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 den Straftatbestand des § 127 StGB geschaffen: das Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet.
Das neue Gesetz richtet sich ausdrücklich nicht nur gegen Verkäufer oder Käufer illegaler Waren, sondern vor allem gegen die Betreiber der digitalen Infrastruktur. Wer also eine Plattform zur Verfügung stellt, auf der Straftaten ermöglicht oder erleichtert werden, macht sich unter Umständen strafbar – auch dann, wenn er selbst keine illegalen Produkte anbietet.
Was ist unter einer kriminellen Handelsplattform zu verstehen?
Der § 127 StGB beschreibt eine Handelsplattform als ein digitales Angebot, das auf den Austausch von Waren oder Dienstleistungen ausgerichtet ist. Das können klassische Websites, Foren, Verkaufsportale oder spezialisierte Marktplätze sein – insbesondere im Darknet. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass die Plattform hauptsächlich zur Begehung bestimmter Straftaten genutzt wird.
Beispielhafte Straftaten:
• Handel mit Betäubungsmitteln,
• Waffenhandel,
• Verbreitung kinderpornografischer Inhalte,
• Verkauf gefälschter Ausweisdokumente,
• Datenhehlerei,
• Erpressung oder Betrug.
Entscheidend ist nicht, ob alle Angebote auf der Plattform illegal sind – sondern ob sie überwiegend der Förderung von Straftaten dient. Auch technische Hilfsmittel wie Anonymisierungsdienste, Zahlungsmittelverschleierung (z. B. über Kryptowährungen) oder verschlüsselte Kommunikationskanäle können ein Indiz sein.
Wer macht sich strafbar?
Strafbar ist, wer eine solche Plattform betreibt, verwaltet, weiterentwickelt oder gezielt technische Dienste bereitstellt. Dabei reicht bereits die Mitwirkung an der Funktionsfähigkeit der Plattform – etwa durch das Bereitstellen des Servers, die Programmierung oder das Anbieten spezieller Zahlungsdienste. Auch wer eine Plattform mitbetreibt oder als Administrator tätig ist, kann erfasst sein.
Wichtig: Auch eine versuchte Tat ist strafbar. Bereits das Planen, Aufbauen oder Testen einer Plattform mit kriminellem Verwendungszweck kann zu einem Ermittlungsverfahren führen.


Welche Strafe droht?
§ 127 StGB sieht eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Das bedeutet: Es handelt sich um ein Verbrechen – selbst bei Ersttätern kommt eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht. In besonders schweren Fällen, etwa bei hoher krimineller Energie oder erheblichem Umsatzvolumen, sind langjährige Haftstrafen möglich.
Was gilt für Nutzer solcher Plattformen?
Nutzerinnen und Nutzer, die auf solchen Plattformen Waren oder Dienstleistungen anbieten oder erwerben, machen sich nicht nach § 127 StGB strafbar – wohl aber nach den einschlägigen Strafvorschriften (etwa dem Betäubungsmittelgesetz, dem Waffengesetz oder dem StGB). Der neue Straftatbestand zielt ausschließlich auf die Betreiberstruktur.
Unterschied zu anderen Delikten
§ 127 StGB ergänzt bestehende Strafvorschriften und zielt auf eine Lücke im digitalen Raum. Während zuvor nur konkrete Handlungen – etwa der Verkauf von Drogen – verfolgt werden konnten, ist nun auch die Schaffung der Infrastruktur strafbar. Der Tatbestand steht damit neben Delikten wie:
• Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB),
• Geldwäsche (§ 261 StGB),
• Datenhehlerei (§ 202d StGB),
• und Beihilfe zu Haupttaten (§ 27 StGB).
Verteidigung im Ermittlungsverfahren
Gerade im Bereich der Cyberkriminalität sind Ermittlungen oft technisch geprägt – IP-Adressen, Serverprotokolle, E-Mail-Konten oder Kryptowährungsnachweise dienen als Beweismittel. Ein effektiver Verteidiger prüft:
• Ob eine konkrete Betreiberhandlung nachweisbar ist,
• Ob der Mandant überhaupt Kenntnis vom Verwendungszweck der Plattform hatte,
• Ob der Tatbeitrag technisch notwendig oder ersetzbar war,
• Ob eine individuelle Verantwortlichkeit besteht oder nur allgemeine Dienste erbracht wurden.
In vielen Fällen ist auch eine Abgrenzung zur bloßen Beihilfe oder zur Tätigkeit als technischer Dienstleister möglich – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Strafmaß.
Beispiel aus der Praxis
Ein IT-Fachmann betreibt einen Server, auf dem eine Plattform im Tor-Netzwerk gehostet ist. Er gibt an, lediglich technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Ermittlungen zeigen jedoch, dass er Administratorrechte hatte und über das kriminelle Nutzungskonzept informiert war. Es kommt zur Anklage wegen § 127 StGB. Im Verfahren gelingt es, die Verantwortung auf einen Mitbetreiber zu verlagern – der Angeklagte erhält eine Bewährungsstrafe.

Anzeige erhalten?
Ein Ermittlungsverfahren wegen § 127 StGB kann schwerwiegende Konsequenzen haben – auch für Personen, die sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung gar nicht bewusst waren. Die Abgrenzung zwischen legitimer IT-Tätigkeit und strafbarem Plattformbetrieb ist komplex. Wer eine Vorladung, eine Hausdurchsuchung oder eine Beschuldigtenbenachrichtigung erhält, sollte schnell handeln – und keine unüberlegten Angaben machen.
Häufige Fragen zum § 127 StGB – Betreiben krimineller Handelsplattformen
Was ist das Ziel des § 127 StGB?
Die gezielte Bekämpfung digitaler Infrastruktur für Straftaten – insbesondere im Darknet. Der Gesetzgeber will so organisierte Kriminalität im Internet eindämmen.
Bin ich strafbar, wenn ich nur technische Dienste anbiete?
Nur wenn Sie wissen, dass Ihre Dienste zur Förderung krimineller Handelsplattformen dienen – und diese gezielt darauf ausgerichtet sind. Unbewusste Dienstleister sind in der Regel nicht betroffen.
Gilt das Gesetz auch für Plattformen im Clearnet?
Ja. Entscheidend ist nicht die technische Umgebung, sondern der Verwendungszweck der Plattform.
Was tun bei Vorladung oder Durchsuchung?
Keine Aussage machen. Erst anwaltliche Beratung einholen, Akteneinsicht beantragen und dann das weitere Vorgehen abstimmen.
Welche Rolle spielt meine technische Beteiligung?
Sie kann entscheidend sein – etwa bei der Programmierung, beim Hosting oder bei der Zahlungsschnittstelle. Aber nicht jede technische Beteiligung ist automatisch strafbar.


