Bildung krimineller Vereinigungen

Die Strafnorm der „Bildung krimineller Vereinigungen“ ist in vergangenen Zeiten von hoher Relevanz gewesen. Heute ist diese jedoch deutlich gesunken. Was jedoch unter diesen Strafbestand fällt, warum er in der Kritik steht und welche Strafen drohen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Bildung krimineller Vereinigungen

Die Strafbarkeit der Bildung krimineller Vereinigungen ist in § 129 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Dieser Straftatbestand wurde geschaffen, um organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Doch die Vorschrift ist umstritten: In der Vergangenheit wurde sie auch gegen politische Aktivisten eingesetzt, um Protestbewegungen zu kriminalisieren.

Besonders problematisch ist, dass eine tatsächliche Straftat nicht notwendig ist – bereits die bloße Absicht zur Begehung von Straftaten kann zu einer Verurteilung führen. Dieser Artikel erklärt die genaue Bedeutung des § 129 StGB, die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit, die möglichen Strafen und typische Verteidigungsstrategien.

Was bedeutet „Bildung krimineller Vereinigungen“?

Der Begriff „kriminelle Vereinigung“ bezeichnet einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Ziel zusammenschließen, Straftaten zu begehen. Dabei ist nicht erforderlich, dass eine Tat tatsächlich begangen wird – die bloße Ausrichtung auf Straftaten kann ausreichen.

Zu den strafbaren Handlungen nach § 129 StGB gehören:

  • Gründung einer kriminellen Vereinigung
  • Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung
  • Unterstützung der Vereinigung durch finanzielle oder logistische Mittel
  • Werbung für die Vereinigung oder Anwerbung neuer Mitglieder

Ein Beispiel: Wenn sich eine Gruppe zusammenschließt, um systematisch Betrugsdelikte zu begehen, könnte dies unter § 129 StGB fallen – selbst wenn noch keine Tat ausgeführt wurde.

Gesetzliche Grundlage: § 129 StGB

Wortlaut und Definition

Der Gesetzestext von § 129 Abs. 1 StGB lautet:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer solchen als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist.“

Wichtig ist, dass nicht jede Gruppe, die Straftaten begeht, automatisch als kriminelle Vereinigung gilt. Entscheidend sind eine gewisse Organisation und die Dauerhaftigkeit des Zusammenschlusses.

Bildung krimineller Vereinigungen

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

§ 129 StGB unterscheidet sich von ähnlichen Tatbeständen wie:

  • § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen): Hier geht es um schwerwiegende Straftaten wie Mord, Totschlag oder Anschläge.
  • § 129b StGB (kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland): Dieser Tatbestand erweitert § 129 und § 129a auf Vereinigungen außerhalb Deutschlands.

Während kriminelle Vereinigungen oft mit organisierter Kriminalität in Verbindung stehen, betrifft § 129a vor allem politisch oder religiös motivierte Gruppierungen.

Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 129 StGB

Damit eine Strafbarkeit nach § 129 StGB vorliegt, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

1. Zusammenschluss von mindestens drei Personen

Eine kriminelle Vereinigung erfordert mindestens drei Beteiligte. Einzeltäter oder nur zwei Personen können diesen Tatbestand nicht erfüllen.

2. Gemeinsamer Zweck: Begehung von Straftaten

Die Gruppe muss das Ziel haben, Straftaten zu begehen, die mit mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Ein loses Zusammenkommen für spontane Taten reicht nicht aus.

3. Dauerhaftigkeit und Struktur

Die Gruppe muss auf Dauer angelegt sein. Ein spontaner Zusammenschluss für eine einmalige Tat erfüllt die Voraussetzung nicht. Die Mitglieder müssen sich zudem als Einheit verstehen.

4. Nachweis der Beteiligung oder Unterstützung

Neben der Gründung und Mitgliedschaft ist auch die Unterstützung strafbar. Dazu zählen z. B.:

  • Bereitstellung von Räumlichkeiten oder Geld
  • Vermittlung von Informationen oder Ressourcen
  • Werbung neuer Mitglieder

Rechtsfolgen einer Verurteilung nach § 129 StGB

Strafmaß

Die möglichen Strafen sind:

  • Mitgliedschaft: Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
  • Unterstützung oder Werbung: Bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe
  • Besonders schwere Fälle: Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe, insbesondere für Anführer

Weitere Folgen

Neben der Hauptstrafe gibt es auch weitere Konsequenzen wie:

  • Eintrag ins Führungszeugnis
  • Berufsverbote für Beamte oder bestimmte Berufe (z. B. Sicherheitsdienst, Finanzbranche)
  • Überwachung durch Polizei und Geheimdienste

Kritik an § 129 StGB

Weite Auslegung und Missbrauchsgefahr

Ein zentraler Kritikpunkt ist die weite Auslegung des Tatbestands. Bereits ein Anfangsverdacht reicht aus, um Telefonüberwachungen, Hausdurchsuchungen oder Observationen zu rechtfertigen.

Einsatz gegen Aktivisten und politische Gruppen

In der Vergangenheit wurde § 129 StGB genutzt, um politische Gruppen oder Aktivisten zu kriminalisieren. Ein aktuelles Beispiel sind Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“ – eine Umweltbewegung, die mit Sitzblockaden und Protestaktionen Aufmerksamkeit erregt. Amnesty International sieht darin eine unzulässige Anwendung des Paragrafen gegen friedliche Proteste (Amnesty International).

Unklare Abgrenzung zu legitimen Gruppen

Es bleibt oft unklar, wann eine Gruppe tatsächlich als „kriminelle Vereinigung“ gilt und wann nicht. Das führt zu Rechtsunsicherheit und öffnet der willkürlichen Anwendung Tür und Tor.

Bildung krimineller Vereinigungen

Verteidigungsstrategien bei einer Anklage nach § 129 StGB

Anfechtung der Organisationsstruktur

Die Verteidigung kann darlegen, dass es sich nicht um eine feste Organisation, sondern nur um einen losen Zusammenschluss handelt.

Keine kriminelle Zielsetzung

Wenn die Gruppe nicht in erster Linie auf Straftaten ausgerichtet war, kann argumentiert werden, dass § 129 StGB nicht anwendbar ist.

Beweislast und Unschuldsvermutung nutzen

Die Staatsanwaltschaft muss nachweisen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Verteidigung kann Zweifel an der Beweislage aufzeigen.

Unterschied zu terroristischen Vereinigungen nach § 129a StGB

Strafandrohung und Schwere der Taten

  • Kriminelle Vereinigungen (§ 129 StGB): Ziel sind wirtschaftliche oder allgemeinkriminelle Straftaten.
  • Terroristische Vereinigungen (§ 129a StGB): Beziehen sich auf politische, ideologische oder religiöse Gewaltakte.

Fazit

§ 129 StGB ist ein umstrittenes Werkzeug zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Einerseits schützt er die Gesellschaft vor gefährlichen Gruppierungen, andererseits kann er leicht missbraucht werden, um Aktivisten oder missliebige Gruppen ins Visier zu nehmen. Eine Anklage nach § 129 StGB sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden – eine frühzeitige juristische Verteidigung ist essenziell.


FAQs zu § 129 StGB

1. Ist eine Verurteilung nach § 129 StGB auch ohne begangene Straftat möglich?
Ja, bereits die Absicht zur Begehung von Straftaten kann ausreichen.

2. Wie kann man sich gegen eine Anklage nach § 129 StGB wehren?
Mögliche Strategien sind die Anfechtung der Organisationsstruktur oder die Argumentation, dass keine kriminelle Zielsetzung vorlag.

3. Warum wird § 129 StGB kritisiert?
Weil er weit ausgelegt werden kann und oft gegen Aktivisten oder politische Gruppen verwendet wurde.