Verletzung der Buchführungspflicht
Was viele Unternehmer unterschätzen: Fehler in der Buchführung können nicht nur steuerliche, sondern auch strafrechtliche Folgen haben. Wer gesetzliche Pflichten zur Buchhaltung, Bilanzierung oder Aufbewahrung von Unterlagen verletzt, riskiert eine Verurteilung nach § 283b StGB – mit Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe. Doch was genau ist strafbar? Welche Gesellschaftsformen sind betroffen? Und wie können Sie sich im Ernstfall effektiv verteidigen? In unserem aktuellen Beitrag erfahren Sie alles über die rechtlichen Risiken, Tatbestände und Verteidigungsstrategien im Zusammenhang mit der Verletzung der Buchführungspflicht.

Die Buchführungspflicht ist eine tragende Säule der unternehmerischen Rechtsordnung. Sie gewährleistet Transparenz und Nachvollziehbarkeit wirtschaftlicher Vorgänge – sowohl für den Staat als auch für Geschäftspartner, Investoren und Gläubiger. Wer diese Pflicht verletzt, riskiert nicht nur zivilrechtliche Haftung oder steuerliche Nachteile, sondern macht sich unter Umständen auch strafbar. § 283b StGB regelt die „Verletzung der Buchführungspflicht“ als eigenständigen Straftatbestand und steht im Kontext des Wirtschafts- und Insolvenzstrafrechts.
Gesetzliche Grundlage: § 283b StGB im Detail
Normtext und Struktur
§ 283b StGB lautet:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt oder verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
- Handelsbücher oder sonstige Unterlagen […] vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
- entgegen dem Handelsrecht
a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b) es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.
(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder 3 fahrlässig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) § 283 Abs. 6 gilt entsprechend.
Schutzgut der Norm
Das Schutzgut des § 283b StGB ist die Sicherstellung der wirtschaftlichen Transparenz eines Unternehmens durch vollständige und ordnungsgemäße Buchführung. Es geht nicht nur um steuerliche Aspekte, sondern auch um die Wahrung der Informationsinteressen Dritter – insbesondere bei Insolvenzgefahr oder Gläubigeransprüchen.
Tatbestandsmerkmale im Überblick
Objektiver Tatbestand
Die Vorschrift enthält mehrere alternative Tathandlungen:
- Unterlassene, falsche oder manipulative Buchführung
Erfasst sind Fälle, in denen gesetzlich vorgeschriebene Bücher gar nicht oder so geführt werden, dass die Vermögensverhältnisse nicht erkennbar sind. Maßgeblich sind dabei die GoB nach §§ 238 ff. HGB. - Verheimlichung oder Zerstörung von Unterlagen
Das Beiseiteschaffen bezieht sich auf das faktische oder rechtliche Entfernen aus dem Zugriff des Berechtigten (z. B. durch Verlagerung ins Ausland oder digitale Verschlüsselung). - Fehlerhafte Bilanzierung oder unterlassene Inventur
Erfasst sind Verstöße gegen §§ 240, 242 HGB, also insbesondere die rechtzeitige und formkorrekte Erstellung von Bilanzen und Inventaren.
Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz ist erforderlich bei Abs. 1 – er umfasst das Wissen und Wollen der jeweiligen Tathandlung.
- Fahrlässigkeit reicht bei Abs. 2 in den dort genannten Varianten aus, d. h., wenn die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen wird.

Rechtswidrigkeit und Schuld
Die Tat muss rechtswidrig und schuldhaft begangen werden. Fehlerhafte Rechtsberatung oder unzureichende Kenntnisse des Buchführungssystems können in Einzelfällen entschuldigend wirken – sind aber regelmäßig nicht ausreichend, um Schuld auszuschließen.
Tatbeteiligung und Täterschaft
Täter kann nur sein, wer tatsächlich zur Buchführung verpflichtet ist – in der Regel also der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft oder ein Einzelkaufmann. Bei juristischen Personen liegt die Pflicht zur Buchführung beim Geschäftsführer (§ 41 GmbHG), Vorstand (§ 91 AktG) oder bei den persönlich haftenden Gesellschaftern.
Mögliche Beteiligungsformen:
- Täter: Geschäftsführer, Alleininhaber
- Mittäter / Gehilfen: Prokuristen, Steuerberater (im Ausnahmefall bei bewusster Unterstützung)
- Unterlassungstäter (§ 13 StGB): Bei Verletzung von Garantenpflichten
Gesellschaftsformen und Buchführungspflichten
Relevante Normen im Handels- und Steuerrecht
Die Buchführungspflicht ergibt sich primär aus § 238 HGB. Ergänzend greifen:
- § 242 HGB (Bilanzierungspflicht)
- § 257 HGB (Aufbewahrungspflichten)
- §§ 140, 141 AO (steuerliche Buchführungspflichten)
Übersicht: Gesellschaftsformen im Lichte des § 283b StGB
- GmbH / UG
Verpflichtet zur doppelten Buchführung ab dem ersten Euro. Verantwortlich: Geschäftsführung (§ 43 GmbHG) - AG
Verschärfte Anforderungen wegen Publizitätspflichten. Verstöße können auch kapitalmarktrechtlich relevant sein. - OHG / KG
Pflicht zur Buchführung bei kaufmännischem Geschäftsbetrieb. Persönlich haftende Gesellschafter sind verantwortlich. - Einzelkaufmann / e.K.
Buchführungspflichtig bei Überschreitung von Umsatz- und Gewinnschwellen.
Besonderheiten bei Aufbewahrungs- und Bilanzierungspflichten
Gesetzliche Fristen gemäß § 257 HGB
- 10 Jahre: Buchführungsunterlagen, Handelsbücher, Bilanzen, Inventare
- 6 Jahre: Handelsbriefe, sonstige Geschäftsunterlagen
Mögliche strafrechtlich relevante Handlungen:
- Vernichtung von Belegen vor Ablauf der Frist
- Unzureichende Sicherung digitaler Buchführungssysteme
- Unvollständige Bilanzierung oder verspätete Einreichung
Strafmaß, Sanktionen und Rechtsfolgen
Strafrahmen
- Vorsätzliche Tat (§ 283b Abs. 1):
Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe - Fahrlässige Tat (§ 283b Abs. 2):
Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe
Weitere Konsequenzen:
- Berufsrechtliche Sanktionen
Verlust der Organstellung bei GmbH/AG - Eintragung ins Führungszeugnis / Bundeszentralregister
- Steuerstrafrechtliche Folgeanzeigen (§ 370 AO)
- Zivilrechtliche Regressforderungen
Abgrenzung zu anderen Delikten
§ 283 StGB (Insolvenzstraftaten)
§ 283 StGB verlangt eine Krise (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Fehlt diese Voraussetzung, kann § 283b StGB als Auffangtatbestand greifen.
§ 266 StGB (Untreue)
Die Verletzung der Buchführungspflicht kann auch eine Untreue darstellen, wenn Vermögensbetreuungspflichten verletzt werden und ein Vermögensnachteil eintritt.
§ 370 AO (Steuerhinterziehung)
Fehlerhafte Buchführung kann eine Steuerverkürzung verschleiern – in diesem Fall droht eine parallele Verfolgung nach der Abgabenordnung.
Verjährung
Die Strafverfolgungsverjährung beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Die Frist beginnt mit der Beendigung der Tathandlung, etwa mit der endgültigen Unterlassung der Bilanzierung oder der Vernichtung eines Dokuments.
Praktische Verteidigungsmöglichkeiten
Frühzeitige anwaltliche Beratung
Bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder Zustellung einer Vorladung sollte ein Strafverteidiger konsultiert werden. Ziel ist die frühzeitige Einflussnahme auf die Verfahrensentwicklung.

Verteidigungsstrategien
- Fehlender Vorsatz oder Sorgfaltspflichtverstoß
- Rechtsirrtum über Buchführungspflicht
- Beweisprobleme und Unklarheiten bei der Dokumentation
- Verfahrenshindernisse (z. B. Verjährung, Zuständigkeitsfragen)
Fazit
§ 283b StGB ist eine scharfe Waffe des Gesetzgebers gegen wirtschaftliches Fehlverhalten – auch außerhalb von Insolvenzverfahren. Betroffen sind insbesondere Geschäftsführer, Vorstände und Kaufleute, die gegen ihre Pflichten zur Buchführung, Bilanzierung oder Aufbewahrung verstoßen. Dabei genügt unter Umständen bereits Fahrlässigkeit.
Gerade wegen der hohen Komplexität der Norm, der Überschneidungen mit anderen Vorschriften und der möglichen beruflichen Konsequenzen ist anwaltliche Beratung unerlässlich. Wer eine Vorladung erhält oder anderweitig mit Ermittlungen konfrontiert wird, sollte keinesfalls eigenmächtig handeln, sondern auf die Expertise eines Fachanwalts für Strafrecht setzen.
FAQ – Häufige Fragen zur Buchführungspflichtverletzung
Welche Pflichten müssen für § 283b StGB verletzt werden?
Gesetzlich vorgeschriebene Buchführung, korrekte Bilanzierung und rechtzeitige Aufstellung sowie Aufbewahrungspflichten müssen verletzt sein.
Wer kann Täter sein?
Nur Personen mit Buchführungspflicht, insbesondere Geschäftsführer, Vorstände, Kaufleute.
Ist auch Fahrlässigkeit strafbar?
Ja, bei bestimmten Tatvarianten genügt bereits grobe Unachtsamkeit oder unzureichende Kontrolle.
Kann § 283b neben § 370 AO angewandt werden?
Ja, beide Vorschriften greifen unterschiedlich – eine parallele Anwendung ist möglich.
Wie verteidige ich mich bei einem Tatvorwurf?
Durch anwaltliche Beratung, Akteneinsicht, Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen und Entwicklung einer individuellen Verteidigungsstrategie.