Was ist die „gefährliche Körperverletzung“?
Erfüllt der Täter bei der Ausübung einer (einfachen) Körperverletzung nach § 223 Strafgesetzbuch (StGB) bestimmte Umstände, so kann eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB mit erhöhtem Strafmaß vorliegen. Diese Umstände ergeben sich aus dem eingesetzten Tatmittel oder der Art der Begehungsweise.
Eine gefährliche Körperverletzung liegt vor, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt und hierbei ein bestimmtes Tatmittel benutzt oder die Tat in einer besonderen Art und Weise begeht.
Wann ist die „gefährliche Körperverletzung“ strafbar?
Der Straftatbestand schützt die körperliche Unversehrtheit und das körperliche Wohlbefinden des Opfers.
Die gefährliche Körperverletzung setzt eine (einfache) Körperverletzung nach § 223 StGB voraus und bildet mit § 224 StGB einen sog. Qualifikationstatbestand. Liegt eine der Nummern des ersten Absatzes von § 224 StGB vor, erhöht sich der Strafrahmen wesentlich.
Grundtatbestand: § 223 StGB
Zunächst muss der Täter eine (einfache) Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB begehen. Er muss also das Opfer vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen, körperlich misshandeln oder an dessen Gesundheit schädigen.
Qualifikation: § 224 StGB
Diese körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung des Opfers muss durch ein vom Gesetz bestimmten Tatmittel oder durch eine bestimmte Art und Weise der Tatbegehung begangen worden sein. Dabei zählt der § 224 StGB in fünf Nummern die folgenden Tatmittel bzw. Begehungsweisen auf.
Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (Nr. 1)
Nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt eine gefährliche Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gefährlichen Stoffen begangen wird.
Als Gift werden Stoffe bezeichnet, die durch ihre chemisch oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit des Menschen im konkreten Fall erheblich schädigen.
- Gifte wie Arsen oder Zyankali
- starke Medikamente wie Schlafmittel
- Haushaltsstoffe in Überdosen (etwa Zucker, Kochsalz), auch Alkohol
- Säuren (etwa Salzsäure)
- Beibringung mechanisch wirkender Stoffe (z.B. Glasscherben)
- Beibringung thermisch wirkender Stoffe (heißes Wasser, Kaffee)
Waffe oder gefährliches Werkzeug (Nr. 2)
Nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt eine gefährliche Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges erfolgt.
Als Waffe wird ein Gegenstand bezeichnet, der dazu bestimmt ist, einem Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen, indem er auf den Körper einwirkt. Darunter fallen alle bekannten Waffen wie Pistolen, Gewehre, Messer, Schwerter oder Granaten.
Gefährliche Werkzeuge sind Gegenstände, die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art ihrer Verwendung dazu geeignet sind, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Dies führt dazu, dass auch ganz normale Haushaltsgegenstände wegen der konkreten Art ihrer Verwendung zu einem gefährlichen Werkzeug werden.
Beispiele sind:
- Schraubenzieher
- Autos
- angespitzte Bleistifte
- Pfefferspray
Auch ein Schuh kann ein gefährliches Werkzeug sein, wenn es sich zum Beispiel um einen Stiefel oder Stahlkappenschuh (Arbeitsschutzschuh, Springerstiefel) handelt. Gleiches geht für die Spitze von Stöckelschuhen. Unter gewissen Umständen ist die Eigenschaft als gefährliches Werkzeug selbst für Turnschuhe anerkannt.
Keine gefährlichen Werkzeuge sind hingegen:
- Körperteile wie Arme oder Hände: Die Gliedmaßen eines geschulten Kampfsportlers können zwar eine „waffengleiche“ Wirkung erzielen, sind aber keine gefährlichen Werkzeuge.
- Industrie-Schredder
- Das Schlagen eines Kopfes gegen eine Wand, macht die Wand nicht zu einem gefährlichen Werkzeug
Hinterlistiger Überfall (Nr. 3)
Eine gefährliche Körperverletzung liegt ebenfalls vor, wenn die Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls erfolgt.
Als hinterlistigen Überfall bezeichnet man einen Angriff, der planmäßig unter Verdeckung der wahren Absichten ausgeführt wird, sodass sich der Angegriffene nicht wehren kann. Das heimliche Verabreichen von Betäubungsmitteln kann einen hinterlistigen Überfall darstellen.
Mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich (Nr. 4)
Eine der häufigsten Form der gefährlichen Körperverletzung ist in § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB aufgeführt. Hiernach begeht jemand eine gefährliche Körperverletzung, wenn die Körperverletzung mit einem anderen gemeinschaftlich erfolgt.
Für eine gemeinschaftliche Begehung der Körperverletzung reicht es aus, dass mindestens zwei Personen am Tatort einvernehmlich zusammenwirken. Dabei ist es nicht erforderlich, dass auch beide die Körperverletzung begehen. Allein durch das gemeinsame Erscheinen mehrerer Personen besteht eine erhöhte Gefahr, die von den Beteiligten ausgeht und die einfache Körperverletzung qualifiziert. Schlägt also jemand zu und der andere feuert ihn dabei an, begeht man unter Umständen eine gemeinschaftliche Körperverletzung und damit eine gefährliche Körperverletzung.
Lebensgefährdende Behandlung (Nr. 5)
Letztlich liegt eine gefährliche Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung erfolgt.
Das Merkmal der lebensgefährdenden Behandlung ist oft gleichzeitig mit anderen Fallgruppen verwirklicht. Es reicht aus, dass durch die Körperverletzungshandlung eine abstrakte Lebensgefahr hervorgerufen wird. Dabei muss nach objektiven Maßstäben für einen umsichtigen Menschen erkennbar sein, dass von der Körperverletzungshandlung eine Lebensgefahr ausgeht.
Beispiele sind:
- Werfen aus einem schnell fahrenden Auto
- Schlagen des Kopfes gegen eine Wand
- Anfahren mit einem Auto
- Werfen in eiskaltes Wasser
- mehrfaches Einstechen mit einem Messer in den Brustbereich
- langes Würgen
- Infizieren mit HIV
Vorsatz
Der Täter muss die gefährliche Körperverletzung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen des Straftatbestandes verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Der Vorsatz muss sich ebenfalls auf das Tatmittel oder die bestimmte Begehungsweise nach § 224 StGB richten.
Handelt der Täter fahrlässig, also lässt er „nur“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, so liegt keine „fahrlässige gefährliche Körperverletzung“ vor, da das Gesetz eine solche Tat nicht kennt. In Betracht kommt jedoch eine fahrlässige (einfache) Körperverletzung nach § 229 StGB.
Einwilligung
Das Opfer kann in die gefährliche Körperverletzung einwilligen, vgl. § 228 StGB. Diese Einwilligung führt dazu, dass sich der Täter nicht strafbar macht.
Die Einwilligung muss bei vollem Verständnis der Sachlage erfolgt und nicht erschlichen worden sein. Möglich sind Einwilligungen beispielsweise bei Eingriffen von Ärzten, beim Fußballspiel sowie anderen Sportarten (Boxen, Karate etc.), aber auch bei bestimmten Sexualpraktiken („Sado-Maso“).
Versuch
Der Versuch ist nach § 224 Abs. 2 StGB strafbar. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutsgefährdung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei der gefährlichen Körperverletzung handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.
Strafe
Die Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine Geldstrafe ist nicht möglich.
In minder schweren Fällen kann eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren erfolgen.