Enkeltrick
Der Enkeltrick ist eine Betrugsmasche, bei der Kriminelle die Gutgläubigkeit älterer Menschen ausnutzen, indem sie sich als deren Enkel ausgeben. In diesem raffinierten Szenario spielen die Betrüger mit den Gefühlen von Vertrauen und Fürsorge, um ihre Opfer dazu zu bringen, Geld oder persönliche Informationen preiszugeben. Trotz zahlreicher Warnungen und Aufklärungskampagnen bleibt der Enkeltrick eine bedrohliche Herausforderung im Kampf gegen Betrugsdelikte, insbesondere in Bezug auf vulnerable Zielgruppen.

Der Enkeltrick ist eine der bekanntesten Formen des sogenannten Täuschungsbetrugs. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der sich Täter meist telefonisch oder über digitale Kanäle als naher Verwandter einer älteren Person ausgeben – mit dem Ziel, diese zur Übergabe von Bargeld oder Wertgegenständen zu bewegen.
Obwohl der Begriff „Enkeltrick“ harmlos klingt, handelt es sich juristisch gesehen um eine schwere Straftat, die erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Für Anwälte im Strafrecht ist es deshalb essenziell, jeden Fall individuell zu bewerten, das Tatgeschehen genau zu rekonstruieren und mögliche Strafmilderungen herauszuarbeiten.
Wie funktioniert der Enkeltrick?
Taktik der Täuschung
Der klassische Enkeltrick beginnt meist mit einem harmlos klingenden Anruf: „Hallo Oma, rate mal, wer hier ist.“ Das Opfer nennt aus gutem Glauben einen Namen – z. B. „Thomas?“ – und der Täter übernimmt diesen Namen. Durch geschickte Gesprächsführung, gezielte Fragen und emotionale Manipulation entsteht eine Bindung, die die Realität überlagert.
Aufbau emotionaler Dringlichkeit
Die Täter erzählen von einer dramatischen Notsituation – z. B. einem Verkehrsunfall oder einer dringenden Zahlung, um eine Gefängnisstrafe zu vermeiden. Dadurch soll das Opfer schnell handeln, ohne Rücksprache mit anderen zu halten.
Typisch sind Aussagen wie:
- „Ich kann nicht selbst kommen – ein Freund von mir holt das Geld ab.“
- „Bitte sag niemandem etwas, sonst bekomme ich großen Ärger.“
- „Ich zahle dir alles morgen zurück, versprochen.“
Übergabe und Geldtransfer
Die Geldübergabe erfolgt meist an der Haustür, auf einem Parkplatz oder in der Nähe eines bekannten Ortes. Oft tritt ein Mittäter als vermeintlicher Freund, Anwalt oder Polizist auf. Bargeldbeträge von mehreren Tausend Euro sind keine Seltenheit.

Varianten und Weiterentwicklungen des Enkeltricks
Der klassische Telefonbetrug wurde in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt. Tätergruppen passen ihre Methoden laufend an – auch unter Ausnutzung technischer Möglichkeiten.
WhatsApp- und SMS-Trick
Digitale Varianten des Enkeltricks nutzen Messenger-Dienste wie WhatsApp. Eine typische Nachricht lautet: „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt. Das ist meine neue Nummer. Ich brauche dringend deine Hilfe.“ Diese Methode ist besonders tückisch, da sie mit echten Alltagsproblemen wie Handyverlust oder Nummernwechsel spielt.
Der falsche Polizist
In einer anderen Variante gibt sich der Täter als Kriminalbeamter aus. Er warnt vor angeblich bevorstehenden Einbrüchen und bittet darum, Bargeld oder Schmuck „sicherzustellen“, indem es an einen „Kollegen“ übergeben wird.
Gewinnspieltricks & Vortäuschung amtlicher Autorität
Opfer werden über angebliche Lottogewinne oder Steuerrückzahlungen informiert – die Auszahlung sei jedoch nur gegen Zahlung einer „Gebühr“ möglich. In komplexeren Szenarien geben sich Täter als Staatsanwalt oder Richter aus, um eine vermeintliche Ermittlungsmaßnahme zu inszenieren.
Kettenbetrug
Besonders raffiniert sind gestaffelte Täuschungsversuche, bei denen zunächst ein Enkel anruft, gefolgt von einem vermeintlichen Polizisten, der erklärt, der vorherige Anruf sei Teil einer Ermittlung. Ziel ist es, das Opfer zu verwirren und zur „Mitarbeit“ bei einer angeblichen Strafverfolgung zu bewegen.
Die rechtliche Bewertung: § 263 StGB
Juristisch fällt der Enkeltrick unter den Straftatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB). Dieser umfasst:
- eine Täuschung über Tatsachen,
- die darauf beruhende Irrtumsbildung beim Opfer,
- eine Vermögensverfügung durch das Opfer selbst,
- und einen daraus resultierenden Vermögensschaden.
Strafrahmen beim einfachen Betrug
Der einfache Betrug ist mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. In der Praxis hängt das Strafmaß stark vom Ausmaß der Täuschung und der Höhe des entstandenen Schadens ab.
Besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 StGB)
Besonders relevant in der Praxis des Enkeltricks sind folgende Regelbeispiele für besonders schwere Fälle:
- Gewerbsmäßiger Betrug (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB): Wenn der Täter regelmäßig handelt, um sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen.
- Bandenmäßiger Betrug (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB): Wenn sich mehrere Personen zusammenschließen, um gemeinsam Straftaten zu begehen.
- Hoher Schaden: Ab einem Vermögensverlust von über 50.000 Euro spricht man von einem „besonders großen Schaden“, was sich ebenfalls strafschärfend auswirkt.
Mögliche Strafen
In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorgesehen. Eine Geldstrafe ist dann nicht mehr möglich.
Verteidigungsmöglichkeiten für Beschuldigte
Für Angeklagte ist es entscheidend, frühzeitig mit einem erfahrenen Strafverteidiger zu sprechen. Die Verteidigungsstrategie hängt vom jeweiligen Tatvorwurf und dem Stand des Ermittlungsverfahrens ab.
Vorsatzbestreitung
Betrug setzt vorsätzliches Handeln voraus. Kann der Vorsatz nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden – etwa weil der Angeklagte über die wahre Natur des Geschehens im Unklaren war – entfällt die Strafbarkeit.
Keine Tatherrschaft
Wurde der Beschuldigte lediglich als Bote, Kurier oder Zwischenperson eingesetzt, ohne Kenntnis der Gesamtplanung, kann die Abgrenzung zur Täterschaft oder Beihilfe entscheidend sein.
Fehlende Beweismittel
Gerade bei Betrugstaten ohne Zeugen oder technische Beweise (z. B. Tonaufnahmen, Videoüberwachung) ist die Beweislage oft dünn. Aussagen geschädigter Personen reichen allein selten für eine Verurteilung – vor allem bei vagen Erinnerungen oder fehlender Erkennbarkeit.
Kooperation mit Ermittlungsbehörden
Ein kooperatives Verhalten kann sich positiv auf das Strafmaß auswirken. Wer hilft, weitere Täter zu identifizieren oder Schaden wiedergutmacht, zeigt Reue und kann auf Milderung hoffen.
Wiedergutmachung
Die Rückzahlung der erlangten Gelder oder ein Vergleich mit den Geschädigten kann ebenfalls strafmildernd berücksichtigt werden (§ 46a StGB – Täter-Opfer-Ausgleich).
Digitalisierung und Strafverfolgung
Die Täter passen ihre Maschen kontinuierlich an neue Kommunikationswege an. Moderne Ermittlungsverfahren nutzen inzwischen:
- Rückverfolgung von IP-Adressen
- Spracherkennungssoftware
- Ortungsdienste bei Botenübergaben
- Auswertung von Chatverläufen bei Messengerbetrug
Gleichzeitig bringt die Digitalisierung Herausforderungen mit sich: SIM-Karten auf Fake-IDs, VPN-Telefonie und anonyme Kryptowährungs-Transaktionen erschweren die Identifikation der Täter.

Beispielfall aus der Rechtsprechung: Urteil des OLG Nürnberg
Das OLG Nürnberg hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Bank haftet, wenn ein Rentner durch einen Enkeltrickbetrüger zur Abhebung eines fünfstelligen Betrags gebracht wurde. Das Urteil: Nein – Banken trifft keine Pflicht zur Überprüfung ungewöhnlicher Bargeldabhebungen. Die Verantwortung liege allein beim Täter. Für Verteidiger ist diese Entscheidung bedeutsam, da sie zeigt, wie stark das Strafrecht in solchen Fällen auf subjektives Verhalten fokussiert.
Grenzfälle der Strafbarkeit
Nicht jede Beteiligung an einem Enkeltrick ist automatisch strafbar. Beispiel:
- Ein Taxifahrer, der einen Täter zum Opfer fährt, weiß nichts vom Hintergrund – keine Strafbarkeit.
- Ein Bote, der „nur ein Paket abholen soll“, ohne über den Inhalt Bescheid zu wissen, kann möglicherweise straffrei bleiben.
Hier gilt: Die konkrete Kenntnis der Täuschungshandlung ist der Schlüssel zur strafrechtlichen Verantwortung.
Fazit
Der Enkeltrick ist mehr als nur ein Trick – er ist ein komplexes Täuschungsdelikt, das hohe Anforderungen an Justiz, Polizei und Strafverteidigung stellt. Für Anwälte im Strafrecht kommt es darauf an, jeden Fall präzise zu analysieren, Beteiligungsgrade korrekt einzuordnen und strategisch klug zu verteidigen. Denn gerade in einem medial hochsensiblen Umfeld ist die Gefahr groß, dass Beschuldigte vorschnell verurteilt werden – ohne lückenlose Beweisführung.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Welche Strafen drohen bei bandenmäßigem Enkeltrick?
Bei bandenmäßigem Betrug kann eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren verhängt werden – ohne Möglichkeit einer Geldstrafe.
Was ist der Unterschied zwischen Täterschaft und Beihilfe?
Ein Täter handelt eigenverantwortlich und mit Planung. Ein Gehilfe unterstützt lediglich – oft ohne vollständige Kenntnis. Der Unterschied ist entscheidend für das Strafmaß.
Ist ein Geständnis immer vorteilhaft?
Ein frühes, glaubwürdiges Geständnis kann das Strafmaß mildern – insbesondere bei gleichzeitiger Schadenswiedergutmachung oder Aussage gegen Mitangeklagte.
Wie kann man sich gegen Vorwürfe wehren?
Nur durch professionellen rechtlichen Beistand. Aussagen ohne anwaltliche Beratung sind dringend zu vermeiden.
Kann ein Verfahren auch eingestellt werden?
Ja – insbesondere bei geringer Schuld, fehlendem Vorsatz oder fehlender Tatbeteiligung kann das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt werden.