Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist ein häufig missverstandener Straftatbestand im deutschen Recht. Während der Fokus vieler strafrechtlicher Regelungen auf dem Schutz von Personen liegt, verfolgt § 183a StGB das Ziel, die Allgemeinheit vor ungewollten Konfrontationen mit erheblichen sexuellen Handlungen zu schützen. Doch wann liegt eine Strafbarkeit vor, welche Handlungen sind erlaubt, und welche Strafen drohen? Hier erhalten Sie einen umfassenden Überblick.
Was ist die Erregung öffentlichen Ärgernisses?
Nach § 183a StGB macht sich strafbar, wer in der Öffentlichkeit sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt. Im Kern schützt diese Vorschrift die öffentliche Ordnung sowie das sittliche Empfinden der Gesellschaft.
Die Norm ist jedoch umstritten: Kritiker argumentieren, dass die Strafbarkeit in vielen Fällen überzogen sei und derartige Verhaltensweisen besser durch das Ordnungswidrigkeitenrecht geahndet werden sollten. Trotzdem ist § 183a StGB nach wie vor geltendes Recht und führt in der Praxis immer wieder zu Strafverfahren.
Die rechtlichen Grundlagen von § 183a StGB
Laut Gesetz lautet der Tatbestand:
„Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Für eine Strafbarkeit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Öffentliche Handlung
Die sexuelle Handlung muss an einem Ort erfolgen, der von einem unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden kann. Dies umfasst:
- Straßen, Parks und öffentliche Verkehrsmittel
- Öffentliche Gebäude wie Bahnhöfe oder Kaufhäuser
- Öffentlich zugängliche Bereiche, z. B. Parkplätze oder Hauseingänge
Nicht öffentlich sind Handlungen, die nur in einem geschlossenen und privaten Kreis stattfinden, etwa:
- In einem uneinsehbaren Garten
- Innerhalb einer geschlossenen Gesellschaft (z. B. ein FKK-Club)
2. Sexuelle Handlung von Erheblichkeit
Nicht jede Handlung, die sexualbezogen wirkt, erfüllt die Voraussetzungen des § 183a StGB. Entscheidend ist, ob die Handlung eine erhebliche sexuelle Komponente hat.
Erheblich und strafbar sind etwa:
- Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit
- Masturbation
- Oral- oder Analverkehr
- Manipulation an entblößten Geschlechtsorganen
Nicht erheblich und nicht strafbar sind z. B.:
- Küsse oder leichtes Streicheln
- Nacktsein an FKK-Stränden oder in Parks, wo dies gesellschaftlich akzeptiert ist
- Sonnenbaden mit freiem Oberkörper
3. Erregung eines Ärgernisses
Mindestens eine Person muss die Handlung wahrnehmen und als störend empfinden. Typische Reaktionen sind:
- Scham, Ekel oder Abscheu
- Entsetzen oder Schrecken
Nicht ausreichend ist es, wenn die Handlung lediglich Verwunderung oder Belustigung auslöst. Wer sich bewusst an Orte begibt, an denen mit sexuellen Handlungen zu rechnen ist, wie etwa in Swinger-Clubs oder FKK-Bereichen, kann grundsätzlich kein rechtliches Ärgernis empfinden.
4. Vorsatz
Der Täter muss die Handlung absichtlich oder wissentlich vorgenommen haben. Das bedeutet: Der Täter muss entweder mit dem Ziel handeln, ein Ärgernis zu erregen, oder zumindest sicher wissen, dass seine Handlung stören könnte.
Kein Vorsatz liegt vor, wenn der Täter davon ausging, unbeobachtet zu sein, oder Maßnahmen ergriff, um eine Entdeckung zu verhindern.
Unterschied zu § 183 StGB (Exhibitionismus)
Ein häufiger Irrtum besteht darin, die Erregung öffentlichen Ärgernisses mit dem Straftatbestand des Exhibitionismus gleichzusetzen.
- Exhibitionismus (§ 183 StGB):
Betrifft ausschließlich Männer, die sich mit dem Ziel der sexuellen Erregung entblößen. - Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB):
Geschlechtsneutral. Es können sowohl Männer als auch Frauen belangt werden.
Ein weiterer Unterschied liegt in der Art der Handlung: Während Exhibitionismus das gezielte Zurschaustellen der Geschlechtsorgane erfordert, umfasst § 183a StGB jegliche erhebliche sexuelle Handlungen.
Typische Beispiele aus der Praxis
Sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit:
- Geschlechtsverkehr in Parks, auf Parkplätzen oder an Stränden
- Masturbation in öffentlichen Verkehrsmitteln
Unklare Privatsphäre:
- Nacktheit auf dem Balkon oder im Garten, wenn diese Bereiche für Nachbarn oder Passanten einsehbar sind
- Sexuelle Handlungen in Fahrzeugen auf öffentlichen Parkplätzen
Nicht strafbare Handlungen:
- Nackt-Selfies oder Nacktbaden an Orten, wo dies üblich ist
- „Flitzer“ im Stadion, die sich aus Spaß nackt zeigen, ohne sexuellen Bezug
Strafen und Konsequenzen
Eine Verurteilung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses kann schwerwiegende Folgen haben. Die mögliche Strafe umfasst:
- Freiheitsstrafe: Bis zu einem Jahr
- Geldstrafe: Die Höhe wird anhand der persönlichen Verhältnisse des Täters berechnet
Zusätzliche Konsequenzen:
- Eintrag ins Führungszeugnis: Abhängig von der Höhe der Strafe kann ein Eintrag erfolgen, der sich negativ auf die berufliche Zukunft auswirken kann.
- Soziale Stigmatisierung: Der Vorwurf des ungebührlichen Verhaltens kann das persönliche und berufliche Umfeld belasten.
Verteidigungsstrategien für Betroffene
Betroffene können sich in einem Strafverfahren gegen den Vorwurf der Erregung öffentlichen Ärgernisses verteidigen. Erfolgreiche Ansätze sind:
- Abstreiten der Öffentlichkeit: War der Ort tatsächlich öffentlich zugänglich?
- Erheblichkeit bestreiten: War die Handlung wirklich geeignet, ein Ärgernis zu erregen?
- Fehlender Vorsatz: Hatte der Täter nicht die Absicht, jemanden zu belästigen, oder fühlte er sich unbeobachtet?
Ein erfahrener Strafverteidiger kann in vielen Fällen eine Einstellung des Verfahrens oder eine geringe Strafe erreichen.
Prävention: Wie vermeidet man rechtliche Probleme?
Wer sich rechtlich absichern möchte, sollte Folgendes beachten:
- Diskretion: Öffentliche sexuelle Handlungen sollten unbedingt vermieden werden.
- Sichtschutz: Im privaten Garten oder auf dem Balkon können einfache Maßnahmen wie Sichtschutzwände helfen.
- Rechtsberatung: Bei Unsicherheiten über die Rechtslage lohnt es sich, eine juristische Beratung einzuholen.
Fazit: Ein sensibler Straftatbestand
Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist ein sensibler Straftatbestand, der stark von den Umständen abhängt. Nicht jede sexualbezogene Handlung ist automatisch strafbar – entscheidend sind die Öffentlichkeit, die Erheblichkeit der Handlung und der Vorsatz des Täters.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
- Ist Nacktbaden strafbar?
Nein, an Orten wie FKK-Stränden ist Nacktbaden erlaubt. - Erscheint eine Verurteilung im Führungszeugnis?
Geldstrafen unter 90 Tagessätzen erscheinen meist nicht im Führungszeugnis. - Kann Wildpinkeln unter § 183a StGB fallen?
In der Regel nicht, da es an der sexuellen Erheblichkeit fehlt. - Sind Frauen auch betroffen?
Ja, § 183a StGB gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. - Wie unterscheidet sich § 183a StGB von Exhibitionismus?
Exhibitionismus ist ausschließlich Männern vorbehalten, während § 183a StGB geschlechtsneutral ist und auf jede sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit abzielt.