Was ist das „Erschleichen von Leistungen“?
Das Fahren mit der Bahn, das gebührenpflichtige Parken oder der Besuch des Fitnessstudios sind nur einige wenige Beispiele von der Vielzahl an Leistungen, die täglich in Anspruch genommen werden. Sie werden üblicherweise gegen eine Gegenleistung, meist in Form von Geld, erbracht. Das rechtswidrige Übergehen dieser Gegenleistung kann den Straftatbestand der Erschleichung von Leistungen erfüllen, der gem. § 265a StGB wie folgt unter Strafe steht.
Wann ist das „Erschleichen von Leistungen“ strafbar?
Der Straftatbestand „Erschleichen von Leistungen“ schützt das Vermögen des Opfers. Um sich nach § 265a StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
Tatobjekt: Entgeltliche Leistung
Bei dem Tatobjekt muss es sich um entgeltliche Leistung handeln. Unter einer Leistung wird jede Dienstleistung gegen Entgelt verstanden (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Diese Leistungen sind im Absatz eins des Straftatbestandes abschließend aufgezählt. Die Entgeltlichkeit erfolgt durch eine Gegenleistung, meist in Form von Geld.
Nach § 265a Abs. 1 Var. 1 StGB kann die Leistung durch einen Automaten erfolgen. Nach herrschender Ansicht werden hier nur Leistungsautomaten, nicht aber Warenautomaten erfasst. Leistungsautomaten erbringen gegen Entgelt eine unkörperliche Leistung. Das sind zum Beispiel Musikboxen, Videospiel-, Glücksspiel-, Wasch-, Foto- und Geldautomaten sowie Gepäck- und Schließfächer. Der Automat muss die Leistung also selbst erbringen; er darf nicht als Kontrollmechanismus oder Kasse dienen.

Nicht erfasst werden hingegen Warenautomaten, also Automaten, die gegen Entgelt einen körperlichen Gegenstand erbringen bzw. übergeben. Das sind zum Beispiel Zigaretten-, Getränke-, Fahrkarten- und Parkautomaten. Das Entleeren steht hier bereits möglicherweise wegen Diebstahls nach § 242 StGB unter Strafe.
Nach § 265a Abs. 1 Var. 2 StGB kann die Leistung auch durch einen den öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes erfolgen. Unter einem Telekommunikationsnetz wird jedes Nachrichtenübertragungssystem, wie Telefon-, Rundfunk- oder Internetnetze verstanden. Der Täter muss dahingehend in ordnungswidriger Weise die technischen Schutzvorrichtungen umgehen. Das bloße unbefugte Telefonieren reicht hierfür nicht aus.
Nach § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB kann die Leistung auch in der Beförderung durch ein Verkehrsmittel bestehen. Hierunter fallen jegliche Arten von Transportleistungen. Das kann das Transportieren durch LKWs oder PKWs bzw. die Beförderung mittels Bus, Bahn oder Taxi, sein. Eine strafbare Handlung ist hier insbesondere das „Schwarzfahren“.
Nach § 265a Abs. 1 Var. 4 StGB kann die Leistung auch in dem Zutritt zu einer Veranstaltung oder Einrichtung liegen. Veranstaltungen sind zeitlich begrenzte Ereignisse, wie Konzerte oder Theateraufführungen. Einrichtungen sind hingegen Räumlichkeiten die einem bestimmten Zweck dienen, wie Fitnessstudios, Schwimmbäder oder Museen. Der Zutritt ist dann die körperliche Anwesenheit an dem jeweiligen Ort.
Tathandlung: Erschleichen von Leistungen
Der Täter müsste sodann die Leistung erschlichen haben. Unter Erschleichen wird jedes ordnungswidrige Erlangen durch Umgehung oder Ausschaltung von Sicherheitsvorkehrungen verstanden. Das Verhalten des Täters muss dabei in manipulativer Weise erfolgen, um so die Leistung zu erhalten. Das kann beispielsweise durch den Einwurf von Falschgeld in einen Automaten erfolgen oder wenn der Täter ohne gültigen Fahrschein mit der Bahn fährt bzw. ohne gültiges Ticket ein Konzert besucht. Es reicht jedoch schon aus, wenn der Täter in vertragswidriger Weise die Leistung in Anspruch nimmt.
Vorsatz
Der Täter muss das Erschleichen der Leistung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen des Straftatbestandes verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter das Erschleichen billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).
Handelt der Täter jedoch nur fahrlässig, also lässt er „nur“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, so ist dies mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar.
Zudem müsste der Täter mit der Absicht gehandelt haben, das Entgelt nicht bzw. nicht vollständig zu entrichten.

Versuch
Auch der Versuch der Erschleichung der Leistungen steht gem. § 265a Abs. 2 StGB unter Strafe. Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Rechtsgutverletzung bevorstehen. Der Täter muss also mit der Tathandlung begonnen haben. Zudem muss er mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.
Strafantrag
Bei dem Erschleichen von Leistungen nach § 265a StGB handelt es sich grundsätzlich um ein sog. Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten ist dabei nicht erforderlich.
Ist das Opfer (Eigentümer oder Gewahrsamsinhaber) jedoch ein Angehöriger (z. B. Ehegatten, Verlobte), der Vormund oder der Betreuer des Täters oder lebt das Opfer in häuslicher Gemeinschaft mit dem Täter, wie Eheleute oder eine Wohngemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag des Opfers verfolgt (vgl. §§ 265a Abs. 3, 247 StGB).
Handelt es sich bei dem Tatobjekt um eine geringwertige Sache (Wert unter 50 Euro), so wird die Tat nur auf Antrag des Opfers verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) aufgrund besonderen öffentlichen Interesses eine Strafverfolgung von Amts wegen für geboten hält (vgl. §§ 265a Abs. 3, 248a StGB).
Strafe
Die Strafe für das Erschleichen von Leistungen gem. § 265a Abs. 1 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe vor.
Der Täter wird jedoch nur dann bestraft, wenn die Tat nicht durch einen anderen Straftatbestand mit schwererer Strafe bedroht ist, vgl. § 265a Abs. 1 StGB. Hierbei kommen insbesondere der Betrug nach § 263 StGB, der Computerbetrug nach § 263a StGB sowie der Diebstahl nach § 242 StGB in Betracht.
Beispiele
Beförderungserschleichung und Schwarzfahren
Ein besonders häufiger Anwendungsfall der Erschleichung von Leistungen ist die sogenannte Beförderungserschleichung. Dieser Begriff beschreibt das unberechtigte Inanspruchnehmen von Transportdienstleistungen, ohne dafür den erforderlichen Fahrpreis zu zahlen. Im Alltag ist das insbesondere unter dem Begriff Schwarzfahren bekannt – also das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel wie Busse oder Bahnen ohne gültigen Fahrschein. Aber auch wer in ein Taxi steigt und bewusst nicht vorhat, den Fahrpreis zu bezahlen, kann sich strafbar machen. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Fahrgast während der Fahrt kontrolliert wird, sondern ob er die Leistung in manipulativer oder täuschender Weise in Anspruch nimmt, ohne zu zahlen.
Taxis als Tatobjekt
Die Beförderung durch ein Taxi fällt ebenfalls unter die strafrechtlich relevante Leistung im Sinne von § 265a StGB. Wer sich etwa ein Taxi bestellt, einsteigt, sich befördern lässt und anschließend ohne zu zahlen flüchtet oder erklärt, nicht zahlungsfähig zu sein, kann sich wegen Beförderungserschleichung strafbar machen. Es kommt dabei nicht auf eine körperliche Barriere oder technische Kontrollvorrichtung an, sondern auf die Täuschung über die Zahlungsbereitschaft oder -fähigkeit, mit der die Dienstleistung erschlichen wird.
Sozialleistungen und § 265a StGB
Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Bürgergeld sind in der Regel keine entgeltlichen Leistungen im Sinne des § 265a StGB, da sie nicht gegen eine unmittelbare Gegenleistung gewährt werden. Eine unberechtigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen stellt daher keine Erschleichung von Leistungen im strafrechtlichen Sinne dar. Allerdings kann in solchen Fällen ein Betrug gemäß § 263 StGB vorliegen, etwa wenn bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht werden, um Leistungen zu erhalten. Eine strafbare Handlung liegt also auch hier vor – allerdings unter einem anderen Tatbestand.
Weiterführende Informationen sind im Artikel Schwarzfahren: Folgen und Konsequenzen zu finden.
Häufige Fragen
Bei dem sog. “Taxi prellen” wird keine Art von Barriere oder Kontrolle überwunden, weshalb die Leistungserschleichung schon nicht in Betracht kommt. Außerdem ist § 265a StGB subsidiär, d.h. er tritt zurück, soweit ein anderes Delikt mit schwererer Strafe erfüllt worden ist. Beim Taxiprellen ist der Tatbestand des Betruges gem. § 263 StGB erfüllt.
Der § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen) dient vor allem gegenüber dem Betrug als Auffangtatbestand. Das bedeutet, dass er herangezogen werden kann, wenn bestimmte Merkmale des Betruges (bspw. die Täuschungshandlung) nicht verwirklicht wurden.
Wie oft das Schwarzfahren wiederholt werden muss, bis es zur Anzeige kommt, entscheiden die Verkehrsbetriebe selbst. Häufig wird es so sein, dass die Verkehrsbetriebe einen Schwarzfahrer nach dem 3. Mal anzeigen, dies ist allerdings nicht generell festgelegt.
Die Leistungserschleichung verjährt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB in drei Jahren und beginnt mit der Beendigung der Tat.


