Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Erfolgt eine Beleidigung (§ 185 StGB), eine üble Nachrede (§ 186 StGB) oder eine Verleumdung (§ 187 StGB) gegen eine Person des politischen Lebens, so kann sich der Täter nach § 188 StGB strafbar machen. Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und welche Strafen drohen, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Die Demokratie lebt vom offenen Diskurs, von politischer Auseinandersetzung und auch von zugespitzter Kritik. Doch was, wenn diese Kritik in persönliche Angriffe umschlägt? Wenn Politiker gezielt beleidigt oder verleumdet werden – nicht aus politischer Überzeugung, sondern um sie mundtot zu machen? Genau hier greift § 188 StGB. Diese Norm schützt nicht die Eitelkeit der Mächtigen, sondern die Integrität des politischen Diskurses. Denn wer das Vertrauen in demokratische Repräsentanten systematisch untergräbt, beschädigt mehr als nur ein Individuum – er greift die demokratische Grundordnung an.

Ziel dieser Vorschrift ist es, politisch tätige Personen vor gezielten, ehrverletzenden Angriffen zu bewahren, die ihre Ausübung des Mandats oder ihrer Funktion massiv beeinträchtigen können. Gleichzeitig soll aber auch sichergestellt werden, dass die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG nicht unzulässig eingeschränkt wird. Es gilt also, eine feine juristische Gratwanderung zu meistern.

Gesetzliche Grundlage: § 188 StGB im Überblick

Der § 188 StGB stellt eine besondere Vorschrift im System der Ehrdelikte dar. Der genaue Wortlaut des Gesetzes gliedert sich in zwei Absätze:

  • Absatz 1 betrifft die Beleidigung gegenüber politischen Personen.

  • Absatz 2 betrifft üble Nachrede und Verleumdung gegenüber denselben Personen und stellt diese besonders unter Strafe.

Im Unterschied zu den allgemeinen §§ 185 bis 187 StGB verlangt § 188 StGB zusätzlich, dass die Tat geeignet ist, das öffentliche Wirken der betroffenen Person erheblich zu erschweren. Es geht also nicht nur um die Ehrverletzung selbst, sondern um die Auswirkungen auf die politische Funktionsfähigkeit.

Dieser Schutzmechanismus wurde in den letzten Jahren angesichts zunehmender Hasskampagnen gegen Politiker insbesondere im Internet politisch und juristisch intensiv diskutiert – und mehrfach durch Gerichte als notwendig bestätigt.

Wer ist geschützt? – Die „Personen des politischen Lebens“

Ein zentrales Tatbestandsmerkmal ist, dass sich die Tat gegen eine „Person des politischen Lebens“ richtet. Aber wer genau fällt darunter?

Juristische Definition

Laut herrschender Meinung umfasst der Begriff:

  • Berufspolitiker mit Mandat auf Bundes- oder Landesebene (z. B. Bundestags- oder Landtagsabgeordnete)

  • Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung

  • Richter am Bundesverfassungsgericht, da sie maßgeblich am politischen Prozess mitwirken

Nicht geschützt sind dagegen Personen des öffentlichen Lebens ohne politische Funktion – etwa Journalisten, Aktivisten, Unternehmer oder auch Kommunalpolitiker.

Praktische Bedeutung

Diese Unterscheidung ist von zentraler Bedeutung für die Strafbarkeit. In vielen Fällen stellt sich im Ermittlungsverfahren zunächst die Frage, ob das Opfer überhaupt unter den Schutzbereich von § 188 StGB fällt – eine Verteidigungsstrategie, die in der Praxis regelmäßig erfolgreich ist.

Beispiel: Die Beleidigung eines Bürgermeisters fällt nicht unter § 188, sondern „nur“ unter § 185 StGB, da Bürgermeister kommunale Funktionsträger sind.

Was ist strafbar? – Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Die Tathandlungen knüpfen inhaltlich an die §§ 185 ff. StGB an, jedoch mit dem erwähnten Zusatzmerkmal der Erschwernis des öffentlichen Wirkens.

Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Beleidigung (§ 185 StGB)

Eine Beleidigung liegt vor, wenn eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung gegenüber dem Opfer erfolgt – sei es verbal, schriftlich oder durch Gesten. Im politischen Kontext sind solche Beleidigungen häufig besonders perfide, weil sie gezielt die persönliche Integrität angreifen.

Fallbeispiel aus der Praxis: Ein Demonstrant hält ein Plakat hoch, auf dem eine Bundesministerin mit nationalsozialistischer Symbolik dargestellt wird. Diese Darstellung kann nicht nur als Beleidigung, sondern auch als Volksverhetzung gewertet werden.

Üble Nachrede (§ 186 StGB)

Hier wird eine nicht erweislich wahre Tatsache verbreitet, die geeignet ist, den Ruf der betroffenen Person zu schädigen. Die Strafbarkeit tritt bereits bei Fahrlässigkeit in Bezug auf die Wahrheit ein, sodass sich auch Personen strafbar machen können, die ungeprüfte Inhalte teilen oder kommentieren.

Typisches Beispiel: In einem Blogpost wird behauptet, ein Bundestagsabgeordneter habe illegale Parteispenden angenommen – Belege dafür gibt es nicht.

Verleumdung (§ 187 StGB)

Die schwerste Form ist die Verleumdung: Der Täter behauptet oder verbreitet bewusst falsche Tatsachen mit dem Ziel, die Ehre des Betroffenen zu beschädigen. Der Vorsatz zur Unwahrheit ist hier entscheidend.

Praxisfall: Ein Video auf YouTube unterstellt einer Politikerin, sie habe in ihrer früheren Tätigkeit Amtsmissbrauch begangen – obwohl dies nachweislich widerlegt ist. Das Video wird millionenfach geteilt.

Das zentrale Tatbestandsmerkmal: Erschwernis des öffentlichen Wirkens

§ 188 StGB verlangt, dass die Tat das öffentliche Wirken des Betroffenen erheblich erschwert. Was heißt das konkret?

Juristische Bedeutung

Die Aussage muss geeignet sein, das Ansehen und die Funktionsfähigkeit der betroffenen Person im politischen Raum zu beeinträchtigen. Dabei ist nicht entscheidend, wie viele Menschen die Aussage gesehen oder gehört haben, sondern wie gravierend die Inhalte sind.

Kriterien aus der Rechtsprechung

  • Inhaltliche Schwere der Äußerung

  • Medium (z. B. Presse, Social Media)

  • Wirkungskreis der betroffenen Person

  • Mögliche politische Konsequenzen (z. B. Rücktrittsdruck)

Gerichte bewerten in der Praxis oft sehr differenziert, ob eine politische Funktion tatsächlich durch die Aussage gefährdet wurde – und ob das Ausmaß der Diffamierung über das übliche Maß hinausgeht.

Vorsatz: Nicht jedes Missverständnis ist strafbar

Der Täter muss die Tat vorsätzlich begangen haben. Das bedeutet, er muss wissen (oder zumindest billigend in Kauf nehmen), dass seine Aussage geeignet ist, das öffentliche Wirken der betroffenen Person erheblich zu erschweren.

Beispiel: Jemand verbreitet eine „Satire“-Meldung, die bewusst irreführend formuliert ist, um eine Politikerin zu diskreditieren. Auch hier kann Vorsatz vorliegen, wenn der Täter deren Wirkung kennt und nutzt.

Verteidiger können an dieser Stelle ansetzen: War sich der Beschuldigte der Wirkung bewusst? Lag tatsächlich eine Tatsachenbehauptung oder bloß eine Meinungsäußerung vor?

Keine Versuchsstrafbarkeit

Ein geplanter, aber nicht umgesetzter Angriff auf die Ehre ist nicht strafbar. Das ergibt sich aus dem Gesetz: Der Versuch nach § 188 StGB ist nicht normiert. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Verteidigung in Fällen, in denen etwa E-Mails geschrieben, aber nicht abgeschickt wurden.

Strafantrag oder Amtsverfahren?

§ 188 ist ein relatives Antragsdelikt. Das heißt: Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, die Staatsanwaltschaft nimmt ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung an.

In der Praxis wird in Fällen, die bundespolitisch relevant oder medial brisant sind, häufig auch ohne Antrag ermittelt.

Beispiel: Bei massiven Diffamierungen im Bundestagswahlkampf kann die Staatsanwaltschaft auch ohne expliziten Antrag tätig werden.

Strafandrohung: Deutlich verschärfte Konsequenzen

Die Strafandrohung richtet sich nach der Schwere der Tathandlung:

  • Beleidigung (§ 188 Abs. 1): Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

  • Üble Nachrede (§ 188 Abs. 2): Freiheitsstrafe 3 Monate bis 5 Jahre (keine Geldstrafe möglich!)

  • Verleumdung (§ 188 Abs. 2): Freiheitsstrafe 6 Monate bis 5 Jahre

Besonders relevant: Bei den Absätzen des § 188 Abs. 2 ist keine Geldstrafe vorgesehen – es droht in jedem Fall eine Freiheitsstrafe, auch wenn diese zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung

Verteidigungsstrategien: Was Anwälte tun können

Angriff auf Tatbestandsmerkmale

  • War die betroffene Person tatsächlich eine „Person des politischen Lebens“?

  • Liegt eine Tatsachenbehauptung oder nur eine Wertäußerung vor?

  • War das öffentliche Wirken tatsächlich erheblich erschwert?

Verweis auf Meinungsfreiheit

  • Ist die Äußerung durch Art. 5 GG gedeckt?

  • Liegt eine zulässige politische Debatte oder Satire vor?

Analyse des Vorsatzes

  • Hatte der Beschuldigte die nötige innere Einstellung zur Tat?

  • Hat er die Folgen seines Handelns erkannt?

Fehler im Verfahren

  • Wurde ein Strafantrag korrekt gestellt?

  • Gibt es Verfahrensverstöße?

Abgrenzung zu legitimer Kritik: Wo liegt die Grenze?

In einer Demokratie muss scharfe politische Kritik erlaubt sein. Doch es gibt Grenzen:

  • Keine bewussten Falschinformationen

  • Keine persönlichen Diffamierungen

  • Keine pauschalen Hetzkampagnen

Die Rechtsprechung – auch des Bundesverfassungsgerichts – verlangt eine Abwägung im Einzelfall. Der Kontext, die Formulierung, das Medium und die Zielrichtung spielen eine entscheidende Rolle.

Fazit: Demokratie braucht Schutzräume

§ 188 StGB ist kein „Maulkorb-Gesetz“, sondern ein Instrument zum Schutz der demokratischen Grundordnung. Politisch tätige Personen müssen in der Lage sein, ihre Aufgaben frei und ohne Angst vor Verleumdung oder Hasskampagnen auszuüben.

Gleichzeitig bleibt die Meinungsfreiheit unantastbar – solange sie nicht als Vorwand für gezielte Rufschädigung dient. Der Grat zwischen legitimer Kritik und strafbarer Ehrverletzung ist schmal – und gehört in die Hände erfahrener Verteidiger.


FAQs

Was ist der Unterschied zwischen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung nach § 188 StGB?
Beleidigung betrifft persönliche Herabsetzungen, üble Nachrede unbewiesene Tatsachenbehauptungen, Verleumdung bewusst falsche Tatsachen mit Schädigungsabsicht.

Wer ist eine „Person des politischen Lebens“?
Politiker auf Bundes- oder Landesebene sowie Bundesverfassungsrichter – nicht jedoch kommunale Amtsträger oder Prominente.

Ist jede Kritik an Politikern strafbar?
Nein, politische Kritik ist durch Art. 5 GG geschützt. Strafbar wird sie nur bei gezielter Diffamierung oder Unwahrheit.

Wie hoch sind die Strafen nach § 188 StGB?
Bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe – bei Verleumdung mindestens 6 Monate, bei übler Nachrede mindestens 3 Monate.

Was kann ich als Beschuldigter tun?
Sofort einen Strafverteidiger kontaktieren. Es bestehen gute Chancen auf Freispruch, wenn Tatbestand oder Vorsatz nicht eindeutig sind.