Kinderhandel nach § 236 StGB
Der Begriff „Kinderhandel“ klingt zunächst wie aus einem Kriminalroman. Doch im deutschen Strafrecht ist er eindeutig definiert – und kann schneller zur Anwendung kommen, als viele denken. Wer ein Kind gegen Entgelt dauerhaft einer anderen Person überlässt oder eine Adoption unbefugt vermittelt, kann sich strafbar machen. § 236 StGB soll die körperliche und seelische Unversehrtheit Minderjähriger schützen und strafrechtliche Schlupflöcher schließen.
Was genau ist unter Kinderhandel zu verstehen?
Kinderhandel liegt vor, wenn ein Kind – also eine Person unter 18 Jahren – aus seinem bisherigen Fürsorgeverhältnis herausgelöst und gegen Entgelt oder mit Bereicherungsabsicht einer anderen Person dauerhaft überlassen wird. Ebenso strafbar ist die unbefugte Vermittlung eines Kindes zur Adoption oder zur dauerhaften Aufnahme. Das gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Geldzahlung erfolgt ist – bereits das Streben nach einem Vorteil reicht aus.

Wen schützt § 236 StGB?
Die Vorschrift schützt Minderjährige – also Personen unter 18 Jahren. Geschützt wird dabei insbesondere das Recht auf ungestörte körperliche und seelische Entwicklung. Eine tatsächliche Gefährdung des Kindes ist für die Strafbarkeit nicht erforderlich. Es handelt sich um ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt.
Welche Konstellationen sind strafbar?
1. Überlassen gegen Entgelt (Abs. 1)
Wenn Eltern, Vormünder oder Pflegepersonen ein Kind dauerhaft einer anderen Person überlassen – z. B. durch Umzug oder Aufnahme in einen neuen Haushalt – und dabei ein Entgelt erhalten oder eine Bereicherungsabsicht besteht, ist dies strafbar. Dabei reicht auch ein nicht-monetärer Vorteil wie z. B. ein Mietnachlass oder eine Dienstleistung als Gegenleistung.
2. Aufnahme gegen Entgelt
Auch die Person, die ein Kind aufnimmt, kann sich strafbar machen – sofern sie dafür ein Entgelt gewährt und erkennt, dass die Fürsorgepflicht grob vernachlässigt wird. Dies gilt z. B. für Familien, die ein Kind aufnehmen und sich im Gegenzug verpflichten, Geld oder Sachleistungen zu zahlen.
3. Unbefugte Vermittlung (Abs. 2)
Wer eine Adoption vermittelt, ohne die dafür nötige staatliche Anerkennung zu besitzen, macht sich strafbar. Auch die Organisation einer dauerhaften Aufnahme eines Kindes (z. B. Pflegeverhältnisse) kann strafbar sein, wenn sie ohne behördliche Genehmigung erfolgt. Ein tatsächlicher Abschluss der Adoption ist dabei nicht erforderlich – bereits das Herstellen eines Kontakts zwischen Kind und potenziellen „Empfängern“ reicht aus.
Wann liegt ein Entgelt vor?
Ein Entgelt ist jede vermögenswerte Gegenleistung. Dazu zählen Geldzahlungen ebenso wie Sachleistungen, Mietnachlässe oder andere Vorteile. Entscheidend ist, dass die Übergabe des Kindes in einem erkennbaren Zusammenhang mit der Gegenleistung steht – auch dann, wenn diese nur teilweise oder in Aussicht gestellt wurde.
Welche Rolle spielt der Vorsatz?
Der Täter muss vorsätzlich handeln – also wissen, dass seine Handlung strafbar ist oder dies zumindest billigend in Kauf nehmen (sogenannter Eventualvorsatz). Dies gilt sowohl für das Überlassen als auch für die Aufnahme oder Vermittlung. Besonders relevant ist das bei selbstorganisierten Pflegeverhältnissen oder „privaten Lösungen“, bei denen den Beteiligten oft nicht klar ist, dass sie strafrechtliche Grenzen überschreiten.
Ist der Versuch strafbar?
Ja. Bereits der Versuch ist nach § 236 Abs. 3 StGB strafbar. Dazu genügt, dass konkrete Vorbereitungen getroffen werden – z. B. das Aufsetzen eines Übergabevertrags, das Vereinbaren einer Gegenleistung oder die Planung der Übergabe. Ein tatsächlicher Vollzug ist nicht erforderlich.
Welche Strafen drohen?
Das Strafmaß richtet sich nach der Art der Beteiligung:
– Überlassen oder Aufnahme eines Kindes gegen Entgelt: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe.
– Unbefugte Vermittlung: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe.
– In schweren Fällen (z. B. bei gewerblichem oder bandenmäßigem Handeln): Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren.

Internationale Bezüge und Besonderheiten
Gerade bei Adoptionen aus dem Ausland treten oft rechtliche Unsicherheiten auf. Unterschiedliche nationale Vorschriften, fehlende Dokumente oder nicht anerkannte Vermittlungsstellen führen regelmäßig zu Ermittlungsverfahren – obwohl die Beteiligten in guter Absicht handeln. Auch die grenzüberschreitende Vermittlung ist ausdrücklich erfasst und kann strafbar sein.
Häufige Fragen zum Kinderhandel
Ist auch eine Adoption ohne Geldzahlung strafbar?
Ja – wenn die Vermittlung unbefugt erfolgte, etwa durch eine nicht anerkannte Stelle oder durch Privatpersonen, die keine behördliche Genehmigung besitzen.
Was passiert, wenn ich nicht wusste, dass ich etwas Verbotenes tue?
Unwissenheit schützt nicht automatisch vor Strafe. Entscheidend ist, ob der Vorsatz nachweisbar ist – also ob Sie die Umstände erkannt und in Kauf genommen haben.
Gibt es mildere Strafen bei guter Absicht?
Ja – bei geringer Schuld kann das Gericht die Strafe mildern oder ganz davon absehen. Dies ist z. B. möglich, wenn die Eltern in einer extremen Notlage handeln oder die aufnehmende Familie das Kind aus echter Hilfsbereitschaft aufnimmt.
Anzeige wegen Kinderhandel erhalten?
Der Vorwurf des Kinderhandels ist schwerwiegend – auch wenn er sich im Einzelfall auf eine gut gemeinte Handlung stützt. Schon erste Ermittlungen können belastend sein. Wer ein Kind aufgenommen, überlassen oder vermittelt hat, sollte die rechtliche Situation sorgfältig prüfen lassen – insbesondere hinsichtlich Entgeltlichkeit, Vorsatz und behördlicher Befugnisse. Ein erfahrener Strafverteidiger kann helfen, Missverständnisse aufzuklären und mögliche Konsequenzen zu vermeiden.


