Scheinehe und Scheinvaterschaft zur Aufenthaltsverschaffung – § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, § 1597a BGB

Wer eine Ehe oder Vaterschaft nur vortäuscht, um ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erhalten, riskiert ernste rechtliche Folgen. Der Gesetzgeber geht gegen solche sogenannten Scheinehen und Scheinvaterschaften mit strengen Regelungen vor – präventiv und strafrechtlich. Erfahren Sie, wann eine Vaterschaftsanerkennung als missbräuchlich gilt, wie die Behörden prüfen und welche Strafen drohen können.

Inhalt

Scheinehe und Scheinvaterschaft zur Aufenthaltsverschaffung (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, § 1597a BGB)

Eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ist an klare gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Immer wieder versuchen Menschen, diese Vorschriften durch Täuschung zu umgehen – etwa durch eine sogenannte Scheinehe oder eine Scheinvaterschaft. Beide Fälle sind rechtlich heikel, weil sie nicht nur das Vertrauen in das Ausländerrecht erschüttern, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben können.
Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 95 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eine klare Strafvorschrift geschaffen. Zusätzlich wurde mit § 1597a BGB eine präventive Regelung eingeführt, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen schon im Vorfeld zu verhindern.

Unterschied zwischen Scheinehe und Scheinvaterschaft

Eine Scheinehe liegt vor, wenn zwei Personen zwar rechtlich heiraten, aber nie die Absicht hatten, tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Ziel ist allein, dass einer der Partner – meist ein ausländischer – einen Aufenthaltstitel erhält.

Von einer Scheinvaterschaft spricht man, wenn ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennt, obwohl er weiß, dass er nicht der biologische Vater ist und auch keine soziale Beziehung zum Kind haben wird. Der Zweck liegt hier meist darin, der Mutter oder dem Kind ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen oder dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.

Beide Fälle sind rechtlich problematisch, weil sie staatliche Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln täuschen. Eine solche Täuschung kann strafbar sein.

Gesetzlicher Hintergrund und Ziel des Gesetzgebers

Mit dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 wurde § 1597a BGB eingeführt. Der Gesetzgeber wollte damit verhindern, dass über gezielte Vaterschaftsanerkennungen aufenthaltsrechtliche Vorteile erschlichen werden.

Die Norm verpflichtet die beurkundenden Stellen (Jugendämter, Notare, Standesämter, Gerichte), bei einem konkreten Verdacht auf Missbrauch das Verfahren auszusetzen und die Ausländerbehörde einzuschalten. Diese soll dann prüfen, ob ein Missbrauch vorliegt. Strafrechtliche Sanktionen stehen hier zunächst nicht im Vordergrund; es handelt sich um eine vorbeugende Maßnahme.

Historische Entwicklung

Vor 2017 hatte der Gesetzgeber versucht, den Missbrauch durch ein behördliches Anfechtungsrecht zu bekämpfen. Diese Regelung erklärte das Bundesverfassungsgericht jedoch 2013 für verfassungswidrig. Der Grund: Eine solche Anfechtung konnte zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen, was mit dem Grundgesetz unvereinbar war.

Daraufhin entschied sich der Gesetzgeber für einen neuen Weg: Nicht mehr die nachträgliche Aufhebung, sondern eine präventive Kontrolle der Anerkennung sollte Missbrauch verhindern. Dieses System besteht heute aus § 1597a BGB und § 85a AufenthG.

Wann liegt eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vor?

Nach § 1597a Abs. 1 BGB ist eine Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich, wenn sie gezielt zu dem Zweck erfolgt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen.
Typische Beispiele sind:

  • Ein deutscher Mann erkennt das Kind einer ausländischen Frau an, obwohl er weiß, dass es nicht sein Kind ist, um ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu verschaffen.

  • Ein ausländischer Mann mit Daueraufenthalt erkennt das Kind einer ausländischen Frau an, um dem Kind oder der Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.

Eine solche Anerkennung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht dazu führen, dass daraus ein rechtmäßiger Aufenthalt entsteht.

Das Prüfverfahren nach § 1597a BGB und § 85a AufenthG

Das Gesetz sieht ein mehrstufiges Verfahren vor:

  1. Vorprüfung durch die beurkundende Stelle
    Jugendamt, Notar oder Standesbeamter prüfen, ob Anhaltspunkte für Missbrauch vorliegen – etwa wenn keine persönliche Beziehung besteht, wiederholte Anerkennungen auffallen oder Geldleistungen versprochen wurden.

  2. Aussetzung des Verfahrens
    Besteht ein Verdacht, wird die Beurkundung ausgesetzt. Die Beteiligten werden angehört, und der Fall wird an die zuständige Ausländerbehörde weitergeleitet.

  3. Prüfung durch die Ausländerbehörde (§ 85a AufenthG)
    Die Behörde untersucht, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt. Sie kann dabei eine Missbrauchsvermutung annehmen – insbesondere, wenn der Anerkennende mehrfach in ähnlicher Weise gehandelt hat oder finanzielle Vorteile geflossen sind.

  4. Ergebnis und Mitteilung
    Wird der Missbrauch bestätigt, erlässt die Behörde einen Verwaltungsakt. Wird er nicht bestätigt, wird das Verfahren eingestellt, und die Vaterschaft kann anschließend beurkundet werden.

Solange die Prüfung läuft, dürfen die Betroffenen nicht abgeschoben werden (§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG).

Strafbarkeit nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG

Wer falsche oder unvollständige Angaben gegenüber der Ausländerbehörde macht, um einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu erhalten, macht sich strafbar.
Das betrifft auch den Fall, dass jemand durch Täuschung – etwa durch eine Scheinehe oder Scheinvaterschaft – versucht, einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

Die Strafe reicht bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Strafbar ist nicht nur der ausländische Antragsteller, sondern auch der deutsche Beteiligte, der falsche Angaben macht oder bei der Täuschung mitwirkt.

Wirksamkeit und Folgen der Anerkennung

Eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung ist grundsätzlich unwirksam, wenn das Verfahren rechtzeitig ausgesetzt wurde (§ 1597a Abs. 3 BGB).
Wurde sie dagegen beurkundet, ohne dass der Missbrauch erkannt wurde, bleibt sie zunächst wirksam. Das Standesamt darf die Eintragung dann nicht verweigern, auch wenn später Zweifel auftauchen.

Ausländerrechtlich kann in solchen Fällen jedoch der Familiennachzug nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG verweigert werden, wenn sich zeigt, dass das Verwandtschaftsverhältnis nur zum Zweck des Aufenthalts begründet wurde.

Keine Missbrauchsvermutung bei leiblicher Vaterschaft

Wenn der Anerkennende tatsächlich der biologische Vater ist, kann die Anerkennung nicht als missbräuchlich gelten. Dies ergibt sich aus § 1597a Abs. 5 BGB.
Ein freiwillig vorgelegter DNA‑Test kann helfen, einen Verdacht zu entkräften. Eine Verpflichtung dazu besteht aber nicht.

Kritik und rechtliche Bewertung

Die Regelung gilt als verfassungsgemäß, wird aber in der Praxis kritisch gesehen. Manche Experten befürchten, dass Familien mit ausländischem Hintergrund unter Generalverdacht gestellt werden.
Andere bemängeln, dass die Prüfverfahren oft langwierig sind und das Kindeswohl dabei zu kurz kommt. Befürworter betonen dagegen, dass der Staat Missbrauch verhindern müsse, um das Aufenthaltsrecht glaubwürdig zu halten.

Fazit

Scheinehen und Scheinvaterschaften sind keine Bagatellen, sondern stellen schwerwiegende Täuschungen gegenüber Behörden dar. Sie können sowohl strafrechtliche als auch ausländerrechtliche Folgen haben.
Der Gesetzgeber verfolgt deshalb einen doppelten Ansatz: präventiv durch Prüfung (§ 1597a BGB, § 85a AufenthG) und repressiv durch Strafverfolgung (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).
Gleichzeitig muss die Anwendung dieser Vorschriften sensibel erfolgen, um unberechtigte Verdachtsfälle und Eingriffe in familiäre Rechte zu vermeiden.

Häufige Fragen zu Scheinehe und Scheinvaterschaft

Was ist eine Scheinehe genau?
Eine Scheinehe liegt vor, wenn zwei Personen nur zum Schein heiraten, also keine gemeinsame Lebensgemeinschaft führen, sondern die Ehe ausschließlich zur Aufenthaltsverschaffung dient.

Ist eine Scheinehe strafbar?
Ja. Wer gegenüber der Ausländerbehörde falsche Angaben macht, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten, kann nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bestraft werden – auch der deutsche Ehepartner.

Was bedeutet Scheinvaterschaft?
Scheinvaterschaft bedeutet, dass ein Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennt, obwohl er nicht der leibliche Vater ist, um der Mutter oder dem Kind ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen.

Kann eine Vaterschaftsanerkennung trotz Missbrauchs wirksam sein?
Ja, wenn sie ordnungsgemäß beurkundet wurde und kein Prüfverfahren eingeleitet wurde. Sie bleibt dann wirksam, auch wenn sich später Missbrauchsverdacht ergibt.

Wie erkennt die Behörde einen Missbrauch?
Es gibt typische Verdachtsmomente – etwa fehlende persönliche Beziehung zwischen Vater und Mutter, wiederholte Anerkennungen bei verschiedenen Frauen oder Geldzahlungen. In solchen Fällen prüft die Ausländerbehörde den Sachverhalt genauer.

Was passiert während der Prüfung?
Während der Prüfung darf keine Abschiebung erfolgen. Erst nach Abschluss der Prüfung entscheidet die Behörde, ob die Vaterschaftsanerkennung beurkundet werden darf.

Spielt es eine Rolle, ob der Mann der biologische Vater ist?
Ja. Wenn feststeht, dass der Mann der leibliche Vater ist, kann keine Scheinvaterschaft vorliegen – unabhängig davon, welche Motive die Anerkennung hatte.

Welche Strafe droht bei Täuschung?
Bei Verstößen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Zudem können Aufenthaltsrechte entzogen oder verweigert werden.

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