Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB
Der Schwangerschaftsabbruch ist eine rechtlich und gesellschaftlich hoch umstrittene Thematik. Strafrechtlich wird der Abbruch einer Schwangerschaft grundsätzlich als rechtswidrig eingestuft, auch wenn er unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Der Gesetzgeber versucht mit § 218 und § 218a StGB einen Ausgleich zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren zu schaffen – ein Balanceakt, der regelmäßig rechtliche Unsicherheiten mit sich bringt.
Wann ist ein Schwangerschaftsabbruch strafbar?
§ 218 StGB stellt jeden vorsätzlichen Eingriff, der zum Tod der Leibesfrucht führt, unter Strafe. Dazu zählen sowohl operative als auch medikamentöse Methoden wie Absaugung, Ausschabung oder Einnahme von Abtreibungspillen. Täter kann jede Person sein – auch die Schwangere selbst. Die Strafandrohung liegt bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe für Dritte und bis zu einem Jahr für die Schwangere selbst. Bei besonders schweren Fällen, etwa bei einem Abbruch gegen den Willen der Frau, kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren verhängt werden.
Straffreie Schwangerschaftsabbrüche: Voraussetzungen nach § 218a StGB
Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt ausnahmsweise straffrei, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese betreffen insbesondere den sogenannten Beratungspfad:
- Die Schwangere verlangt den Abbruch selbst
- Eine staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatung wurde durchgeführt
- Die Beratung fand mindestens drei Tage vor dem Eingriff statt
- Der Eingriff erfolgt durch eine Ärztin oder einen Arzt
- Seit der Empfängnis sind nicht mehr als zwölf Wochen vergangen
Daneben gibt es zwei weitere Ausnahmeregelungen: Bei medizinischer Indikation (Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren) oder bei kriminologischer Indikation (etwa Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung) ist ein Abbruch ebenfalls straffrei – auch nach der zwölften Woche.

Der rechtliche Rahmen: Schutzpflicht des Staates
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass das ungeborene Leben unter dem Schutz des Grundgesetzes steht (Art. 1 und Art. 2 GG). Gleichzeitig erkennt es das Selbstbestimmungsrecht der Frau als hohes Rechtsgut an. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis, das sich in der Regelung des § 218a StGB widerspiegelt: Der Abbruch ist objektiv rechtswidrig, bleibt aber unter bestimmten Umständen straffrei – ein juristisch ungewöhnlicher Kompromiss, der auf die Kollision grundrechtlicher Schutzgüter zurückzuführen ist.
Wann beginnt der strafrechtliche Schutz des Lebens?
Der strafrechtliche Lebensschutz beginnt nicht bereits mit der Befruchtung, sondern erst mit der sogenannten Nidation – der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter. Maßnahmen, die vor diesem Zeitpunkt eingreifen, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch. Dazu gehört zum Beispiel die Einnahme der „Pille danach“ oder der Einsatz von Spiralen.
Beispiel aus der Praxis
Eine Frau nimmt in der zehnten Schwangerschaftswoche nach einer Konfliktberatung die sogenannte Abtreibungspille (Mifegyne) ein. Zwei Tage später führt ein zweites Medikament (Misoprostol) zur Ausstoßung der Gebärmutterschleimhaut. Die gesetzliche Frist wurde eingehalten, eine Beratung fand ordnungsgemäß statt – der Abbruch bleibt damit trotz Rechtswidrigkeit straffrei. Wäre der Eingriff jedoch ohne Beratung oder nach Ablauf der Frist erfolgt, könnte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.
Ermittlungsverfahren und strafrechtliche Risiken
Ein Strafverfahren wegen § 218 StGB kann durch Hinweise Dritter, anonyme Anzeigen oder Unstimmigkeiten in ärztlichen Unterlagen ausgelöst werden. Die Ermittlungsbehörden können Vernehmungen, Hausdurchsuchungen in Praxen oder die Sicherung medizinischer Dokumente veranlassen. Betroffen sind nicht nur die Schwangere, sondern auch behandelnde Ärzte oder beteiligte Dritte. Die Schwangere selbst hat ein Aussageverweigerungsrecht. Verteidiger prüfen in solchen Fällen regelmäßig, ob die Voraussetzungen des § 218a erfüllt waren und ob formale Fehler vorliegen.
Strafzumessung: Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Bei der Strafzumessung unterscheiden Gerichte zwischen belastenden und mildernden Umständen. Mildernd wirken etwa eine emotionale Ausnahmesituation, fehlende Vorstrafen und Kooperation mit den Behörden. Straferschwerend wirken Handlungen gegen den Willen der Schwangeren, gesundheitliche Komplikationen oder kommerzielles Handeln mit Schwangerschaftsabbrüchen. Besonders schwerwiegende Fälle werden mit höheren Freiheitsstrafen geahndet.

Häufige Fragen zum Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB
Ist ein Abbruch nach der 12. Woche immer strafbar?
Nein. Wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt, bleibt der Abbruch auch nach der zwölften Woche straffrei.
Muss eine Beratung auch erfolgen, wenn die Entscheidung bereits feststeht?
Ja. Die Beratung ist gesetzlich vorgeschrieben und Voraussetzung für die Straffreiheit nach § 218a Abs. 1 StGB – unabhängig von der inneren Haltung der Schwangeren.
Kann ein Arzt strafrechtlich belangt werden?
Ja. Wenn etwa die gesetzliche Frist überschritten, keine ordnungsgemäße Beratung stattgefunden oder die Einwilligung der Schwangeren fehlt, können strafrechtliche Konsequenzen folgen.
Anzeige erhalten?
Ein Strafverfahren wegen eines Schwangerschaftsabbruchs betrifft oft hochsensible Lebensentscheidungen. Umso wichtiger ist eine fundierte rechtliche Einschätzung. Ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 218 StGB vorliegt oder die Voraussetzungen des § 218a erfüllt sind, ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen – gerade angesichts der komplexen Rechtslage und der emotionalen Belastungssituation der Betroffenen.


