Sexsomnia und die Missbrauchsstrafbarkeit

Sexsomnia ist eine seltene Schlafstörung, bei der Betroffene im Tiefschlaf sexuelle Handlungen ausführen – ohne Erinnerung daran. Doch was, wenn daraus ein Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs entsteht? Kann die Schuldfähigkeit ausgeschlossen werden? Und wie lässt sich Sexsomnia vor Gericht nachweisen?

Sexuelle Handlungen im Schlaf – für viele klingt das nach einem skurrilen Phänomen. Doch für Menschen, die an Sexsomnia leiden, kann dies bittere Realität sein. Dabei führt der Betroffene unbewusst sexuelle Handlungen aus, an die er sich nach dem Aufwachen nicht erinnert.

Doch was passiert, wenn eine solche unbewusste Handlung strafrechtlich relevant wird? In Deutschland können sexuelle Handlungen ohne Einwilligung des Gegenübers als sexueller Übergriff (§ 177 StGB) oder sogar als Vergewaltigunggewertet werden. Doch wie wird ein Fall von Sexsomnia juristisch eingeordnet? Kann die Schuldfähigkeit ausgeschlossen werden?

Dieser Artikel beleuchtet sowohl die medizinischen als auch die rechtlichen Aspekte von Sexsomnia. Außerdem erfahren Sie, wie sich Schlafwandeln von dieser Störung unterscheidet und welche Verteidigungsstrategien in einem Strafverfahren sinnvoll sind.

Was ist Sexsomnia?

Definition und medizinische Einordnung

Sexsomnia, auch „Sleepsex“ genannt, ist eine parasomnale Schlafstörung, die sich durch unbewusste sexuelle Handlungen während des Tiefschlafs auszeichnet. Sie zählt zu den Non-REM-Parasomnien und tritt meist in der ersten Nachthälfte auf, wenn der Körper sich in einer tiefen Schlafphase befindet.

Betroffene führen während einer Episode sexuelle Handlungen aus – darunter Masturbation, sexuelle Annäherungen oder Geschlechtsverkehr – ohne bewusstes Erleben oder Erinnerungsvermögen.

Ursachen und Auslöser

Sexsomnia kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst oder verstärkt werden, darunter:

  • Schlafmangel und unregelmäßige Schlafzeiten
  • Psychischer Stress oder Angststörungen
  • Alkoholkonsum und Drogen
  • Weitere Schlafstörungen (z. B. Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom)
  • Genetische Veranlagung

Studien zeigen, dass Schlafentzug, Alkohol und Stress besonders häufig mit dem Auftreten von Sexsomnia in Verbindung stehen.

Abgrenzung zu anderen Schlafstörungen

Sexsomnia ähnelt in vielen Aspekten dem Schlafwandeln (Somnambulismus). Während Schlafwandler jedoch oft einfache motorische Abläufe wie Gehen oder Sprechen ausführen, sind bei Sexsomnia gezielte sexuelle Handlungencharakteristisch. Beide Störungen treten unbewusst auf, sodass sich Betroffene nicht an ihre Handlungen erinnern können.

Sexsomnia und die Missbrauchsstrafbarkeit

Sexsomnia und Schlafwandeln – Zusammenhang und Unterschiede

Wie unterscheidet sich Sexsomnia von klassischem Schlafwandeln?

Sowohl Sexsomnia als auch Schlafwandeln sind Parasomnien, die während des Non-REM-Schlafs auftreten. Doch es gibt wesentliche Unterschiede:

MerkmalSchlafwandelnSexsomnia
AuftretenTiefschlafphaseTiefschlafphase
BewusstseinszustandKein Bewusstsein, keine ErinnerungKein Bewusstsein, keine Erinnerung
Typische HandlungenGehen, Sprechen, Türen öffnenSexuelle Handlungen
HäufigkeitHäufiger als SexsomniaSeltener als Schlafwandeln

Wissenschaftliche Erkenntnisse zu unbewusstem Verhalten im Schlaf

Neurologische Untersuchungen zeigen, dass während einer parasomnalen Episode bestimmte Gehirnareale aktiv bleiben, während andere, die für Bewusstsein und Entscheidungsfähigkeit zuständig sind (z. B. der präfrontale Kortex), inaktiv sind.

Das bedeutet: Sexsomnia-Betroffene handeln unbewusst, ohne Kontrolle über ihr Verhalten.

Missbrauchsstrafbarkeit bei Sexsomnia – Rechtliche Grundlagen

Strafrechtliche Relevanz sexueller Handlungen im Schlaf

Nach deutschem Strafrecht (§ 177 StGB) sind sexuelle Handlungen ohne Einwilligung strafbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter sich der Handlung bewusst war – maßgeblich ist, ob eine Straftat objektiv vorliegt.

Doch was, wenn der Angeklagte zur Tatzeit unter einer Sexsomnia-Episode litt?

Wie wird eine Tat rechtlich eingeordnet?

Entscheidend für die Strafbarkeit ist das Vorsatzprinzip:

  • War sich der Täter seiner Handlungen bewusst?
  • Konnte er das Unrecht seiner Tat erkennen?
  • War er fähig, sein Verhalten zu steuern?

Wenn ein Täter unter Sexsomnia leidet, kann es sein, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. In solchen Fällen kommt ein Ausschluss der Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) in Betracht.

Abgrenzung zu einvernehmlichen Handlungen im Schlaf

In Beziehungen kann es vorkommen, dass Partner einvernehmlichen Sex im Halbschlaf haben. Entscheidend ist hier die Einwilligung.

Bei Sexsomnia fehlt diese Einwilligung, weil der Betroffene sich nicht bewusst ist, dass er eine sexuelle Handlung ausführt.

Ausschluss der Schuldfähigkeit – Verteidigungsstrategien im Strafrecht

Was bedeutet Schuldunfähigkeit im Strafrecht?

Laut § 20 StGB ist eine Person schuldunfähig, wenn sie aufgrund einer krankhaften seelischen Störung oder tiefgreifenden Bewusstseinsstörung nicht in der Lage war, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Sexsomnia könnte unter diese Definition fallen, da Betroffene keine bewusste Kontrolle über ihre Handlungen haben.

Nachweis von Sexsomnia als Entlastung

Ein erfolgreicher Nachweis von Sexsomnia erfordert:

  • Schlafmedizinische Gutachten
  • Zeugenaussagen über das Schlafverhalten
  • Frühere medizinische Diagnosen

Ein Aufenthalt im Schlaflabor kann dazu beitragen, Sexsomnia als Ursache für das Verhalten zu belegen.

Probleme und Herausforderungen in der Verteidigung

Der Nachweis, dass der Angeklagte genau zur Tatzeit unter Sexsomnia litt, ist die größte Herausforderung. Zweifel können zur Verurteilung führen, wenn das Gericht die Störung nicht als glaubhaft anerkennt.

Gutachterliche Einschätzung und Beweisführung vor Gericht

Welche Rolle spielen medizinische Gutachten?

Gutachten von Schlafmedizinern, Psychiatern und Neurologen sind entscheidend, um die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu beurteilen.

Welche Beweise sind notwendig?

  • Berichte von Schlafexperten
  • Schlaflaborergebnisse
  • Zeugen, die das Schlafverhalten bestätigen können
Sexsomnia und die Missbrauchsstrafbarkeit

Präventionsmaßnahmen und Umgang mit Sexsomnia

Medizinische Behandlungsmöglichkeiten

  • Schlafhygiene verbessern (regelmäßige Schlafzeiten, Vermeidung von Alkohol)
  • Stressmanagement (Meditation, Therapie)
  • Medikamentöse Therapie bei schweren Fällen

Schutzmaßnahmen zur Vermeidung problematischer Situationen

  • Schlafumgebung sichern (z. B. Tür abschließen)
  • Partner über die Störung aufklären
  • Ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen

Fazit

Sexsomnia ist eine seltene, aber ernstzunehmende Schlafstörung mit erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen. Wird eine Tat unter Sexsomnia begangen, kann dies unter Umständen einen Ausschluss der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB begründen.

Eine erfolgreiche Verteidigung setzt jedoch eine fundierte Beweisführung voraus – insbesondere durch medizinische Gutachten und Zeugenaussagen.

FAQs

1. Ist Sexsomnia eine psychische Erkrankung?
Nein, es handelt sich um eine neurologische Schlafstörung.

2. Kann man trotz Sexsomnia verurteilt werden?
Ja, wenn die Störung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

3. Ist Sexsomnia heilbar?
Es gibt Behandlungsansätze, aber keine Garantie für eine vollständige Heilung.

4. Kann Alkohol Sexsomnia verstärken?
Ja, Alkohol und Drogen sind bekannte Risikofaktoren.

5. Wie kann man sich schützen?
Durch medizinische Behandlung, Schlafhygiene und präventive Maßnahmen.