Störung einer Bestattungsfeier
Wer eine Trauerfeier stört, riskiert mehr als nur Unmut: § 167a StGB stellt die „Störung einer Bestattungsfeier“ unter Strafe. Doch was gilt eigentlich als Störung? Muss es laut und provokant zugehen – oder reicht schon eine unbedachte Handlung? Und welche Rechte haben Beschuldigte im Ermittlungsverfahren?
Erfahren Sie in unserem Artikel, wann eine Strafbarkeit vorliegt, welche Strafen drohen und mit welchen Argumenten sich eine Anklage oft abwehren lässt.

Die Bestattung eines Menschen gehört zu den bedeutendsten rituellen Handlungen in unserer Gesellschaft. Der Gesetzgeber schützt diesen Moment der Würde und der Trauer – unter anderem durch den Straftatbestand des § 167a StGB. Wer eine solche Feier vorsätzlich stört, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Doch wie genau ist dieser Tatbestand zu verstehen? Welche rechtlichen Hürden bestehen für eine Verurteilung? Und wie kann sich ein Beschuldigter effektiv verteidigen?
Dieser Beitrag beleuchtet detailliert alle rechtlichen Aspekte rund um die Störung einer Bestattungsfeier – mit Fokus auf die Voraussetzungen, Abgrenzungsfragen, verfassungsrechtliche Bedeutung und Verteidigungsoptionen.
§ 167a StGB im Gesetzeswortlaut
§ 167a StGB – Störung einer Bestattungsfeier:
„Wer vorsätzlich eine Bestattungsfeier stört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Der Gesetzestext ist knapp, doch in der strafrechtlichen Praxis stellen sich viele komplexe Auslegungsfragen.
Tatobjekt: Was ist eine „Bestattungsfeier“?
Gesetzlich nicht näher definiert
Weder § 167a StGB noch ein anderer Paragraph des StGB enthält eine Legaldefinition der Bestattungsfeier. Daher muss eine Auslegung erfolgen.
Inhaltliche Merkmale
Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung handelt es sich um eine feierliche Veranstaltung zur Verabschiedung eines Verstorbenen. Erfasst sind insbesondere:
- Beerdigungen auf dem Friedhof
- Einäscherungen im Krematorium
- Leichenzüge
- Trauerfeiern in Kirchen, Friedhofskapellen oder privaten Trauerhäusern
Auch Trauerakte in Abwesenheit des Leichnams gelten als Bestattungsfeier, sofern das Abschiednehmen im Zentrum steht.
Abgrenzung zu anderen Veranstaltungen
Nicht erfasst sind:
- Politische Demonstrationen im Trauerkontext
- Historische oder staatliche Gedenkveranstaltungen
- Religiöse Riten ohne Bezug zu einem aktuellen Todesfall
Für die Strafbarkeit ist somit immer die konkrete Zweckbestimmung der Veranstaltung entscheidend.
Tathandlung: Was bedeutet „Stören“?
Begriffliche Auslegung
„Stören“ bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung des äußeren Ablaufs oder der inneren Atmosphäre der Feier. Eine bloße Irritation genügt nicht. Entscheidend ist, ob objektiv das Pietätsempfinden verletzt wurde.

Keine „grobe“ Störung erforderlich
Im Gegensatz zu § 167 Abs. 1 StGB (Störung der Religionsausübung) verlangt § 167a keine grobe Störung. Es genügt eine einfache, aber erhebliche Unterbrechung des Geschehens. Dies senkt die Strafbarkeitsgrenze.
Beispiele aus der Praxis
- Zwischenrufe während der Trauerrede
- Lautstarkes Telefonieren oder Abspielen von Musik
- Auftreten mit provozierender Kleidung (z. B. mit politischen Symbolen)
- Fotografieren gegen den Willen der Trauernden
Der Maßstab ist ein durchschnittliches Empfinden – es kommt nicht auf besondere Empfindlichkeit einzelner Trauergäste an.
Subjektiver Tatbestand: Der Vorsatz
Erforderlich: Absicht oder Wissentlichkeit
§ 167a StGB ist ein Vorsatzdelikt. Strafbar ist nur, wer die Störung absichtlich oder wissentlich begeht.
- Absicht liegt vor, wenn es dem Täter gerade auf die Störung ankommt.
- Wissentlichkeit bedeutet, dass der Täter sicher weiß, dass er die Feier stört, und dies billigend in Kauf nimmt.
Kein Eventualvorsatz
Entscheidend ist: Eventualvorsatz reicht nicht aus. Wer es lediglich für möglich hält, dass seine Handlung stört, ist nicht strafbar – eine Besonderheit, die eine effektive Verteidigung ermöglicht.
Versuch: Straflosigkeit der Vorbereitung
Der Versuch der Störung ist nicht strafbar. Der Gesetzgeber hat keine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen (§ 23 StGB ist nicht anwendbar). Das hat erhebliche Bedeutung für Fälle, in denen die Störung geplant, aber nicht umgesetzt wurde.
Beispiel: Jemand plant eine Störung, wird aber vom Sicherheitspersonal daran gehindert – strafrechtlich folgenlos.
Strafantrag: Offizialdelikt mit Amtsverfolgung
§ 167a StGB ist ein Offizialdelikt. Das bedeutet:
- Es ist kein Strafantrag durch Geschädigte erforderlich.
- Die Staatsanwaltschaft ermittelt von Amts wegen, sobald sie Kenntnis erlangt.
Das Verfahren beginnt häufig durch Anzeige von Teilnehmern, Friedhofspersonal oder über Polizei-Einsätze.
Strafrahmen und Strafzumessung
Gesetzlicher Rahmen
Der Strafrahmen liegt bei:
- Geldstrafe
- Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
Die Sanktionierung hängt stark vom Einzelfall ab.
Strafzumessungskriterien
Gerichte berücksichtigen bei der Strafzumessung u. a.:
- Vorsatzform (Absicht ist schwerer als Wissentlichkeit)
- Dauer und Intensität der Störung
- Wirkung auf die Trauergemeinschaft
- Verhalten nach der Tat (z. B. Entschuldigung, Reue)
- Vorstrafen des Täters
Möglich ist auch die Einstellung des Verfahrens (§ 153 StPO) bei geringer Schuld.
Verfassungsrechtliche Einordnung
Grundrechte der Beteiligten
Das Strafrecht muss mit den Grundrechten der Beteiligten vereinbar sein:
- Art. 4 GG (Religionsfreiheit)
- Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit)
- Art. 5 GG (Meinungsfreiheit)
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht der Trauergäste
Die Anwendung des § 167a StGB erfordert stets eine Abwägung zwischen dem Schutz der Bestattungszeremonie und den Grundrechten des Beschuldigten.
Abgrenzung zu anderen Delikten
§ 167 StGB – Störung der Religionsausübung
Anders als § 167a StGB verlangt § 167 eine grobe Störung. Zudem liegt der Fokus auf religiösem Charakter, nicht auf dem Trauermoment. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Tatbestände.
Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
Wer unbefugt eine Trauerhalle oder ein privates Grundstück betritt, macht sich zusätzlich wegen Hausfriedensbruchs strafbar.
Beleidigung (§ 185 StGB)
Bei persönlichen Beschimpfungen gegenüber Trauergästen kann zusätzlich eine Beleidigung vorliegen – oft in Tateinheit mit § 167a StGB.
Verteidigungsstrategien im Ermittlungsverfahren
1. Infragestellen der Tatsituation
War es wirklich eine Bestattungsfeier? Liegt objektiv ein Abschiedsvorgang vor oder lediglich ein Gedenken? Solche Unklarheiten können zur Einstellung des Verfahrens führen.
2. Angriff auf den Vorsatz
War dem Beschuldigten bewusst, dass es sich um eine Bestattungsfeier handelt? Kannte er den Ablauf? Hier lassen sich oft Zweifel erzeugen, insbesondere bei Touristen oder Unbeteiligten.

3. Prüfung der Intensität der Störung
War die Störung tatsächlich erheblich? Oder handelt es sich um eine Überempfindlichkeit der Zeugen? Aussagen sind oft subjektiv – dies muss kritisch geprüft werden.
4. Verwertbarkeit der Beweise
Wurden Videoaufnahmen rechtswidrig angefertigt? Sind Zeugenaussagen widersprüchlich? Verteidiger prüfen jede einzelne Beweisquelle auf Schwächen.
Besonderheiten im Jugendstrafrecht
Anwendung des JGG bei Jugendlichen und Heranwachsenden
Bei Tätern unter 21 Jahren prüft das Gericht, ob Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Es geht hier nicht um Strafe, sondern um Erziehung. Mögliche Rechtsfolgen sind:
- Erziehungsmaßregeln (§§ 9 ff. JGG)
- Zuchtmittel (z. B. Arbeitsauflage)
- Jugendstrafe nur bei schwerwiegendem Fehlverhalten
Fazit
Der Straftatbestand der Störung einer Bestattungsfeier gemäß § 167a StGB schützt ein zutiefst sensibles gesellschaftliches Gut – den würdevollen Abschied vom Verstorbenen. Gleichzeitig stellt die Norm hohe Anforderungen an Vorsatz und Tatintensität. Für Beschuldigte bedeutet das: Eine fundierte Verteidigungsstrategie kann oft bereits im Ermittlungsverfahren zur Einstellung führen. Eine präzise Analyse des Sachverhalts, verbunden mit juristischer Argumentationsstärke, ist dabei entscheidend.
FAQ zur Störung einer Bestattungsfeier
Wann liegt eine „Bestattungsfeier“ im Sinne von § 167a StGB vor?
Immer dann, wenn eine feierliche Veranstaltung dem Abschied eines Verstorbenen dient – etwa Beerdigung, Leichenzug oder Einäscherung.
Ist jede Störung strafbar?
Nein, nur erhebliche Störungen. Kleine Unmutsbekundungen oder Unachtsamkeiten reichen nicht aus.
Was, wenn ich die Feier nicht kannte?
Fehlt der Vorsatz, etwa weil der Charakter der Veranstaltung nicht erkennbar war, entfällt die Strafbarkeit.
Kann das Verfahren eingestellt werden?
Ja – bei geringer Schuld oder unklarer Beweislage ist eine Einstellung nach § 153 oder § 170 Abs. 2 StPO möglich.
Kann ich mit einer Geldstrafe rechnen?
In vielen Fällen ja. Freiheitsstrafen werden meist nur bei schweren oder wiederholten Störungen verhängt.