Upskirting

Seit 2020 ist das heimliche Fotografieren unter den Rock oder in den Ausschnitt strafbar. § 184k StGB stellt Upskirting unter Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Doch nicht jeder Vorwurf führt automatisch zur Verurteilung. Wann eine Aufnahme wirklich strafbar ist, welche Verteidigungsmöglichkeiten bestehen und wie Sie sich jetzt richtig verhalten, erfahren Sie in unserem ausführlichen Beitrag – kompetent, klar und aus Sicht der Strafverteidigung.

Upskirting

Das heimliche Fotografieren unter Röcke oder in Ausschnitte – besser bekannt als Upskirting und Downblousing – war in Deutschland lange Zeit ein gesellschaftlich stark kritisiertes, aber strafrechtlich kaum greifbares Phänomen. Erst seit Juli 2020 gibt es mit § 184k StGB einen spezifischen Straftatbestand, der die Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe stellt.

Die Einführung dieser Norm war eine direkte Reaktion auf die öffentliche Debatte um voyeuristische Aufnahmen in der Öffentlichkeit und eine empfundene Gesetzeslücke. Für Beschuldigte hat dieser neue Straftatbestand allerdings erhebliche juristische Konsequenzen, die oft unterschätzt werden.

Historischer Hintergrund: Warum war Upskirting vorher kaum strafbar?

Vor der Neuregelung im Strafgesetzbuch war die Strafbarkeit solcher Handlungen nur schwer ableitbar. Die bestehenden Paragraphen erfassten Upskirting meist nicht ausreichend:

§ 184i StGB – Sexuelle Belästigung

Diese Vorschrift setzt eine körperliche Berührung voraus. Das reine Fotografieren erfüllt dieses Kriterium nicht.

§ 201a StGB – Bildaufnahmen im höchstpersönlichen Lebensbereich

Diese Norm greift nur, wenn die betroffene Person sich an einem besonders geschützten Ort befindet – etwa in einer Umkleidekabine oder Wohnung. Der öffentliche Raum, in dem Upskirting typischerweise stattfindet, war nicht umfasst.

§ 118 OWiG – Belästigung der Allgemeinheit

Zwar wurde vereinzelt auf das Ordnungswidrigkeitengesetz zurückgegriffen, doch dieser Weg führte nur zu Bußgeldern und keinen strafrechtlichen Konsequenzen. Zudem fehlte es hier an der individuellen Rechtsgutsverletzung.

§ 184k StGB – Der neue Straftatbestand im Detail

Mit dem § 184k StGB wurde ein passgenauer Straftatbestand geschaffen, der explizit auf Upskirting und vergleichbare Bildhandlungen abzielt.

Gesetzestext

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,
  2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.

Tatbestandsvoraussetzungen

Körperregionen

Die Norm schützt:

  • Genitalien (geschlechtsunabhängig)
  • Gesäß (geschlechtsunabhängig)
  • Weibliche Brust

Dabei genügt es, wenn die genannten Bereiche von Unterbekleidung bedeckt sind – sie müssen nicht entblößt sein.

Unterbekleidung

Der Begriff umfasst typischerweise Unterwäsche, also Slip, BH oder Boxershorts. Auch Bikini oder Badeanzug können darunterfallen – jedoch nur dann, wenn der Intimbereich zusätzlich gegen Anblick geschützt ist.

Upskirting

Blickschutz

Ein zentrales Tatbestandsmerkmal ist der sogenannte „Blickschutz“. Damit ist gemeint, dass die Körperregionen nicht sichtbar sein sollen – etwa durch das Tragen eines Rocks oder Kleides über der Unterwäsche. Liegt kein solcher Schutz vor (z. B. am FKK-Strand oder im Freibad), scheidet eine Strafbarkeit regelmäßig aus.

Unbefugtheit

Entscheidend ist, ob die Aufnahme gegen den Willen der betroffenen Person erfolgt. Eine ausdrückliche Einwilligung schließt die Strafbarkeit aus. In der Praxis ist dies ein häufiger Streitpunkt – insbesondere bei missverständlicher Kommunikation oder vermeintlicher Zustimmung.

Vorsatz

§ 184k StGB erfordert Vorsatz – zumindest in Form von Wissentlichkeit. Der Täter muss wissen, dass die Aufnahme unbefugt ist und sich auf einen geschützten Intimbereich bezieht.

Strafmaß

Die Höchststrafe beträgt zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Die Verjährungsfrist liegt bei fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB).

Strafantrag

Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse. In der Praxis bedeutet dies: Häufig bleibt es bei der Anzeige – wenn das Opfer jedoch keinen Strafantrag stellt, wird das Verfahren mangels Verfolgungsvoraussetzung eingestellt.

Abgrenzung zu anderen Delikten

In der strafrechtlichen Praxis ist es wichtig, § 184k StGB von anderen Normen abzugrenzen:

Abgrenzung zu § 201a StGB

§ 201a erfordert einen geschützten Raum, § 184k hingegen nicht. Das macht § 184k deutlich umfassender im öffentlichen Raum.

Abgrenzung zu § 184i StGB

§ 184i bleibt relevant bei berührender sexualisierter Handlung – etwa dem absichtlichen Hochheben eines Rocks mit körperlichem Kontakt.

Kein § 185 StGB – Beleidigung

Upskirting erfüllt regelmäßig nicht die Merkmale einer Beleidigung, da es nicht um eine ausdrückliche Herabsetzung der Person geht.

Beweissicherung und forensische Analyse

Technische Beweise

Die Hauptbeweise bei § 184k StGB sind:

  • Foto- und Videodateien
  • Metadaten (Zeit, Ort, Aufnahmegerät)
  • Chatverläufe (z. B. WhatsApp oder Telegram)
  • Aussagen von Zeugen

Digitale Spurensicherung

Polizeiliche Ermittlungen greifen oft auf forensische Tools zurück, um gelöschte Dateien wiederherzustellen oder Cloud-Daten auszulesen. Hier ist anwaltliche Unterstützung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung essenziell.

Aussage gegen Aussage

Wenn keine Bildaufnahme vorliegt, stützt sich das Verfahren oft allein auf Zeugenaussagen – typisches „Aussage-gegen-Aussage“-Szenario. Dies eröffnet Raum für Verteidigung, insbesondere wenn die Aussage des vermeintlichen Opfers nicht konsistent oder detailliert genug ist.

Verteidigungsstrategien

Eine effektive Strafverteidigung bei § 184k StGB basiert auf verschiedenen Ansätzen:

Fehlen des Blickschutzes

Konnte der Intimbereich in der konkreten Situation überhaupt als „geschützt“ gelten? Eine öffentliche Badesituation oder freizügige Kleidung kann den Strafbarkeitsvorwurf entkräften.

Technischer Irrtum

Ist tatsächlich das angezeigt worden, was der Vorwurf behauptet? Bildwinkel, Perspektive oder Lichtverhältnisse können den Tatvorwurf entkräften.

Einwilligung

War die Aufnahme zwischen den Beteiligten abgesprochen? Selbst eine formlose Zustimmung kann ausreichend sein – sofern sie nachweisbar ist.

Geringfügigkeit und Einstellung

In Fällen geringer Schuld oder bei Ersttätern kann eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 oder § 153a StPO erreicht werden – häufig gegen Geldauflage, aber ohne Eintragung im Führungszeugnis.

Rechtliche Risiken einer Verurteilung

Neben der eigentlichen Strafe drohen erhebliche Nebenfolgen:

  • Eintrag im Führungszeugnis
  • Disziplinarrechtliche Konsequenzen (v. a. bei Beamten, Lehrern, Medizinern)
  • Kündigung des Arbeitsverhältnisses
  • Sorgerechtsprobleme bei familiengerichtlichen Auseinandersetzungen
  • Reputationseinbußen

Prozessuale Besonderheiten

Beschlagnahme und Durchsuchung

Ermittlungsbehörden dürfen bei Anfangsverdacht:

  • Smartphones beschlagnahmen
  • Wohnungen durchsuchen
  • Cloud-Daten anfordern

Diese Maßnahmen erfordern regelmäßig einen richterlichen Beschluss, es sei denn, es liegt Gefahr im Verzug vor – hier lohnt sich eine genaue Prüfung der Rechtsgrundlage.

Upskirting

Verteidigung im Ermittlungsverfahren

Je früher der Beschuldigte anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt, desto besser lassen sich Weichen für eine mögliche Verfahrenseinstellung oder milde Sanktion stellen.

Umgang mit Medien und Öffentlichkeit

Aufgrund der Sensibilität des Themas ist ein diskreter Umgang mit Öffentlichkeit und Arbeitgeber essenziell – auch hier bietet die anwaltliche Vertretung wichtige Schutzmechanismen.

Fazit: § 184k StGB – Kein Kavaliersdelikt, aber auch kein rechtloser Raum

Die Strafbarkeit des Upskirtings ist heute klar geregelt – doch nicht jeder Vorwurf führt automatisch zur Verurteilung. Gerade weil die Abgrenzung zu erlaubtem Verhalten oft fließend ist, besteht hoher Beratungsbedarf für Beschuldigte. Wer frühzeitig professionellen Rechtsrat sucht, kann Verfahren abwenden, einstellen lassen oder eine milde Ahndung erzielen.


FAQ – Häufige Fragen zu Upskirting und § 184k StGB

1. Was bedeutet „gegen Anblick geschützt“?
Der Intimbereich muss zusätzlich zur Unterwäsche durch Kleidung (z. B. Rock) verdeckt sein. Ein Bikini reicht nicht aus.

2. Was droht bei einer Verurteilung?
Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe, dazu ggf. Eintrag im Führungszeugnis.

3. Kann das Verfahren eingestellt werden?
Ja – insbesondere bei geringer Schuld, Ersttätern oder fehlendem öffentlichen Interesse.

4. Wie kann man sich verteidigen?
Durch technische Analysen, Prüfung der Einwilligung, Angriffe auf die Beweislage oder Verfahrensfehler.

5. Was tun bei Vorladung oder Beschuldigung?
Schweigen! Keine Aussagen ohne Strafverteidiger – sofort juristische Hilfe suchen.