Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, § 86 StGB
Das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen ist nach § 86 StGB eine Straftat – und kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Doch welche Inhalte fallen unter dieses Verbot? Welche Organisationen sind betroffen?

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland. Doch diese Freiheit hat Grenzen, insbesondere wenn Inhalte verbreitet werden, die sich gegen die demokratische Grundordnung richten. Das deutsche Strafrecht setzt in solchen Fällen klare Regeln, um extremistische und verfassungsfeindliche Propaganda zu unterbinden.
Ein zentrales Element dieser Schutzmechanismen ist § 86 StGB, der das Verbreiten von Propagandamitteln verbietet, die sich auf verfassungswidrige oder terroristische Organisationen beziehen. Daneben existiert § 86a StGB, der das Verwenden von Kennzeichen solcher Organisationen unter Strafe stellt.
Doch was genau fällt unter diese Tatbestände? Welche Organisationen sind betroffen? Und vor allem: Welche Verteidigungsstrategien gibt es für Beschuldigte?
Dieser Beitrag gibt einen detaillierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen, mögliche Strafbarkeiten und Verteidigungsoptionen.
Rechtliche Grundlagen: § 86 und § 86a StGB
§ 86 StGB – Verbreiten von Propagandamitteln
Nach § 86 StGB macht sich strafbar, wer Propagandamittel verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen verbreitet, öffentlich verwendet, einführt, herstellt oder vorrätig hält.
Was sind Propagandamittel?
- Schriften, Bücher und Flugblätter
- Bilder, Poster und Abbildungen
- Ton- und Bildträger (z. B. CDs, DVDs, digitale Inhalte)
- Online-Artikel oder Webseiten mit extremistischen Inhalten
Hierbei reicht es bereits aus, dass die Verbreitung objektiv geeignet ist, die Ziele einer verbotenen Organisation zu unterstützen – eine tatsächliche Erfolgsmessung ist nicht erforderlich.
§ 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Neben der Verbreitung von Propagandamitteln verbietet § 86a StGB das öffentliche Verwenden von Kennzeichen extremistischer Organisationen.
Zu den verbotenen Kennzeichen gehören:
- Hakenkreuze, SS-Runen und andere NS-Symbole
- Flaggen und Uniformen verbotener Organisationen
- Parolen wie „Alles für Deutschland“ oder „Meine Ehre heißt Treue“
- Lieder wie das Horst-Wessel-Lied
- Symbole extremistischer Gruppen wie „Blood & Honour“ oder „Combat 18“
Das Verbot erstreckt sich auch auf leicht veränderte Symbole, wenn diese erkennbar auf die verbotene Organisation verweisen.

Welche Organisationen gelten als verfassungswidrig oder terroristisch?
Verbotene Parteien
Nach § 86 StGB sind Propagandamittel von verbotenen Parteien strafbar. Hierzu zählen unter anderem:
- Sozialistische Reichspartei (SRP) – Nachfolgepartei der NSDAP
- KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) – Verbot seit 1956
- Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) – Neonazistische Partei
Verbotene Vereinigungen
Unter § 86 StGB fallen auch verbotene Vereinigungen, darunter:
- Blood & Honour
- Wehrsportgruppe Hoffmann
- Combat 18
- Hizb ut-Tahrir (islamistische Organisation)
- PKK (Kurdische Arbeiterpartei)
Wichtig: Auch das Werben oder Unterstützen dieser Gruppen kann strafbar sein (§ 129a StGB – Bildung einer terroristischen Vereinigung).
Welche Handlungen fallen unter das Verbreiten?
Herstellung und Verbreitung
Wer Propagandamaterial selbst erstellt oder vervielfältigt, macht sich bereits strafbar – unabhängig davon, ob das Material tatsächlich verbreitet wird.
Online-Verbreitung und soziale Medien
Besonders relevant ist die digitale Verbreitung, beispielsweise durch:
- Teilen von extremistischen Inhalten auf Facebook, Twitter oder Telegram
- Betreiben einer Website mit Propagandamaterial
- Bereitstellen von Downloads für verbotene Dokumente oder Videos
Auch private Chats können strafbar sein, wenn die Verbreitung über geschlossene Gruppen hinausgeht.
Besitz und Weitergabe
Nicht nur das aktive Verbreiten, sondern auch der Besitz von Propagandamitteln mit Verbreitungsabsicht ist strafbar. Wer zufällig über ein Propagandamittel verfügt, aber keine Absicht zur Verbreitung hat, begeht hingegen keine Straftat.
Voraussetzungen für eine Strafbarkeit
Objektiver Tatbestand
Damit eine Strafbarkeit vorliegt, müssen folgende Handlungen erfüllt sein:
- Verbreiten oder öffentliche Verwendung
- Herstellung oder Einfuhr von Propagandamaterial
- Vorrätighalten mit Verbreitungsabsicht
Subjektiver Tatbestand (Vorsatz erforderlich)
Ein wesentlicher Punkt in der Verteidigung ist der Vorsatz. Der Beschuldigte muss wissen, dass es sich um Propagandamittel handelt und die Verbreitung absichtlich vornehmen.
Mögliche Strafen und Konsequenzen
Ein Verstoß gegen § 86 StGB kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Zusätzliche Sanktionen nach § 92a StGB können sein:
- Verlust des Wahlrechts
- Aberkennung der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden
- Einziehung der Tatgegenstände (§ 92b StGB)
Mögliche Verteidigungsstrategien
Fehlender Vorsatz
Eine erfolgversprechende Strategie ist der Nachweis, dass kein Vorsatz bestand. Beispielsweise, wenn:
- Der Beschuldigte das Material nicht als verbotene Propaganda erkannte
- Die Weiterleitung irrtümlich geschah
Privilegierung für Wissenschaft, Kunst und Berichterstattung
Nach § 86 Abs. 3 StGB ist die Verbreitung von Propagandamitteln nicht strafbar, wenn sie:
- Wissenschaftlichen Zwecken dient
- Der politischen Aufklärung dient
- In Berichterstattung über aktuelle Ereignisse verwendet wird
Symbolähnlichkeit als Grauzone
Wenn ein Zeichen nicht identisch, aber ähnlich ist, kann argumentiert werden, dass ein durchschnittlicher Betrachter keinen eindeutigen Bezug zur verbotenen Organisation erkennt.

Rechtsprechung und Beispiele aus der Praxis
Einige Urteile zeigen, wie Gerichte mit solchen Fällen umgehen:
- OLG Hamm (2019): Die Parole „Alles für Deutschland“ wurde als strafbares SA-Kennzeichen gewertet.
- BGH (2021): Ein T-Shirt mit einer NS-Symbolik-ähnlichen Darstellung wurde als strafbar eingestuft.
Diese Beispiele zeigen, dass Gerichte in der Regel sehr streng mit derartigen Delikten umgehen.
Fazit
Das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen ist eine ernste Straftat, die mit hohen Strafen geahndet werden kann. Wer beschuldigt wird, sollte umgehend einen erfahrenen Strafverteidiger konsultieren.
FAQ: Häufige Fragen und Antworten
- Ist das Teilen von Propagandamaterial in privaten Chats strafbar?
Ja, wenn eine größere Gruppe erreicht wird. - Was gilt für Symbole, die nur ähnlich sind?
Wenn eine erkennbare Verbindung besteht, kann das strafbar sein. - Welche Strafen drohen?
Bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. - Gibt es Ausnahmen für Journalisten?
Ja, bei Berichterstattung über aktuelle Ereignisse (§ 86 Abs. 3 StGB). - Kann ich mich auf Unwissenheit berufen?
Nur, wenn kein Vorsatz nachgewiesen werden kann.