Volksverhetzung

Die Volksverhetzung, die insbesondere den öffentlichen Frieden stört, kann viele verschiedenen Formen annehmen. In diesem Beitrag erfahren Sie anhand einer detaillierten Beispielliste, welche Äußerungen und Handlungen gem. § 130 StGB strafbar sind und welche Strafen dafür in Aussicht stehen können.

Volksverhetzung gehört zu den sensibelsten und gleichzeitig schärfstens regulierten Bereichen des deutschen Strafrechts. Als Straftatbestand schützt sie den öffentlichen Frieden, das friedliche Zusammenleben und die Menschenwürde. Gleichzeitig führt sie oft zu Diskussionen über die Grenzen der Meinungsfreiheit. In diesem Artikel analysieren wir die juristischen Grundlagen, betrachten Beispiele aus der Praxis und zeigen Verteidigungsstrategien auf.


Was ist Volksverhetzung?

Volksverhetzung ist im Strafgesetzbuch in § 130 StGB geregelt. Der Tatbestand umfasst verschiedene Handlungsweisen, die darauf abzielen, Hass zu schüren, Gewalt zu fördern oder die Würde von Menschen anzugreifen. Ziel ist es, die Gesellschaft vor rassistischen, antisemitischen oder anderen menschenfeindlichen Äußerungen zu schützen.

Tatbestand und geschützte Gruppen

Volksverhetzung liegt vor, wenn öffentlich oder in einer Weise, die den öffentlichen Frieden gefährdet, gegen bestimmte Gruppen gehetzt wird. Zu den geschützten Gruppen gehören unter anderem:

  • Ethnische Minderheiten (z. B. Sinti und Roma, Türken)
  • Religiöse Gruppen (z. B. Juden, Muslime)
  • Flüchtlinge oder Asylbewerber
  • Gruppen mit einer bestimmten weltanschaulichen Überzeugung

Der Schutz umfasst dabei nicht nur Aufrufe zu Gewalt, sondern auch das Schüren von Hass oder die Verächtlichmachung von Personen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit.


Tatbestandsmerkmale und Handlungsalternativen

1. Aufstacheln zu Hass oder Gewalt (§ 130 Abs. 1 StGB)

Nach Absatz 1 des § 130 StGB macht sich strafbar, wer:

  • gegen Teile der Bevölkerung Hass schürt,
  • Gewalt oder Willkürmaßnahmen fordert, oder
  • die Menschenwürde anderer durch Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung angreift.

Beispiele aus der Praxis

  • Die Parole „Ausländer raus!“ auf einer Demonstration, verbunden mit einem Aufruf zur Vertreibung, erfüllt den Tatbestand.
  • Posts in sozialen Medien, die zur Gewalt gegen Flüchtlinge auffordern, sind ebenfalls strafbar.

Entscheidend ist, dass die Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Nicht jede diskriminierende oder fremdenfeindliche Bemerkung fällt automatisch unter Volksverhetzung.


2. Verbreiten oder öffentlich zugänglich machen (§ 130 Abs. 2 StGB)

Gemäß Absatz 2 steht auch das Verbreiten volksverhetzender Inhalte unter Strafe. Dazu zählen:

  • Das Teilen von Hasskommentaren auf Facebook
  • Der Upload eines YouTube-Videos mit hetzerischen Inhalten
  • Weiterleitung von Nachrichten in WhatsApp-Gruppen

Praxisbeispiel: Facebook-Kommentar

Ein Mann, der Flüchtlinge auf Facebook als „Gesocks“ und „Ungeziefer“ bezeichnete, wurde zu einer Geldstrafe von 3.750 Euro verurteilt. Die Verbreitung in einem öffentlichen Forum wie Facebook genügte, um den Tatbestand zu erfüllen.


3. Leugnung des Holocausts (§ 130 Abs. 3 und 4 StGB)

Die Leugnung, Verharmlosung oder Rechtfertigung des Holocausts ist eine besonders schwerwiegende Form der Volksverhetzung. Sie umfasst:

  • Aussagen, die die Ermordung von Juden im Nationalsozialismus leugnen (z. B. die „Auschwitz-Lüge“).
  • Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen, etwa durch Relativierung der Opferzahlen.

Besonderheit der Meinungsfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass es sich bei der Holocaustleugnung um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Diese fällt nicht unter die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 GG.


4. Leugnung von Völkerstraftaten (§ 130 Abs. 5 StGB)

Seit Dezember 2022 umfasst § 130 StGB auch die Leugnung oder Verharmlosung anderer schwerwiegender internationaler Verbrechen, wie:

  • Völkermord (z. B. in Ruanda)
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Kriegsverbrechen gemäß dem Völkerstrafgesetzbuch

Diese Erweiterung zeigt, dass der Gesetzgeber nicht nur die Vergangenheit, sondern auch aktuelle globale Entwicklungen in den Fokus rückt.


Strafmaß und Konsequenzen

1. Strafrahmen bei Volksverhetzung

Der Strafrahmen hängt von der Schwere der Tat ab:

  • Für den Grundtatbestand: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren
  • Für andere Alternativen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren

Eine Geldstrafe ist im Grundtatbestand nicht vorgesehen. Bereits eine Verurteilung führt zu einem Eintrag ins Führungszeugnis, was berufliche Konsequenzen haben kann.

2. Faktoren bei der Strafzumessung

Die konkrete Strafe wird individuell festgelegt und hängt ab von:

  • Der Öffentlichkeit der Äußerung (z. B. großer öffentlicher Raum vs. kleiner privater Kreis)
  • Der Intensität der Hetze (z. B. expliziter Gewaltaufruf vs. subtile Verächtlichmachung)
  • Eventuellen Vorstrafen

Einzelfälle

Ein Mann, der auf einer Demonstration „Dreckssyrer raus!“ rief, wurde zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.


Volksverhetzung und Meinungsfreiheit

Die Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung ist oft schwierig. Artikel 5 GG schützt das Recht auf freie Meinungsäußerung, doch dieser Schutz endet, wenn:

  • Die Menschenwürde anderer verletzt wird
  • Zu Hass oder Gewalt aufgerufen wird

Beispiele für erlaubte und strafbare Äußerungen

  • Nicht strafbar: „Ich halte die Einwanderungspolitik für falsch.“
  • Strafbar: „Alle Flüchtlinge sollten erschossen werden!“

Die Meinungsfreiheit deckt auch kontroverse Ansichten ab, solange sie nicht in Hetze oder Gewaltaufrufe münden.


Volksverhetzung im digitalen Zeitalter

1. Verbreitung über soziale Medien

Plattformen wie Facebook, Twitter oder Telegram spielen eine zentrale Rolle bei der Verbreitung volksverhetzender Inhalte. Hetze kann in Form von:

  • Kommentaren
  • Memes
  • Videos

erfolgen.

2. Die Rolle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)

Das NetzDG verpflichtet Plattformbetreiber, volksverhetzende Inhalte zeitnah zu löschen. Verstöße können zu hohen Bußgeldern führen.

3. Ermittlungen und Anonymität im Netz

Viele Nutzer glauben, online anonym zu sein. In der Realität können Ermittlungsbehörden durch IP-Adressen und andere Daten die Identität von Hetz-Kommentatoren schnell aufdecken.


Verteidigungsstrategien bei Volksverhetzungsvorwürfen

1. Nachweis fehlenden Vorsatzes

Ein zentraler Ansatz in der Verteidigung ist der Hinweis darauf, dass die Äußerung nicht vorsätzlich, sondern unbedacht getätigt wurde.

2. Kontextanalyse

Satirische oder ironische Äußerungen fallen in der Regel nicht unter Volksverhetzung. Der Nachweis des Kontextes ist entscheidend, um den Vorwurf zu entkräften.

3. Berufung auf die Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit kann als Verteidigung angeführt werden, wenn die Aussage keinen direkten Aufruf zu Gewalt oder Hass beinhaltet.


Arbeitsrechtliche Konsequenzen

Neben strafrechtlichen Folgen kann eine Verurteilung auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Beispiele:

  • Kündigung bei rassistischen Äußerungen gegenüber Kollegen
  • Imageschäden für Unternehmen bei öffentlichkeitswirksamen Fällen

Prävention und Sensibilisierung

1. Bildungsinitiativen

Durch Aufklärungskampagnen kann ein Bewusstsein für die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Gefahren von Hassrede geschaffen werden.

2. Plattformregulierung

Digitale Plattformen sollten weiterhin in die Pflicht genommen werden, volksverhetzende Inhalte zu erkennen und zu löschen.


Beispiele aus der Praxis

  • Holocaustleugnung: Ein Mann, der in einer öffentlichen Rede den Holocaust als „Erfindung“ bezeichnete, wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
  • Demonstrationen: Teilnehmer einer Demo, die „Ausländer raus!“ skandierten, wurden wegen Volksverhetzung verurteilt.
  • Facebook-Kommentare: Hetzkommentare wie „Ungeziefer“ führten zu hohen Geldstrafen.

Fazit

Volksverhetzung ist ein komplexer Straftatbestand, der die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und strafbarer Handlung auslotet. Die Balance zwischen der Wahrung individueller Freiheiten und dem Schutz gesellschaftlicher Werte erfordert eine sorgfältige juristische Bewertung.


FAQs

1. Was ist Volksverhetzung?
Volksverhetzung umfasst das Schüren von Hass, Aufrufe zu Gewalt oder die Verbreitung unwahrer Tatsachen, die den öffentlichen Frieden gefährden.

2. Ist jede abwertende Äußerung strafbar?
Nein, der Tatbestand setzt voraus, dass die Äußerung geeignet ist, Hass zu schüren oder Gewalt zu fördern.

3. Welche Strafen drohen?
Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

4. Was ist bei privaten Nachrichten?
Auch in privaten Gruppen kann Volksverhetzung vorliegen, wenn Inhalte an eine größere Öffentlichkeit gelangen.

5. Wie schützt sich die Meinungsfreiheit?
Die Meinungsfreiheit schützt auch kontroverse Ansichten, endet jedoch bei Hassrede und Gewaltaufrufen.