Wucher, § 291 StGB

Die unangemessene Ausnutzung einer wirtschaftlichen Notlage einer anderen Person kann einen sogenannten Wucher darstellen. Zur Aufrechterhaltung eines fairen und ethischen Wirtschaftsumfelds sowie zur Sicherung der wirtschaftlichen Gerechtigkeit wird eine solche Tat nach § 291 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft.

Wucher, § 291 StGB

Wucher ist eine strafbare Handlung, bei der eine Person die wirtschaftliche oder persönliche Schwäche eines anderen gezielt ausnutzt, um sich oder Dritten einen unangemessen hohen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Straftatbestand schützt insbesondere Personen in Notlagen vor wirtschaftlicher Ausbeutung.

Laut § 291 Abs. 1 StGB liegt Wucher vor, wenn jemand die Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche eines anderen ausnutzt, um sich eine Leistung versprechen oder gewähren zu lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Gegenleistung steht.

Gesetzliche Grundlage: § 291 StGB

Nach § 291 StGB kann Wucher auf verschiedene Weisen begangen werden. Die Tat kann sich auf folgende Bereiche beziehen:

  • Vermietung von Wohnraum (§ 291 Abs. 1 Nr. 1 StGB)
    Dazu zählt die reguläre Vermietung sowie Untervermietung, einschließlich Hotelzimmern, Ferienwohnungen oder sogar Wohnwagen und Wohnzelten.
  • Kreditgewährung (§ 291 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
    Darunter fallen klassische Darlehen, Ratenkredite, Stundungen oder der Ankauf von Geldforderungen mit überhöhten Zinsen.
  • Sonstige Leistungen (§ 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB)
    Diese Kategorie umfasst jede Art von wirtschaftlicher oder persönlicher Dienstleistung, die nicht unter eine der anderen Gruppen fällt. Beispiele sind die Vermietung von Geschäftsräumen oder der Handel mit Luxusgütern.
  • Vermittlung einer Leistung (§ 291 Abs. 1 Nr. 4 StGB)
    Wucher kann auch bei der Vermittlung von Krediten, Wohnungen oder Arbeitsplätzen vorliegen.

Wann ist Wucher strafbar?

Damit ein Geschäft als Wucher strafbar ist, müssen zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Tatsituation: Leistung des Täters

Es muss eine der oben genannten Leistungskategorien vorliegen (z. B. Mietvertrag, Kreditvergabe, Vermittlungsdienstleistung).

2. Tathandlung: Sich-Versprechen-Lassen bzw. Sich-Gewähren-Lassen

  • Sich-Versprechen-Lassen: Der Täter sichert sich einen Vermögensvorteil durch eine vertragliche Zusage, selbst wenn dieser noch nicht realisiert wurde.
  • Sich-Gewähren-Lassen: Der Täter nimmt den Vermögensvorteil tatsächlich in Anspruch.

Beide Tatvarianten führen zur Vollendung der Straftat.

Wucher, § 291 StGB

3. Auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

Entscheidend ist, dass die geforderte Gegenleistung in einem eklatanten Missverhältnis zum tatsächlichen Wert der Leistung steht.

Dabei gilt:

  • Mietwucher: Eine Miete, die über 50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, kann als Wucher gelten.
  • Kreditwucher: Zinssätze, die weit über dem Marktniveau liegen, insbesondere bei Personen in finanzieller Not, können strafbar sein.
  • Vermittlungswucher: Überhöhte Gebühren für die Vermittlung von Leistungen können ebenfalls als Wucher eingestuft werden.

4. Ausbeutung der Schwächesituation des Opfers

Der Täter muss die Schwäche des Opfers bewusst ausnutzen. Dabei gibt es vier anerkannte Fallgruppen:

  • Zwangslage: Wirtschaftliche oder persönliche Not zwingt das Opfer, das Geschäft einzugehen.
  • Unerfahrenheit: Das Opfer verfügt nicht über das notwendige Wissen, um die Tragweite der Vereinbarung zu erkennen.
  • Mangelndes Urteilsvermögen: Geistige oder psychische Einschränkungen verhindern eine sinnvolle Einschätzung der Situation.
  • Erhebliche Willensschwäche: Die betroffene Person ist besonders anfällig für Überredung oder Druck.

Welche Strafen drohen bei Wucher?

Die Strafandrohung hängt vom Ausmaß der Tat ab:

  • Grundtatbestand: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
  • Besonders schwerer Fall: Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren, wenn
    • das Opfer durch die Tat in wirtschaftliche Not gerät,
    • die Tat gewerbsmäßig begangen wurde oder
    • der Täter sich wucherische Vermögensvorteile durch Wechsel versprechen ließ.

Typische Fälle von Wucher in der Praxis

Mietwucher

Ein Vermieter verlangt eine stark überhöhte Miete, weil der Mieter keine Alternative hat. Auch überzogene Ablösezahlungen oder Nebenkosten können als Wucher eingestuft werden.

Lohnwucher

Arbeitgeber zahlen extrem niedrige Löhne, die in keinem Verhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung stehen. Dies betrifft oft prekäre Beschäftigungen oder Schwarzarbeit.

Kreditwucher

Ein Kreditgeber verlangt unangemessen hohe Zinsen oder Gebühren, insbesondere von Personen mit schlechter Bonität.

Vermittlungswucher

Überhöhte Gebühren für die Vermittlung von Krediten, Wohnungen oder Arbeitsplätzen können ebenfalls unter Wucher fallen.

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Betrug (§ 263 StGB)

Während beim Betrug das Opfer durch Täuschung zur Vermögensverfügung gebracht wird, beruht der Wucher darauf, dass eine Schwäche bewusst ausgenutzt wird.

Untreue (§ 266 StGB)

Untreue setzt eine Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht voraus, während Wucher durch das bewusste Erzwingen einer unangemessenen Vereinbarung entsteht.

Welche Verteidigungsstrategien gibt es bei einem Wuchervorwurf?

1. Kein auffälliges Missverhältnis

Ein entscheidender Verteidigungsansatz ist es, nachzuweisen, dass das Geschäft nicht in einem eklatanten Missverhältnis zur marktüblichen Leistung stand.

2. Fehlende Schwächesituation des Opfers

Die Verteidigung kann darauf abzielen, dass das Opfer keine Zwangslage hatte oder geschäftlich erfahren genug war, um die Bedingungen abzulehnen.

3. Kein Vorsatz

Falls der Täter nicht wusste, dass das Opfer sich in einer Schwächeposition befand, kann das eine Verteidigung gegen den Vorsatzvorwurf sein.

Beweisprobleme im Wucherprozess

Die subjektiven Merkmale (z. B. die Schwäche des Opfers) sind oft schwer zu beweisen. Es müssen klare Nachweise für eine Zwangslage oder ein besonders auffälliges Missverhältnis erbracht werden.

Wucher, § 291 StGB

Verjährung von Wucherdelikten

Die reguläre Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, in schweren Fällen kann sie verlängert werden.

Fazit: Was tun bei einem Wuchervorwurf?

Ein Vorwurf des Wuchers kann erhebliche Konsequenzen haben. Die beste Verteidigungsstrategie ist es, schnell einen Strafverteidiger hinzuzuziehen, der die individuellen Umstände prüft.

FAQs

1. Ist jeder überteuerte Preis automatisch Wucher?
Nein, es muss ein auffälliges Missverhältnis vorliegen und eine Schwäche des Opfers ausgenutzt werden.

2. Wie kann man sich gegen einen Wuchervorwurf verteidigen?
Durch den Nachweis, dass das Geschäft fair war oder das Opfer nicht in einer Zwangslage war.

3. Ist Wucher auch im Zivilrecht relevant?
Ja, nach § 138 BGB sind sittenwidrige Verträge nichtig.

4. Welche Strafe droht bei besonders schwerem Wucher?
Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

5. Ist der Versuch von Wucher strafbar?
Nein, der Versuch ist nicht strafbar.