Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Ein sexueller Missbrauch tritt in verschiedenen Formen auf und zählt gemeinhin zu den verwerflichsten Straftaten. Entsprechend schwer wiegt der Tatvorwurf einer Missbrauchstat für den Beschuldigten. Wenn der Täter zum Opfer in einem besonderen Näheverhältnis steht und sexuelle Handlungen verübt werden, dann kann es sich um „Sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen“ handeln.

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Bekannt aus

Tommy Kujus
Strafverteidiger

Aktualisiert am 10.12.2024

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Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zählt zu den schwerwiegendsten Anschuldigungen im deutschen Strafrecht. Diese Delikte betreffen nicht nur die juristische Ebene, sondern haben auch erhebliche soziale und persönliche Konsequenzen für die Beschuldigten. Der folgende Artikel bietet einen detaillierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen, mögliche Strafen, Verteidigungsstrategien und Verfahrensabläufe, um Betroffenen eine Orientierung zu geben.


Was ist „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“?

 

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich sexuelle Handlungen vor oder an dem Schutzbefohlenen vornimmt oder wenn die schutzbedürftige Person sexuelle Handlungen vor oder an dem Täter ausführt. Diese Handlungen sind strafbar, wenn ein Obhuts- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht, welches eine Machtstellung des Täters über die betroffene Person begründet.


Rechtliche Grundlage: § 174 StGB

 

Der Straftatbestand ist in § 174 StGB geregelt und zielt darauf ab, die sexuelle Selbstbestimmung von Personen in Abhängigkeitsverhältnissen zu schützen.

 

Tatobjekt: Schutzbefohlener

 

Tatopfer können nur Personen sein, die als Schutzbefohlene im Sinne des Gesetzes gelten. Hierzu gehören:

  • Minderjährige, die zur Erziehung oder Ausbildung anvertraut wurden,
  • Erwachsene, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen (z. B. Betreute, Angestellte).

 


Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnisse

 

Obhutsverhältnis

 

Ein Obhutsverhältnis entsteht, wenn eine Person einer anderen zur Betreuung oder Lebensführung anvertraut wird. Beispiele hierfür sind:

  • Eltern und Stiefeltern,
  • Lehrer, Erzieher oder Sporttrainer,
  • Pflegeeltern oder Vormunde.

 

Abhängigkeitsverhältnis

 

Ein Abhängigkeitsverhältnis liegt vor, wenn das Opfer dem Täter in einem Arbeits-, Ausbildungs- oder Betreuungsverhältnis untergeordnet ist. Beispiele:

  • Ausbilder und Azubis,
  • Chefs und Angestellte,
  • Leiter von Sportgruppen.

Nicht jedes Verhältnis erfüllt die gesetzlichen Kriterien. Tätigkeiten wie Babysitting oder Nachhilfeunterricht werden oft nicht als hinreichend angesehen, da hier die rechtliche Bindung fehlt.


Tathandlung: Sexuelle Handlungen

 

Damit eine Handlung strafbar ist, muss sie als „sexuell“ eingestuft werden. Maßgeblich ist die Wahrnehmung eines unbeteiligten Dritten. Beispiele für strafbare Handlungen:

  • Berührung der Geschlechtsteile,
  • Zungenküsse,
  • Masturbieren vor dem Schutzbefohlenen.

Handlungen müssen eine gewisse Erheblichkeit aufweisen. Das bedeutet, dass sie die sexuelle Selbstbestimmung und Entwicklung der betroffenen Person erheblich beeinträchtigen müssen. Eine Berührung ohne sexualbezogenen Kontext kann daher nicht strafbar sein.


Welche Rolle spielt das Alter des Schutzbefohlenen?

 

Das Alter des Opfers ist entscheidend für die Strafbarkeit:

  • Unter 14 Jahren: In diesen Fällen ist zusätzlich der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB erfüllt.
  • 14 bis 16 Jahre: Strafbarkeit liegt vor, wenn die sexuelle Handlung im Kontext eines Obhutsverhältnisses erfolgt.
  • 16 bis 18 Jahre: Ein Missbrauch setzt voraus, dass das Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wurde, etwa um Vorteile zu erlangen.

Auch bei älteren Schutzbefohlenen bleibt der Fokus auf dem Machtgefälle, das zur Beeinflussung des Verhaltens genutzt wird.


Strafmaß und Konsequenzen

 

Die möglichen Strafen richten sich nach den spezifischen Umständen der Tat:

  • Grundtatbestand nach § 174 Abs. 1 StGB: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
  • Leichtere Fälle (§ 174 Abs. 3 StGB): Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren.

Neben den strafrechtlichen Konsequenzen drohen:

  • Eintrag ins Führungszeugnis,
  • Berufsverbot in pädagogischen oder sozialen Berufen,
  • Rufschädigung und soziale Isolation.

Häufige Konstellationen

 

In der Praxis treten folgende Situationen besonders häufig auf:

  • Schule: Lehrer und minderjährige Schüler.
  • Sport: Trainer und jugendliche Athleten.
  • Familie: Stiefeltern oder Pflegeeltern in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Jede Konstellation erfordert eine individuelle Betrachtung, da die Grenzen zwischen Machtmissbrauch und einvernehmlichem Verhalten oft schwer zu ziehen sind.


Falschbeschuldigungen

 

Falschbeschuldigungen sind im Sexualstrafrecht ein häufiges Problem. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  • Persönliche Konflikte oder Rachegefühle,
  • Missverständnisse in der Wahrnehmung,
  • Fehlinterpretationen durch Dritte.

In solchen Fällen ist es essenziell, frühzeitig Beweise für die eigene Unschuld zu sammeln und Widersprüche in den Vorwürfen offenzulegen.


Verfahrensablauf bei einer Anzeige

 

Ermittlungsverfahren

 

Nach einer Anzeige ermittelt die Polizei unter Leitung der Staatsanwaltschaft. Es können Vernehmungen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen erfolgen. Ziel ist es, einen hinreichenden Tatverdacht zu klären.

 

Hauptverfahren

 

Bei Anklageerhebung kommt es zur Hauptverhandlung vor Gericht. Die Beweislage, insbesondere Zeugenaussagen und Gutachten, ist hier entscheidend.

 

Rechtsmittel

 

Gegen ein Urteil können Berufung oder Revision eingelegt werden. Dadurch wird die Entscheidung einer höheren Instanz überprüft.


Verteidigungsstrategien

 

Die Wahl der richtigen Verteidigungsstrategie ist entscheidend:

  1. Infragestellung des Obhuts- oder Abhängigkeitsverhältnisses: Wenn kein solches Verhältnis bestand, ist der Vorwurf nicht haltbar.
  2. Widerlegung der Tatvorwürfe: Eine genaue Analyse der Aussagen und Beweise ist notwendig, um Widersprüche aufzudecken.
  3. Nachweis der Einvernehmlichkeit: Ist das Opfer über 18 Jahre alt, kann dies die Strafbarkeit entfallen lassen.

 


Schlussfolgerung

 

Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist ein schwerwiegendes Thema, das sowohl rechtliche als auch persönliche Dimensionen hat. Eine umfassende juristische Beratung und Verteidigung sind unerlässlich, um die Rechte des Beschuldigten zu wahren und eine faire Beurteilung sicherzustellen.


FAQs

 

  1. Welche Strafe droht bei sexuellen Handlungen mit Schutzbefohlenen?
    Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren, abhängig von den Umständen der Tat.
  2. Kann ein Lehrer wegen einer Beziehung zu einem Schüler strafbar sein?
    Ja, wenn der Schüler minderjährig ist und ein Obhutsverhältnis besteht.
  3. Was tun bei einer Falschbeschuldigung?
    Einen erfahrenen Strafverteidiger einschalten, Beweise sammeln und mögliche Motive der Anschuldigung prüfen.
  4. Ist jede Berührung strafbar?
    Nein, strafbar sind nur erhebliche sexuelle Handlungen, die die Selbstbestimmung beeinträchtigen.
  5. Was ist ein Offizialdelikt?
    Ein Offizialdelikt wird von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt, ohne dass ein Strafantrag erforderlich ist.

Über den Autor
Tommy Kujus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er ist Inhaber der Leipziger Kanzlei KUJUS Strafverteidigung, und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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