Akteneinsicht beantragen

Eine Verteidigung kann nur dann wirksam sein, wenn der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger Kenntnis von den zur Last gelegten Umständen hat. Dies setzt vor allem die Kenntnis des Inhalts der Strafakten und der Beweismittel voraus. Für die Erarbeitung einer Verteidigungsstrategie ist deshalb das Akteneinsichtsrecht im Strafverfahren nach § 147 Strafprozessordnung (StPO) eines der wichtigsten Rechte.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz: § 147 StPO

    (1) Der Verteidiger ist befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

    (2) Ist der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Akten vermerkt, kann dem Verteidiger die Einsicht in die Akten oder einzelne Aktenteile sowie die Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisgegenständen versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Liegen die Voraussetzungen von Satz 1 vor und befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise zugänglich zu machen; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren.

    (3) Die Einsicht in die Protokolle über die Vernehmung des Beschuldigten und über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in die Gutachten von Sachverständigen darf dem Verteidiger in keiner Lage des Verfahrens versagt werden.

    (4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

    (5) Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft, im Übrigen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts. Versagt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht, nachdem sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, versagt sie die Einsicht nach Absatz 3 oder befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Diese Entscheidungen werden nicht mit Gründen versehen, soweit durch deren Offenlegung der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.

    (6) Ist der Grund für die Versagung der Akteneinsicht nicht vorher entfallen, so hebt die Staatsanwaltschaft die Anordnung spätestens mit dem Abschluß der Ermittlungen auf. Dem Verteidiger oder dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist Mitteilung zu machen, sobald das Recht zur Akteneinsicht wieder uneingeschränkt besteht.

    (7) (weggefallen)

Wer ist berechtigt?

Nach § 147 Abs. 1 StPO hat der (Wahl- und Pflicht-)Verteidiger das Recht, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Der verteidigte Beschuldigte hat dann zwar selbst kein Akteneinsichtsrecht, sein Verteidiger ist allerdings berechtigt bzw. verpflichtet ihm zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren hat. Er ist berechtigt seinen Mandanten Aktenabschriften, Auszüge und Ablichtungen auszuhändigen.

Auch der Beschuldigte, der keinen Strafverteidiger hat (sog. „unverteidigter Beschuldigter“), hat das Recht, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen (vgl. § 147 Abs. 4 StPO).

Wann kann Akteneinsicht beantragt werden?

Das Akteneinsichtsrecht besteht in allen Stadien eines Strafverfahrens. Das Recht entsteht mit Beginn des Verfahrens – dem sog. „Ermittlungsverfahren“. Die Akteneinsicht erfolgt durch die Stellung eines Antrags. Hier reicht ein einfacher Brief, der das Anliegen eindeutig formuliert und das Aktenzeichen enthält. Eine Frist ist nicht zu beachten. In der Regel erhält man die Akte für drei Tage.

Akteneinsicht beantragen

Welchen Inhalt haben die Akten?

Das Akteneinsichtsrecht umfasst alle Akten, die den jeweiligen Fall betreffen und dem Gericht vorliegen bzw. dem Gericht vorzulegen sind sowie alle amtlich verwahrten Beweisstücke.

Die Akten beinhalten also alle Schriftstücke und technischen Aufnahmen, insbesondere Vernehmungsprotokolle von Zeugen, Aktenvermerke, vorläufige Einschätzungen, Gutachten von Sachverständigen, aktuelle Auszüge aus dem Bundeszentralregister, Video- und Tonaufzeichnungen sowie Computerdateien. Auch Akten anderer Behörden, Beweismittelordner und Spurenakten können zur Strafakte gehören.

Wie erfolgt die Akteneinsicht?

Die Akten (in Papierform) werden zum Zwecke der Einsicht und zur Erstellung von Kopien an die Kanzlei des Verteidigers als Originale gesendet bzw. mitgegeben. Auch das Bereitstellen als elektronische Akte zum Abruf soll zukünftig möglich werden. In der Regel leitet dann der Verteidiger seinem Mandanten die Akte entweder als Kopie oder in digitaler Form weiter.

Eine Zusendung erfolgt jedoch dann nicht, wenn die Akte Inhalte enthält, deren Weiterleitung nicht erlaubt bzw. strafbar ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich in der Akte kinder- und jugendpornographische Schriften befinden. Die Akte bzw. zumindest die relevanten Teile – beispielsweise Fotos oder Dateien – können dann nur auf der Dienststelle der Ermittlungsbeamten oder bei der Staatsanwaltschaft eingesehen werden.

Die Akteneinsicht durch den unverteidigten Beschuldigten wird durch die Bereitstellung von Kopien oder unter Umständen auch in elektronischer Form gewährleistet.

Beweisstücke, die sich in amtlicher Verwahrung befinden, können nur unter Aufsicht in der jeweiligen Verwahrstelle angesehen werden. Der verteidigte Beschuldigte hat das Recht, bei der Einsichtnahme durch seinen Verteidiger dabei zu sein. Der unverteidigte Beschuldigte hat selbst ein Besichtigungsrecht.

Wer entscheidet über die Akteneinsicht?

Über die Gewährung der Akteneinsicht entscheidet im Ermittlungsverfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die zuständige Staatsanwaltschaft. Als „Herrin des Verfahrens“ entscheidet sie ob, wann, wem und in welchem Umfang Akteneinsicht gewährt wird. Im Übrigen, insbesondere nach Erhebung der Anklage, entscheidet dann der mit der Sache befasste vorsitzende Richter (vgl. § 147 Abs. 5 StPO).

Welche Grenzen gibt es?

Die Staatsanwaltschaft kann vor dem (aktenkundigen) Ende des Ermittlungsverfahrens (§ 169a StPO), also vor Anklageerhebung, die Akteneinsicht wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks verweigern. Eine solche Gefährdung liegt vor, wenn Anhaltspunkte objektiv dafürsprechen, dass der Beschuldigte durch die Kenntnisnahme des Akteninhalts in unzulässiger Weise das Ermittlungsverfahren nachteilig beeinträchtigen würde.

Die Anhaltspunkte müssen durch Tatsachen gestützt werden und dürfen nicht von allgemeiner Natur sein. Vielmehr müssen sie sich auf die Persönlichkeit des Beschuldigten, die vorgeworfenen Delikte und deren Ermittlungen beziehen. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Über die Versagung entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft nach pflichtgemäßem Ermessen.

Erfolgt die Beantragung durch den unverteidigten Beschuldigten können weitergehende Einschränkungen als bei einem Verteidiger gelten. Die Gefährdung des Untersuchungszweck kann sich hier auch aus einem anderen Strafverfahren ergeben. Darüber hinaus können Eingriffe in die Intimsphäre Dritter oder die Preisgabe der Identität von Zeugen gegen die Gewährung einer Akteneinsicht sprechen.

Ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bzw. des unverteidigten Beschuldigten besteht spätestens dann, wenn der Abschluss der Ermittlungen in der Akte vermerkt ist.

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Welche Kosten entstehen?

Für die Beantragen der Akteneinsicht fallen Verwaltungsgebühren für das Kopieren und Versenden der Akten an. Daneben entstehen Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes.

Akteneinsicht beantragen – allein oder mit Anwalt?

Die Akteneinsicht ist ein wesentlicher Schritt hin zu einer guten und erfolgreichen Verteidigung. Das Akteneinsichtsgesuch durch einen Rechtsanwalt bietet erhebliche Vorteile für eine effektive Verteidigung. Aufgrund ihrer Stellung kann eine Akteneinsicht leichter durchgesetzt werden. Außerdem können sie gemäß § 147 StPO nicht nur die Akten einsehen, sondern auch Beweisstücke wie Schriftstücke, Tonaufnahmen und Bilder prüfen. Darüber hinaus haben sie die Befugnis, Kopien relevanter Dokumente und Beweise anzufertigen. Dank ihres Fachwissens und ihrer Erfahrung haben sie einen geschulten Blick und fundiertes Verständnis für den Umgang mit den Ermittlungsbehörden, was sich als äußerst vorteilhaft für Mandanten erweisen kann.

Die Kanzlei KUJUS Strafverteidigung ist eine bundesweit tätige, vollständig digitalisierte Kanzlei. Die digitale Akte führt zu einer schnellen und unkomplizierten Kommunikation, die direkt den Mandanten zu Gute kommt. Wir unterstützen Sie gerne bei der Beantragung Ihrer Akteneinsicht – egal ob auf elektronischem Wege, auf einem Datenträger oder als Kopie. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

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